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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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von meinem kleinen Pelz---. "Schon wieder der Pelz! Das
Buch scheint für Kürschner geschrieben zu sein.

Kaum hat der weibliche Nicolai Stockholm erreicht, so fangen
auch die faden Vergleichungen an: "Neapels Goldglanz und Vene¬
digs Zauberei fehlen ganz." Es ist wohl nicht möglich? Was doch
so eine geistreiche, weit gereiste Dame für treffende Bemerkungen zu
machen weiß! -- Auf dem nächsten Blatte heißt es: "Vor einem Jahr
war ich gerade in diesen Tagen in Barcelona; doch von dem Va¬
terlande der Aloeö und Orangen ist hier auch nicht einmal verglei-
chungsweise zu sprechen. Vor drei Jahren war ich am Comersee;
aber der liegt auch wie ein Feengarten jenseits der Alpen! Doch vor
fünf Jahren in Wien, in dem ungeheueren Rosenhain von Laren¬
burg u. s. w/

Wer kümmert sich darum, wo die Gräfin gewesen ist, und ich
dächte, es wäre hinreichend, daß sie schon lange und langweilige
Bücher darüber geschrieben hat. Alle möglichen Punkte Italiens,
Spaniens und der Schweiz werden mühsam zu Protocollen herbei¬
geschleppt, und gewiß kommen künftig auch noch Aegypten, Syrien
und Mesopotamien hinzu. Die Vergleiche fallen sämmtlich zum Nach¬
theil von Schweden aus, und muß die Dame auch oft gestehen, daß
hier eine Landschaft schön sei, dann vergißt sie nicht, beizufügen, dort
oder dort war es doch schöner. Zum Beispiel sie steht Nachts am
Fenster und blickt über den Mälarsee: "Nachdem ich mich fröstelnd
in meine Mantille gewickelt, trat ich vom Fenster zurück, schloß es
und sagte mit einem kleinen Seufzer: In Venedig waren die Voll-
mondönachte anders."-- Man würde es kaum glauben, wenn'ö nicht
eine Gräfin wäre, die es versichert.

Alles ist ihr unangenehm, Alles widerwärtig in Schweden: Wege,
Häuser, Speise, Leute und Geld; Felsen, Bäume, Wasser und Blu¬
men ; besonders aber Sonne, Himmel und Luft. Ohne Unterlaß er¬
zählt die Gräfin von trüben Wolken und gießenden Regen und doch
siegt des Buches Trockenheit über das wässerige Element. Mir war
beim Lesen zu Muthe, wie im Berliner Thiergarten, wenn eben ge¬
sprengt wird. Ganz unwirsch bezeigt die Verfasserin sich, sobald
eine frischkühle Luft weht; Jda Hahn-Hahn scheint eine Freundin
vom Schwitzen zu sein. Sie spricht dem Lande Schweden jede Schön¬
heit, jede Erhabenheit ab in Natur, Kunst, Literatur und -- mit


von meinem kleinen Pelz---. „Schon wieder der Pelz! Das
Buch scheint für Kürschner geschrieben zu sein.

Kaum hat der weibliche Nicolai Stockholm erreicht, so fangen
auch die faden Vergleichungen an: „Neapels Goldglanz und Vene¬
digs Zauberei fehlen ganz." Es ist wohl nicht möglich? Was doch
so eine geistreiche, weit gereiste Dame für treffende Bemerkungen zu
machen weiß! — Auf dem nächsten Blatte heißt es: „Vor einem Jahr
war ich gerade in diesen Tagen in Barcelona; doch von dem Va¬
terlande der Aloeö und Orangen ist hier auch nicht einmal verglei-
chungsweise zu sprechen. Vor drei Jahren war ich am Comersee;
aber der liegt auch wie ein Feengarten jenseits der Alpen! Doch vor
fünf Jahren in Wien, in dem ungeheueren Rosenhain von Laren¬
burg u. s. w/

Wer kümmert sich darum, wo die Gräfin gewesen ist, und ich
dächte, es wäre hinreichend, daß sie schon lange und langweilige
Bücher darüber geschrieben hat. Alle möglichen Punkte Italiens,
Spaniens und der Schweiz werden mühsam zu Protocollen herbei¬
geschleppt, und gewiß kommen künftig auch noch Aegypten, Syrien
und Mesopotamien hinzu. Die Vergleiche fallen sämmtlich zum Nach¬
theil von Schweden aus, und muß die Dame auch oft gestehen, daß
hier eine Landschaft schön sei, dann vergißt sie nicht, beizufügen, dort
oder dort war es doch schöner. Zum Beispiel sie steht Nachts am
Fenster und blickt über den Mälarsee: „Nachdem ich mich fröstelnd
in meine Mantille gewickelt, trat ich vom Fenster zurück, schloß es
und sagte mit einem kleinen Seufzer: In Venedig waren die Voll-
mondönachte anders."— Man würde es kaum glauben, wenn'ö nicht
eine Gräfin wäre, die es versichert.

