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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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waren, weil in einer Zeit, die noch schlechter war, als die unsre. --
Auch die Kunst ist nicht göttlich frei genug auf der Welt, daß ihr
Jünger nicht unter dem Einflüsse des Alters stehen sollte. Als Titian als
Greis seine herrlichsten Schöpfungen wieder zusammenholte, um sie,
wie er sagte, zu verbessern, da gaben ihm seine Schüler, die nun klü¬
ger waren, als er, einen Firniß, der die Farben nur ganz leicht ver¬
band, den sie nach seinem Tode, wie es auch wirklich geschah, mit-
sammt der neuen Sudelei herunterwaschen konnten. ^- Das war so
klug und schön, so innig und kunstverständig, daß es fast aussteht,
als sei es in unserem Jahrhundert passirt! Dennoch sind in Berlin
in neuester Zeit Fortschritte geschehen, wenn auch nur solche, die auf
das äußere Wesen der Kunst hingehen. Ich meine damit zwei per¬
manente Ausstellungen, welche vom Kunstverein und vom Kunsthänd¬
ler Kuhr veranstaltet wurden.

Der Kunstverein stellt in einem eigens dazu bestimmten Locale
die Bilder aus, welche ihm Jahr aus, Jahr ein zum Kauf angebo¬
ten werden. Das ist ein Fortschritt, aber kein genügender, insofern
nicht Jedem erlaubt ist, die Bilder zu sehen. -- Der Kunsthändler
Kuhr hat ein brillantes Local eröffnet, in dem er die Werke einhei¬
mischer und ausländischer Künstler, die ihm zum Verkauft eingesandt
sind, ausstellt. Hier steht Jedem der Eintritt gegen ein jährliches
Abonnement, oder gegen ein einzelnes Entrve frei.

Ich will mich heute mit den Werken beschäftigen, welche der
Verein der preußischen Kunstfreunde zur Verloosung angekauft und
in der Akademie ausgestellt hat. -- Man hätte voraussetzen können,
daß der Verein durch das lange Ausgeftclltsein der angekauften Bil¬
der zu deren richtiger Erkenntniß hätte kommen müssen. Aber leider
geschah das nicht; -- der Verein hat lange nicht so viel Mittelmä¬
ßiges, ja so einzig Schlechtes gekauft. -- Ein Bild von Eybel, eine
Scene aus Walter Scott's.Roman Woodstock, schien Liebling der
Menge geworden zu sein, weil alte, ehrwürdige und jugendliche schöne
Gesichter darauf sind. Wir übersehen die Vorzüge des Bildes durch¬
aus nicht, können aber vor Allem die Eintönigkeit der Beleuchtung
nicht begreifen, welche in dem Bilde herrscht. Warum trifft alle Fi¬
guren ein und dasselbe Licht? . . . warum sitzt nicht eine oder die
andere im Schatten? -- Ein zweiter Fehler, den ein Maler wie Ey¬
bel doch nicht machen sollte, ist die an einzelnen Stellen pastose Be¬
handlung des dunklen Hintergrundes. Das Auge wird durch solche
Glanzlichter im Schatten, welcher gerade hier auffallend viel waren,
so verwirrt, so abgeleitet, daß es vom wahren Licht des Bildes, das
ist die Handlung, abkommt. -- Ein Pferderennen von Stef-
feck ist eines jener südlich kräftigen Bilder, deren Stammvater der
leider zu früh geschiedene Leopold Robert, der begeisterte Prophet der
Campagna, ist. -- Ein Schäfer mit seiner Heerde von Otto


waren, weil in einer Zeit, die noch schlechter war, als die unsre. —
Auch die Kunst ist nicht göttlich frei genug auf der Welt, daß ihr
Jünger nicht unter dem Einflüsse des Alters stehen sollte. Als Titian als
Greis seine herrlichsten Schöpfungen wieder zusammenholte, um sie,
wie er sagte, zu verbessern, da gaben ihm seine Schüler, die nun klü¬
ger waren, als er, einen Firniß, der die Farben nur ganz leicht ver¬
band, den sie nach seinem Tode, wie es auch wirklich geschah, mit-
sammt der neuen Sudelei herunterwaschen konnten. ^- Das war so
klug und schön, so innig und kunstverständig, daß es fast aussteht,
als sei es in unserem Jahrhundert passirt! Dennoch sind in Berlin
in neuester Zeit Fortschritte geschehen, wenn auch nur solche, die auf
das äußere Wesen der Kunst hingehen. Ich meine damit zwei per¬
manente Ausstellungen, welche vom Kunstverein und vom Kunsthänd¬
ler Kuhr veranstaltet wurden.

Der Kunstverein stellt in einem eigens dazu bestimmten Locale
die Bilder aus, welche ihm Jahr aus, Jahr ein zum Kauf angebo¬
ten werden. Das ist ein Fortschritt, aber kein genügender, insofern
nicht Jedem erlaubt ist, die Bilder zu sehen. — Der Kunsthändler
Kuhr hat ein brillantes Local eröffnet, in dem er die Werke einhei¬
mischer und ausländischer Künstler, die ihm zum Verkauft eingesandt
sind, ausstellt. Hier steht Jedem der Eintritt gegen ein jährliches
Abonnement, oder gegen ein einzelnes Entrve frei.

