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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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mag es auch sonst heilsam sein, doch oft in grellem Widerspruch steht.
Auch heute nun hatte die erhabene und liebenswürdige Familie sich
durch ihre Herablassung aufs Neue die Herzen gewonnen und meh¬
rere Stunden in der wogenden Versammlung zugebracht. Nachdem
sie sich daraus entfernt, wurde die, früher nur ihr reservirte Tribune
ein Tummelplatz der allgemeinen Belustigung, und auch Marianna
Ricci und Elisa fanden sich dort zusammen. Sie standen Hand in
Hand, den prachtvollen Anblick des bis in die Kuppelspitzen erleuch¬
teten Doms, so wie des Johanneötempelö bewundernd, ab und zu
das überall in Anspruch genommene Auge von der Hohe in die
Tiefe richtend, wo vom Arno herauf gleichfalls unzählige Lichter
schimmerten. Das fröhlichste Treiben herrscht an dem heutigen Abend
auf dem Flusse. Barken und Gondeln, in denen gegessen, gemmken,
gejubelt und musicirt wird, schwimmen hinauf und hinunter. Auf
dem Ponto allo Carajo steigen zahllose Raketen in die Lust. Heite¬
rer Lebensgenuß, buntes Gewimmel überall. Man sollte denken, das
Vergnügen sei die Hauptsache in der Welt, und Thränen und Kum¬
mer nur Märchen!

Dennoch, war es nicht, als spiegele sich der glänzende Strahl
von drüben in einem Tropfen, der aus Elisa's Auge rann? --
Marianna! wenn dies Fest wiederkehrt, in einem Jahre, wie wird
es dann mit uns stehen? sagte sie leise und drückte dabei der Freun¬
din Hand.

-- Vielleicht bin ich dann schon todt! entgegnete diese schwer-
müthig, und waS kann mir auch das Leben noch bieten, wenn Lo-
renzo sür mich verloren ist? -- Das wird er nicht, Du Theure!
Für Dich spricht bevorwortend so mancher eifrige Mund, so Viele
sind auf Deiner Seite, die am Ende den starren Sinn des Einen
doch noch bewältigen werden, aber ich -- die Tochter des Geächte¬
ten, Verbannten, wer nimmt sich meiner an? Selbst die, die mir wohl¬
wollen, schelten mein Gefühl eine Thorheit, wo nicht gar Verbrechen!
-- O, Elisa! und was hilft eS mir, wenn Viele sür mich sind, und
nur der Eine, von dem Alles abhängt, gegen mich? ich werde darum
nicht glücklicher sein! -- Und am Ende -- flüsterte hier Elisa, ganz
nahe zu der Freundin hingewandt, in ihr Ohr, werden wir auch
Beide so geliebt, als wir lieben? wie, wenn sie auch ohne uns zu¬
frieden sein konnten und unser bald vergäßen? -- Besser dann,


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mag es auch sonst heilsam sein, doch oft in grellem Widerspruch steht.
Auch heute nun hatte die erhabene und liebenswürdige Familie sich
durch ihre Herablassung aufs Neue die Herzen gewonnen und meh¬
rere Stunden in der wogenden Versammlung zugebracht. Nachdem
sie sich daraus entfernt, wurde die, früher nur ihr reservirte Tribune
ein Tummelplatz der allgemeinen Belustigung, und auch Marianna
Ricci und Elisa fanden sich dort zusammen. Sie standen Hand in
Hand, den prachtvollen Anblick des bis in die Kuppelspitzen erleuch¬
teten Doms, so wie des Johanneötempelö bewundernd, ab und zu
das überall in Anspruch genommene Auge von der Hohe in die
Tiefe richtend, wo vom Arno herauf gleichfalls unzählige Lichter
schimmerten. Das fröhlichste Treiben herrscht an dem heutigen Abend
auf dem Flusse. Barken und Gondeln, in denen gegessen, gemmken,
gejubelt und musicirt wird, schwimmen hinauf und hinunter. Auf
dem Ponto allo Carajo steigen zahllose Raketen in die Lust. Heite¬
rer Lebensgenuß, buntes Gewimmel überall. Man sollte denken, das
Vergnügen sei die Hauptsache in der Welt, und Thränen und Kum¬
mer nur Märchen!

Dennoch, war es nicht, als spiegele sich der glänzende Strahl
von drüben in einem Tropfen, der aus Elisa's Auge rann? —
Marianna! wenn dies Fest wiederkehrt, in einem Jahre, wie wird
es dann mit uns stehen? sagte sie leise und drückte dabei der Freun¬
din Hand.

— Vielleicht bin ich dann schon todt! entgegnete diese schwer-
müthig, und waS kann mir auch das Leben noch bieten, wenn Lo-
renzo sür mich verloren ist? — Das wird er nicht, Du Theure!
Für Dich spricht bevorwortend so mancher eifrige Mund, so Viele
sind auf Deiner Seite, die am Ende den starren Sinn des Einen
doch noch bewältigen werden, aber ich — die Tochter des Geächte¬
ten, Verbannten, wer nimmt sich meiner an? Selbst die, die mir wohl¬
wollen, schelten mein Gefühl eine Thorheit, wo nicht gar Verbrechen!
— O, Elisa! und was hilft eS mir, wenn Viele sür mich sind, und
nur der Eine, von dem Alles abhängt, gegen mich? ich werde darum
nicht glücklicher sein! — Und am Ende — flüsterte hier Elisa, ganz
nahe zu der Freundin hingewandt, in ihr Ohr, werden wir auch
Beide so geliebt, als wir lieben? wie, wenn sie auch ohne uns zu¬
frieden sein konnten und unser bald vergäßen? — Besser dann,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/305>, abgerufen am 03.07.2024.