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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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gelockt hat; aus der Geschichte kann nie etwas werden, aber wer so
vernünftig wie Sie ist, wird auch schon einsehen, daß die Gewogen¬
heit gereifter Männer ersprießlicher ist, als die aus der Luft gegrif¬
fenen Betheuerungen leichtsinniger Jugend.

So niederschlagend diese Lobrede einerseits auch für Elisa's
Wünsche war, so schmeichelhaft sprach sich doch die Gesinnung des
Fürsten gegen sie darin aus, und sie unterließ nicht, ihren Dank da¬
für, so wie die Hoffnung, derselben stets würdiger zu werden, aus¬
zudrücken. Des alten Herrn Gunstbezeigungen erwiesen sich darauf
immer wärmer, bis plötzlich das geängstete Mädchen, die Natur der¬
selben ahnend, den sie unväterlich umfangenden Arm heftig von sich
stieß und raschen Laufs die Allee hinab und aus einem Gang in
den anderen lief, um nur dem ihr anfangs nacheilenden zu entkom¬
men. Doch ihre Prüfungen waren noch nicht zu Ende. Den Plan
eines Zusammentreffens mit Thomaso hatte sie ganz aufgegeben, konnte
eS doch jeden Augenblick aufs Schrecklichste gestört werden; mit nach
dem Ausgang deS Parks strebte sie hin, um die Villa alsbald wie¬
der zu erreichen. Da, fast erschöpft in eine mit Myrrhen und Oran¬
gen eingefaßte Rotunde einbiegend -- war'S ein Traum ihrer er¬
hitzten Phantasie, oder vollends vernichtende Wirklichkeit, als sie dort
auf der Ruhebank, neben der Statue des Pfeile versendenden Cu-
pido, den Geliebten in der Umarmung eines Weibes erblickte, dessen
Flammenaugcn Niemand anders als der Marquise von Garcia an¬
gehörten? Mit einem lauten Schrei sank sie zu Boden und hörte
nur dumpf, wie man zu ihrer Hilfe herbeieilte, instinctartig aber doch
das Flacon von sich stoßend, mit dem eine weiche Hand sich ihr
nahen wollte. -- Ah, die Kleine zürnt! sprach darauf widerwärtig
lachend die Dame, was gilt'S, ein tlvpit -tmoureux, Don Thomaso!
ES läßt sich denken, daß ein galanter Cavalier so bequeme häusliche
Gelegenheit nicht von der Hand gewiesen hat!

Thomaso aber entgegnete unwillig: Frau Marquise, die junge
Dame, meiner Mutter Pflegetochter, ist vollkommen unbescholten und
tadellos. Sie hat ein Anrecht an meinen Schutz, und ich muß da¬
her um Erlaubniß bitten, sie in die Villa zurückgeleiten zu dürfen,
da sie morgen mit der Fürstin Italien verläßt und ein Unwohlsein
von den traurigsten Folgen sein dürfte. Auch sagt' ich es Ihnen ja
gleich voraus, daß ich für heute eigentlich nicht die Ehre haben könnte,


gelockt hat; aus der Geschichte kann nie etwas werden, aber wer so
vernünftig wie Sie ist, wird auch schon einsehen, daß die Gewogen¬
heit gereifter Männer ersprießlicher ist, als die aus der Luft gegrif¬
fenen Betheuerungen leichtsinniger Jugend.

So niederschlagend diese Lobrede einerseits auch für Elisa's
Wünsche war, so schmeichelhaft sprach sich doch die Gesinnung des
Fürsten gegen sie darin aus, und sie unterließ nicht, ihren Dank da¬
für, so wie die Hoffnung, derselben stets würdiger zu werden, aus¬
zudrücken. Des alten Herrn Gunstbezeigungen erwiesen sich darauf
immer wärmer, bis plötzlich das geängstete Mädchen, die Natur der¬
selben ahnend, den sie unväterlich umfangenden Arm heftig von sich
stieß und raschen Laufs die Allee hinab und aus einem Gang in
den anderen lief, um nur dem ihr anfangs nacheilenden zu entkom¬
men. Doch ihre Prüfungen waren noch nicht zu Ende. Den Plan
eines Zusammentreffens mit Thomaso hatte sie ganz aufgegeben, konnte
eS doch jeden Augenblick aufs Schrecklichste gestört werden; mit nach
dem Ausgang deS Parks strebte sie hin, um die Villa alsbald wie¬
der zu erreichen. Da, fast erschöpft in eine mit Myrrhen und Oran¬
gen eingefaßte Rotunde einbiegend — war'S ein Traum ihrer er¬
hitzten Phantasie, oder vollends vernichtende Wirklichkeit, als sie dort
auf der Ruhebank, neben der Statue des Pfeile versendenden Cu-
pido, den Geliebten in der Umarmung eines Weibes erblickte, dessen
Flammenaugcn Niemand anders als der Marquise von Garcia an¬
gehörten? Mit einem lauten Schrei sank sie zu Boden und hörte
nur dumpf, wie man zu ihrer Hilfe herbeieilte, instinctartig aber doch
das Flacon von sich stoßend, mit dem eine weiche Hand sich ihr
nahen wollte. — Ah, die Kleine zürnt! sprach darauf widerwärtig
lachend die Dame, was gilt'S, ein tlvpit -tmoureux, Don Thomaso!
ES läßt sich denken, daß ein galanter Cavalier so bequeme häusliche
Gelegenheit nicht von der Hand gewiesen hat!