Ich will mich heute mit den Werken beschäftigen, welche der
Verein der preußischen Kunstfreunde zur Verloosung angekauft und
in der Akademie ausgestellt hat. — Man hätte voraussetzen können,
daß der Verein durch das lange Ausgeftclltsein der angekauften Bil¬
der zu deren richtiger Erkenntniß hätte kommen müssen. Aber leider
geschah das nicht; — der Verein hat lange nicht so viel Mittelmä¬
ßiges, ja so einzig Schlechtes gekauft. — Ein Bild von Eybel, eine
Scene aus Walter Scott's.Roman Woodstock, schien Liebling der
Menge geworden zu sein, weil alte, ehrwürdige und jugendliche schöne
Gesichter darauf sind. Wir übersehen die Vorzüge des Bildes durch¬
aus nicht, können aber vor Allem die Eintönigkeit der Beleuchtung
nicht begreifen, welche in dem Bilde herrscht. Warum trifft alle Fi¬
guren ein und dasselbe Licht? . . . warum sitzt nicht eine oder die
andere im Schatten? — Ein zweiter Fehler, den ein Maler wie Ey¬
bel doch nicht machen sollte, ist die an einzelnen Stellen pastose Be¬
handlung des dunklen Hintergrundes. Das Auge wird durch solche
Glanzlichter im Schatten, welcher gerade hier auffallend viel waren,
so verwirrt, so abgeleitet, daß es vom wahren Licht des Bildes, das
ist die Handlung, abkommt. — Ein Pferderennen von Stef-
feck ist eines jener südlich kräftigen Bilder, deren Stammvater der
leider zu früh geschiedene Leopold Robert, der begeisterte Prophet der
Campagna, ist. — Ein Schäfer mit seiner Heerde von Otto


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[0238] waren, weil in einer Zeit, die noch schlechter war, als die unsre. — Auch die Kunst ist nicht göttlich frei genug auf der Welt, daß ihr Jünger nicht unter dem Einflüsse des Alters stehen sollte. Als Titian als Greis seine herrlichsten Schöpfungen wieder zusammenholte, um sie, wie er sagte, zu verbessern, da gaben ihm seine Schüler, die nun klü¬ ger waren, als er, einen Firniß, der die Farben nur ganz leicht ver¬ band, den sie nach seinem Tode, wie es auch wirklich geschah, mit- sammt der neuen Sudelei herunterwaschen konnten. ^- Das war so klug und schön, so innig und kunstverständig, daß es fast aussteht, als sei es in unserem Jahrhundert passirt! Dennoch sind in Berlin in neuester Zeit Fortschritte geschehen, wenn auch nur solche, die auf das äußere Wesen der Kunst hingehen. Ich meine damit zwei per¬ manente Ausstellungen, welche vom Kunstverein und vom Kunsthänd¬ ler Kuhr veranstaltet wurden. Der Kunstverein stellt in einem eigens dazu bestimmten Locale die Bilder aus, welche ihm Jahr aus, Jahr ein zum Kauf angebo¬ ten werden. Das ist ein Fortschritt, aber kein genügender, insofern nicht Jedem erlaubt ist, die Bilder zu sehen. — Der Kunsthändler Kuhr hat ein brillantes Local eröffnet, in dem er die Werke einhei¬ mischer und ausländischer Künstler, die ihm zum Verkauft eingesandt sind, ausstellt. Hier steht Jedem der Eintritt gegen ein jährliches Abonnement, oder gegen ein einzelnes Entrve frei. Ich will mich heute mit den Werken beschäftigen, welche der Verein der preußischen Kunstfreunde zur Verloosung angekauft und in der Akademie ausgestellt hat. — Man hätte voraussetzen können, daß der Verein durch das lange Ausgeftclltsein der angekauften Bil¬ der zu deren richtiger Erkenntniß hätte kommen müssen. Aber leider geschah das nicht; — der Verein hat lange nicht so viel Mittelmä¬ ßiges, ja so einzig Schlechtes gekauft. — Ein Bild von Eybel, eine Scene aus Walter Scott's.Roman Woodstock, schien Liebling der Menge geworden zu sein, weil alte, ehrwürdige und jugendliche schöne Gesichter darauf sind. Wir übersehen die Vorzüge des Bildes durch¬ aus nicht, können aber vor Allem die Eintönigkeit der Beleuchtung nicht begreifen, welche in dem Bilde herrscht. Warum trifft alle Fi¬ guren ein und dasselbe Licht? . . . warum sitzt nicht eine oder die andere im Schatten? — Ein zweiter Fehler, den ein Maler wie Ey¬ bel doch nicht machen sollte, ist die an einzelnen Stellen pastose Be¬ handlung des dunklen Hintergrundes. Das Auge wird durch solche Glanzlichter im Schatten, welcher gerade hier auffallend viel waren, so verwirrt, so abgeleitet, daß es vom wahren Licht des Bildes, das ist die Handlung, abkommt. — Ein Pferderennen von Stef- feck ist eines jener südlich kräftigen Bilder, deren Stammvater der leider zu früh geschiedene Leopold Robert, der begeisterte Prophet der Campagna, ist. — Ein Schäfer mit seiner Heerde von Otto

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/238>, abgerufen am 22.12.2024.