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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Körper saß, so konnte man ihn mit Recht zu den ausgezeichnetsten
Männergest^leer rechnen.

Daß tst Fürstin bei All dem ihm nicht so wie dem nachgeben-
deren und ihr seine Verehrung offener zeigenden Lorenzo gewogen
war, hätte man aus dem Umstand entnehmen können, daß sie ihm
einen Sessel hinschob, während Lorenzo den Platz an ihrer Seite
auf der Ottomane bekam, doch war im Ganzen sein Empfang nicht
weniger freundlich. Auch schien er heut besonders hingebend und
weich gesinnt, denn er küßte die kleine mütterliche Hand mehrfach
mit einer Innigkeit, die nicht, wie wohl sonst, blos Form war, ja
ließ sich plötzlich, das Alltagsgespräch unterbrechend, knieend auf ein
Polster zu ihren Füßen hinab und sagte: Mutter! vergönnen^ Sie mir
eine ernstere Unterhaltung, in der es sich um das Glück meines Le¬
bens handelt, das zugleich in Ihren Händen ruht! -- All Ihr Hei¬
ligen!" rief hier die Fürstin, sich diesmal die hellen Schweißperlen
von der Stirn trocknend, aus; Iliebster Thomasino! nur nicht auch
eine Heirath mit einem Mädchen ohne Vermögen. Sie wissen ja,
was uns der Lorenzo darin schon für Sorge macht! Wär' es das,
müßt' ich gänzlich depreciren. -- Auch wenn Sie den Namen derjeni¬
gen hören, die ich liebe? Es ist Ihre Pflegetochter, Mutter! Elisa
Seltikow, das treffliche Mädchen, die Ihnen in allen Tugenden
gleicht!

-- Thomasino! Ihr seid nicht gescheidt, sagte die Fürstin, sich
kraftlos in die Kissen zurücklegend, >in der That, das fehlte noch,
um das Gewicht meines Verdrusses voll zu machen!

-- Und warum das, Mutter? Thomasino bediente sich heut vor¬
zugsweise dieser Benennung, die er sonst lieber zu umgehen pflegte.
Ist Elise nicht reizend und talentvoll und gut, und Ihnen bereits
werth wie eine Tochter! -- Ja, ja! erwiederte die Fürstin, sich
aufrichtend und ungeduldig; aber was hilft das Alles, da sie arm
wie eine Kirchenmaus ist! Thomaso, kennen Sie denn Ihren Vater
nicht, um sich einzubilden, er werde zu einer solchen Heirath jemals
seine Einwilligung geben? Und welchen Vorwürfen wäre ich aus¬
gesetzt, wenn er nur das Mindeste von der Geschichte erführe, da
ich daS Mävchen in's Haus gebracht! O, es ist abscheulich, wie
mich das angreift! und hier brachen Thränen aus der Geängsteten
Augen. -- Aber, theuerste Mutter! Beruhigen Sie sich doch! Sie,


Körper saß, so konnte man ihn mit Recht zu den ausgezeichnetsten
Männergest^leer rechnen.

Daß tst Fürstin bei All dem ihm nicht so wie dem nachgeben-
deren und ihr seine Verehrung offener zeigenden Lorenzo gewogen
war, hätte man aus dem Umstand entnehmen können, daß sie ihm
einen Sessel hinschob, während Lorenzo den Platz an ihrer Seite
auf der Ottomane bekam, doch war im Ganzen sein Empfang nicht
weniger freundlich. Auch schien er heut besonders hingebend und
weich gesinnt, denn er küßte die kleine mütterliche Hand mehrfach
mit einer Innigkeit, die nicht, wie wohl sonst, blos Form war, ja
ließ sich plötzlich, das Alltagsgespräch unterbrechend, knieend auf ein
Polster zu ihren Füßen hinab und sagte: Mutter! vergönnen^ Sie mir
eine ernstere Unterhaltung, in der es sich um das Glück meines Le¬
bens handelt, das zugleich in Ihren Händen ruht! — All Ihr Hei¬
ligen!" rief hier die Fürstin, sich diesmal die hellen Schweißperlen
von der Stirn trocknend, aus; Iliebster Thomasino! nur nicht auch
eine Heirath mit einem Mädchen ohne Vermögen. Sie wissen ja,
was uns der Lorenzo darin schon für Sorge macht! Wär' es das,
müßt' ich gänzlich depreciren. — Auch wenn Sie den Namen derjeni¬
gen hören, die ich liebe? Es ist Ihre Pflegetochter, Mutter! Elisa
Seltikow, das treffliche Mädchen, die Ihnen in allen Tugenden
gleicht!