Thomaso aber entgegnete unwillig: Frau Marquise, die junge
Dame, meiner Mutter Pflegetochter, ist vollkommen unbescholten und
tadellos. Sie hat ein Anrecht an meinen Schutz, und ich muß da¬
her um Erlaubniß bitten, sie in die Villa zurückgeleiten zu dürfen,
da sie morgen mit der Fürstin Italien verläßt und ein Unwohlsein
von den traurigsten Folgen sein dürfte. Auch sagt' ich es Ihnen ja
gleich voraus, daß ich für heute eigentlich nicht die Ehre haben könnte,


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[0308] gelockt hat; aus der Geschichte kann nie etwas werden, aber wer so vernünftig wie Sie ist, wird auch schon einsehen, daß die Gewogen¬ heit gereifter Männer ersprießlicher ist, als die aus der Luft gegrif¬ fenen Betheuerungen leichtsinniger Jugend. So niederschlagend diese Lobrede einerseits auch für Elisa's Wünsche war, so schmeichelhaft sprach sich doch die Gesinnung des Fürsten gegen sie darin aus, und sie unterließ nicht, ihren Dank da¬ für, so wie die Hoffnung, derselben stets würdiger zu werden, aus¬ zudrücken. Des alten Herrn Gunstbezeigungen erwiesen sich darauf immer wärmer, bis plötzlich das geängstete Mädchen, die Natur der¬ selben ahnend, den sie unväterlich umfangenden Arm heftig von sich stieß und raschen Laufs die Allee hinab und aus einem Gang in den anderen lief, um nur dem ihr anfangs nacheilenden zu entkom¬ men. Doch ihre Prüfungen waren noch nicht zu Ende. Den Plan eines Zusammentreffens mit Thomaso hatte sie ganz aufgegeben, konnte eS doch jeden Augenblick aufs Schrecklichste gestört werden; mit nach dem Ausgang deS Parks strebte sie hin, um die Villa alsbald wie¬ der zu erreichen. Da, fast erschöpft in eine mit Myrrhen und Oran¬ gen eingefaßte Rotunde einbiegend — war'S ein Traum ihrer er¬ hitzten Phantasie, oder vollends vernichtende Wirklichkeit, als sie dort auf der Ruhebank, neben der Statue des Pfeile versendenden Cu- pido, den Geliebten in der Umarmung eines Weibes erblickte, dessen Flammenaugcn Niemand anders als der Marquise von Garcia an¬ gehörten? Mit einem lauten Schrei sank sie zu Boden und hörte nur dumpf, wie man zu ihrer Hilfe herbeieilte, instinctartig aber doch das Flacon von sich stoßend, mit dem eine weiche Hand sich ihr nahen wollte. — Ah, die Kleine zürnt! sprach darauf widerwärtig lachend die Dame, was gilt'S, ein tlvpit -tmoureux, Don Thomaso! ES läßt sich denken, daß ein galanter Cavalier so bequeme häusliche Gelegenheit nicht von der Hand gewiesen hat! Thomaso aber entgegnete unwillig: Frau Marquise, die junge Dame, meiner Mutter Pflegetochter, ist vollkommen unbescholten und tadellos. Sie hat ein Anrecht an meinen Schutz, und ich muß da¬ her um Erlaubniß bitten, sie in die Villa zurückgeleiten zu dürfen, da sie morgen mit der Fürstin Italien verläßt und ein Unwohlsein von den traurigsten Folgen sein dürfte. Auch sagt' ich es Ihnen ja gleich voraus, daß ich für heute eigentlich nicht die Ehre haben könnte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/308>, abgerufen am 23.12.2024.