Alles ist ihr unangenehm, Alles widerwärtig in Schweden: Wege,
Häuser, Speise, Leute und Geld; Felsen, Bäume, Wasser und Blu¬
men ; besonders aber Sonne, Himmel und Luft. Ohne Unterlaß er¬
zählt die Gräfin von trüben Wolken und gießenden Regen und doch
siegt des Buches Trockenheit über das wässerige Element. Mir war
beim Lesen zu Muthe, wie im Berliner Thiergarten, wenn eben ge¬
sprengt wird. Ganz unwirsch bezeigt die Verfasserin sich, sobald
eine frischkühle Luft weht; Jda Hahn-Hahn scheint eine Freundin
vom Schwitzen zu sein. Sie spricht dem Lande Schweden jede Schön¬
heit, jede Erhabenheit ab in Natur, Kunst, Literatur und — mit


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[0316] von meinem kleinen Pelz---. „Schon wieder der Pelz! Das Buch scheint für Kürschner geschrieben zu sein. Kaum hat der weibliche Nicolai Stockholm erreicht, so fangen auch die faden Vergleichungen an: „Neapels Goldglanz und Vene¬ digs Zauberei fehlen ganz." Es ist wohl nicht möglich? Was doch so eine geistreiche, weit gereiste Dame für treffende Bemerkungen zu machen weiß! — Auf dem nächsten Blatte heißt es: „Vor einem Jahr war ich gerade in diesen Tagen in Barcelona; doch von dem Va¬ terlande der Aloeö und Orangen ist hier auch nicht einmal verglei- chungsweise zu sprechen. Vor drei Jahren war ich am Comersee; aber der liegt auch wie ein Feengarten jenseits der Alpen! Doch vor fünf Jahren in Wien, in dem ungeheueren Rosenhain von Laren¬ burg u. s. w/ Wer kümmert sich darum, wo die Gräfin gewesen ist, und ich dächte, es wäre hinreichend, daß sie schon lange und langweilige Bücher darüber geschrieben hat. Alle möglichen Punkte Italiens, Spaniens und der Schweiz werden mühsam zu Protocollen herbei¬ geschleppt, und gewiß kommen künftig auch noch Aegypten, Syrien und Mesopotamien hinzu. Die Vergleiche fallen sämmtlich zum Nach¬ theil von Schweden aus, und muß die Dame auch oft gestehen, daß hier eine Landschaft schön sei, dann vergißt sie nicht, beizufügen, dort oder dort war es doch schöner. Zum Beispiel sie steht Nachts am Fenster und blickt über den Mälarsee: „Nachdem ich mich fröstelnd in meine Mantille gewickelt, trat ich vom Fenster zurück, schloß es und sagte mit einem kleinen Seufzer: In Venedig waren die Voll- mondönachte anders."— Man würde es kaum glauben, wenn'ö nicht eine Gräfin wäre, die es versichert. Alles ist ihr unangenehm, Alles widerwärtig in Schweden: Wege, Häuser, Speise, Leute und Geld; Felsen, Bäume, Wasser und Blu¬ men ; besonders aber Sonne, Himmel und Luft. Ohne Unterlaß er¬ zählt die Gräfin von trüben Wolken und gießenden Regen und doch siegt des Buches Trockenheit über das wässerige Element. Mir war beim Lesen zu Muthe, wie im Berliner Thiergarten, wenn eben ge¬ sprengt wird. Ganz unwirsch bezeigt die Verfasserin sich, sobald eine frischkühle Luft weht; Jda Hahn-Hahn scheint eine Freundin vom Schwitzen zu sein. Sie spricht dem Lande Schweden jede Schön¬ heit, jede Erhabenheit ab in Natur, Kunst, Literatur und — mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/316>, abgerufen am 23.12.2024.