— Thomasino! Ihr seid nicht gescheidt, sagte die Fürstin, sich
kraftlos in die Kissen zurücklegend, >in der That, das fehlte noch,
um das Gewicht meines Verdrusses voll zu machen!

— Und warum das, Mutter? Thomasino bediente sich heut vor¬
zugsweise dieser Benennung, die er sonst lieber zu umgehen pflegte.
Ist Elise nicht reizend und talentvoll und gut, und Ihnen bereits
werth wie eine Tochter! — Ja, ja! erwiederte die Fürstin, sich
aufrichtend und ungeduldig; aber was hilft das Alles, da sie arm
wie eine Kirchenmaus ist! Thomaso, kennen Sie denn Ihren Vater
nicht, um sich einzubilden, er werde zu einer solchen Heirath jemals
seine Einwilligung geben? Und welchen Vorwürfen wäre ich aus¬
gesetzt, wenn er nur das Mindeste von der Geschichte erführe, da
ich daS Mävchen in's Haus gebracht! O, es ist abscheulich, wie
mich das angreift! und hier brachen Thränen aus der Geängsteten
Augen. — Aber, theuerste Mutter! Beruhigen Sie sich doch! Sie,


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[0252] Körper saß, so konnte man ihn mit Recht zu den ausgezeichnetsten Männergest^leer rechnen. Daß tst Fürstin bei All dem ihm nicht so wie dem nachgeben- deren und ihr seine Verehrung offener zeigenden Lorenzo gewogen war, hätte man aus dem Umstand entnehmen können, daß sie ihm einen Sessel hinschob, während Lorenzo den Platz an ihrer Seite auf der Ottomane bekam, doch war im Ganzen sein Empfang nicht weniger freundlich. Auch schien er heut besonders hingebend und weich gesinnt, denn er küßte die kleine mütterliche Hand mehrfach mit einer Innigkeit, die nicht, wie wohl sonst, blos Form war, ja ließ sich plötzlich, das Alltagsgespräch unterbrechend, knieend auf ein Polster zu ihren Füßen hinab und sagte: Mutter! vergönnen^ Sie mir eine ernstere Unterhaltung, in der es sich um das Glück meines Le¬ bens handelt, das zugleich in Ihren Händen ruht! — All Ihr Hei¬ ligen!" rief hier die Fürstin, sich diesmal die hellen Schweißperlen von der Stirn trocknend, aus; Iliebster Thomasino! nur nicht auch eine Heirath mit einem Mädchen ohne Vermögen. Sie wissen ja, was uns der Lorenzo darin schon für Sorge macht! Wär' es das, müßt' ich gänzlich depreciren. — Auch wenn Sie den Namen derjeni¬ gen hören, die ich liebe? Es ist Ihre Pflegetochter, Mutter! Elisa Seltikow, das treffliche Mädchen, die Ihnen in allen Tugenden gleicht! — Thomasino! Ihr seid nicht gescheidt, sagte die Fürstin, sich kraftlos in die Kissen zurücklegend, >in der That, das fehlte noch, um das Gewicht meines Verdrusses voll zu machen! — Und warum das, Mutter? Thomasino bediente sich heut vor¬ zugsweise dieser Benennung, die er sonst lieber zu umgehen pflegte. Ist Elise nicht reizend und talentvoll und gut, und Ihnen bereits werth wie eine Tochter! — Ja, ja! erwiederte die Fürstin, sich aufrichtend und ungeduldig; aber was hilft das Alles, da sie arm wie eine Kirchenmaus ist! Thomaso, kennen Sie denn Ihren Vater nicht, um sich einzubilden, er werde zu einer solchen Heirath jemals seine Einwilligung geben? Und welchen Vorwürfen wäre ich aus¬ gesetzt, wenn er nur das Mindeste von der Geschichte erführe, da ich daS Mävchen in's Haus gebracht! O, es ist abscheulich, wie mich das angreift! und hier brachen Thränen aus der Geängsteten Augen. — Aber, theuerste Mutter! Beruhigen Sie sich doch! Sie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/252>, abgerufen am 23.12.2024.