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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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fen warf. Sein zweites war noch starker, und so ist er immer west
rer auf einer Bahn fortgeschritten, hat sich eine Manier angewöhnt,
wie wir sie fast noch nie sahen, so plump, so abgeschmackt und un¬
gereimt. Und das nennt der Referent der einzigen Berliner Zeitung,
welche sich ausführlich mit Kunstkritik beschäftigt, (der Vossischen)
Freiheit der Ausführung. Aber er hat es wenigstens nicht ungestraft
gethan. In derselben Zeitung erschien wenige Tage spater eine zwar
eingesandte, aber darum doch gute Annonce, die sich kurz, aber derb
über die diesjährigen Ankaufe des Vereins aussprach. Es hieß darin:
"Glaubt der Borstand etwa, daß das Publicum eine beschmutzte
Leinwand für ein Bild ansieht, weil es ihm, dem Vorstand, ge¬
fallt, diese Sudelei mit dem Titel: Felsen an der englichen Küste, zu
belegen?" -- Es ist der richtige Ausdruck, beschmutzte Leinwand.
Wenn ein Anstreicher mit seinem Firniß Bilder malt, welche ein gro¬
ßer Verein kauft, muß die Kritik einer Eckensteherfaust gleichen. --
Eine Parthie im Thiergarten von Dähling ist das dritte in diesem
Bunde. Darüber laßt sich wenig sagen. Doch auch das laßt sich
erklaren . . . Wenn man der Sohn eines Professors der Akademie
ist, kann man immerhin schülerhaft malen und seine Bilder doch an
einen Verein verkaufen, unter dessen Vorstand mancher andere Pro¬
fessor sitzt. -- Schließlich erwähnen wir noch ein kleines humoristi¬
sches Genrebilo von Gönne: "Peter muß Lehrgeld zahlen", mehrere
architectonische Ansichten von Beckmann und Gärtner, welche von
solchen Follen nur gehoben werden können.

Kupferstiche und Lithographien lassen wir unberührt, um noch
wenige Worte über ein Bild des berühmten Belgiers de Biefve zu
sagen, dessen Compromiß der Edelleute so viel Aufsehen erregte und
noch immer erregt. Es wurde für einen Berliner Sammler, wie
man sagt, für den Preis von fünftausend Thalern gemalt, und wenn
wir auch nicht sagen, daß dieser Preis unverdient ist, so müssen wir
doch bedauern, daß ein einheimischer Künstler, Lessing, für seinen
Huß, ein Bild von viel gewaltigerer Bedeutung, abgesehen von dem
vierfach größeren Format, nur eintausend Thaler mehr empfing.
Das Bild ist historisch; der Gegenstand: der Abschluß des Friedens
von Cambrav (>" p-ux alö-i "i-no") durch Margarethe von Oesterreich,
Statthalterin der Niederlande und Muhme Karl's V., mit Luise von
Savoyen, Mutter Franz I. von Frankreich, am 3. August 1529.--
Ueber die künstlerische Bedeutung der Handlung wollen wir nicht
rechten. Der Friede ist unterzeichnet, die beiden ältlichen Frauen rek
chen sich sitzend über einen Tisch hinweg die Hände. Die Composttion
würde sich vortrefflich zu einer Medaille eignen, so grade, beinah
senkrecht grade und gleichförmig sitzen sich die beiden gegenüber; aber
die Malerei ist aus der Vereinigung des Idealen der Italiener mit
dem Realen der Niederländer hervorgegangen, und wahrlich! man


fen warf. Sein zweites war noch starker, und so ist er immer west
rer auf einer Bahn fortgeschritten, hat sich eine Manier angewöhnt,
wie wir sie fast noch nie sahen, so plump, so abgeschmackt und un¬
gereimt. Und das nennt der Referent der einzigen Berliner Zeitung,
welche sich ausführlich mit Kunstkritik beschäftigt, (der Vossischen)
Freiheit der Ausführung. Aber er hat es wenigstens nicht ungestraft
gethan. In derselben Zeitung erschien wenige Tage spater eine zwar
eingesandte, aber darum doch gute Annonce, die sich kurz, aber derb
über die diesjährigen Ankaufe des Vereins aussprach. Es hieß darin:
„Glaubt der Borstand etwa, daß das Publicum eine beschmutzte
Leinwand für ein Bild ansieht, weil es ihm, dem Vorstand, ge¬
fallt, diese Sudelei mit dem Titel: Felsen an der englichen Küste, zu
belegen?" — Es ist der richtige Ausdruck, beschmutzte Leinwand.
Wenn ein Anstreicher mit seinem Firniß Bilder malt, welche ein gro¬
ßer Verein kauft, muß die Kritik einer Eckensteherfaust gleichen. —
Eine Parthie im Thiergarten von Dähling ist das dritte in diesem
Bunde. Darüber laßt sich wenig sagen. Doch auch das laßt sich
erklaren . . . Wenn man der Sohn eines Professors der Akademie
ist, kann man immerhin schülerhaft malen und seine Bilder doch an
einen Verein verkaufen, unter dessen Vorstand mancher andere Pro¬
fessor sitzt. — Schließlich erwähnen wir noch ein kleines humoristi¬
sches Genrebilo von Gönne: „Peter muß Lehrgeld zahlen", mehrere
architectonische Ansichten von Beckmann und Gärtner, welche von
solchen Follen nur gehoben werden können.

Kupferstiche und Lithographien lassen wir unberührt, um noch
wenige Worte über ein Bild des berühmten Belgiers de Biefve zu
sagen, dessen Compromiß der Edelleute so viel Aufsehen erregte und
noch immer erregt. Es wurde für einen Berliner Sammler, wie
man sagt, für den Preis von fünftausend Thalern gemalt, und wenn
wir auch nicht sagen, daß dieser Preis unverdient ist, so müssen wir
doch bedauern, daß ein einheimischer Künstler, Lessing, für seinen
Huß, ein Bild von viel gewaltigerer Bedeutung, abgesehen von dem
vierfach größeren Format, nur eintausend Thaler mehr empfing.
Das Bild ist historisch; der Gegenstand: der Abschluß des Friedens
von Cambrav (>" p-ux alö-i «i-no«) durch Margarethe von Oesterreich,
Statthalterin der Niederlande und Muhme Karl's V., mit Luise von
Savoyen, Mutter Franz I. von Frankreich, am 3. August 1529.—
Ueber die künstlerische Bedeutung der Handlung wollen wir nicht
rechten. Der Friede ist unterzeichnet, die beiden ältlichen Frauen rek
chen sich sitzend über einen Tisch hinweg die Hände. Die Composttion
würde sich vortrefflich zu einer Medaille eignen, so grade, beinah
senkrecht grade und gleichförmig sitzen sich die beiden gegenüber; aber
die Malerei ist aus der Vereinigung des Idealen der Italiener mit
dem Realen der Niederländer hervorgegangen, und wahrlich! man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/240>, abgerufen am 23.07.2024.