Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.ohne dasselbe wäre sie fast schön zu nennen gewesen, so aber hatte ohne dasselbe wäre sie fast schön zu nennen gewesen, so aber hatte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180809"/> <p xml:id="ID_571" prev="#ID_570" next="#ID_572"> ohne dasselbe wäre sie fast schön zu nennen gewesen, so aber hatte<lb/> das Ebenmaß der Formen allzu sehr gelitten. Jedenfalls indeß<lb/> machte ihr Gesicht durch einen vorherrschenden Zug von Gutmüthig¬<lb/> keit einen sehr angenehmen Eindruck. Wollte man ihr Alter tariren,<lb/> würde man zwischen den Grenzen von Dreißig bis zu Vierzig, ohne<lb/> sich ganz genau vergewissem zu können, umherirren müssen. Da<lb/> öffnete sich die Thür. Ein, in bunte und zugleich reiche Livree ge¬<lb/> kleideter, rabenschwarzer Mohr trat ein und meldete den vierten<lb/> Stiefsohn der Fürstin, Don Lorenzo de' Principe Mcmtini. Sie<lb/> winkte Gewähr, legte Papier und Feder in eine elegante Mappe,<lb/> auf welcher das Mantinischc Wappen in Mosaik eingelegt war, und<lb/> erhob sich dann dem Eintretenden entgegen. Doch ehe sie noch sei¬<lb/> ner ansichtig wurde, erblickte sie ihr eignes Bild in einer nahestehen¬<lb/> den Psyche und mußte laut auflachen, denn mitten über das sehr<lb/> echauffirte Antlitz, welches die herabgelassenen rothseidenen Gardinen<lb/> im Widerschein fast carmoisin färbten, zog sich ein langer Dinten-<lb/> streif. „Pfui doch, ich sehe ja aus wie ein Krebs, wie ein roher<lb/> und gekochter in einer Gestalt!" rief sie aus und war noch bemüht,<lb/> sich der schwarzen Schminke zu entledigen, als Don Lorenzo, ein<lb/> sehr brünetter junger Mann, aber von interessantem Aeußern, herein¬<lb/> trat. Nachdem er der Fürstin die Hand geküßt, und ihr gegenüber<lb/> in der Ottomane Platz genommen hatte, auch einige unbedeutende<lb/> Redensarten gewechselt worden waren, begann er plötzlich, zu einem<lb/> für ilM wichtigen Thema übergehend: Nun, meine theuerste Mut¬<lb/> ter! Haben Sie Ihr Versprechen erfüllt und noch ein Mal zu mei¬<lb/> nen Gunsten mit dem Fürsten geredet? Ich brenne vor Begierde, die<lb/> Resultate davon zu erfahren! — Ach, liebster Lorenzino! entgegnete<lb/> die Dame mit einer Verlegenheit, die sie dadurch zu verbergen suchte,<lb/> daß sie noch ein Mal rückwärts in Zden Spiegel sah und an<lb/> ihrem Fleck rieb, ich kann Ihnen leider gar nichts Erfreuliches mit¬<lb/> theilen. Was ich auch that, um ihn der Sache geneigter zu machen,<lb/> Ihr Vater ist und bleibt unerbittlich! — Ha! rief der junge Mann<lb/> hier heftig aus, und was hat er Begründetes an meiner Wahl<lb/> auszusetzen? Ist nicht Marianna Ricci eins der schönsten Mädchen<lb/> von Florenz? Untadelig wie Wenige und eben so adelig als die<lb/> MantiniS? — Ganz gewiß, bester Lorenzino, daran zweifelt kein<lb/> Mensch, aber Sie wissen ja längst, wie Ihr Vater in dem Punkte</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
ohne dasselbe wäre sie fast schön zu nennen gewesen, so aber hatte
das Ebenmaß der Formen allzu sehr gelitten. Jedenfalls indeß
machte ihr Gesicht durch einen vorherrschenden Zug von Gutmüthig¬
keit einen sehr angenehmen Eindruck. Wollte man ihr Alter tariren,
würde man zwischen den Grenzen von Dreißig bis zu Vierzig, ohne
sich ganz genau vergewissem zu können, umherirren müssen. Da
öffnete sich die Thür. Ein, in bunte und zugleich reiche Livree ge¬
kleideter, rabenschwarzer Mohr trat ein und meldete den vierten
Stiefsohn der Fürstin, Don Lorenzo de' Principe Mcmtini. Sie
winkte Gewähr, legte Papier und Feder in eine elegante Mappe,
auf welcher das Mantinischc Wappen in Mosaik eingelegt war, und
erhob sich dann dem Eintretenden entgegen. Doch ehe sie noch sei¬
ner ansichtig wurde, erblickte sie ihr eignes Bild in einer nahestehen¬
den Psyche und mußte laut auflachen, denn mitten über das sehr
echauffirte Antlitz, welches die herabgelassenen rothseidenen Gardinen
im Widerschein fast carmoisin färbten, zog sich ein langer Dinten-
streif. „Pfui doch, ich sehe ja aus wie ein Krebs, wie ein roher
und gekochter in einer Gestalt!" rief sie aus und war noch bemüht,
sich der schwarzen Schminke zu entledigen, als Don Lorenzo, ein
sehr brünetter junger Mann, aber von interessantem Aeußern, herein¬
trat. Nachdem er der Fürstin die Hand geküßt, und ihr gegenüber
in der Ottomane Platz genommen hatte, auch einige unbedeutende
Redensarten gewechselt worden waren, begann er plötzlich, zu einem
für ilM wichtigen Thema übergehend: Nun, meine theuerste Mut¬
ter! Haben Sie Ihr Versprechen erfüllt und noch ein Mal zu mei¬
nen Gunsten mit dem Fürsten geredet? Ich brenne vor Begierde, die
Resultate davon zu erfahren! — Ach, liebster Lorenzino! entgegnete
die Dame mit einer Verlegenheit, die sie dadurch zu verbergen suchte,
daß sie noch ein Mal rückwärts in Zden Spiegel sah und an
ihrem Fleck rieb, ich kann Ihnen leider gar nichts Erfreuliches mit¬
theilen. Was ich auch that, um ihn der Sache geneigter zu machen,
Ihr Vater ist und bleibt unerbittlich! — Ha! rief der junge Mann
hier heftig aus, und was hat er Begründetes an meiner Wahl
auszusetzen? Ist nicht Marianna Ricci eins der schönsten Mädchen
von Florenz? Untadelig wie Wenige und eben so adelig als die
MantiniS? — Ganz gewiß, bester Lorenzino, daran zweifelt kein
Mensch, aber Sie wissen ja längst, wie Ihr Vater in dem Punkte
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