Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Uebergriffe der geschmacklos philosophischen und unreif politischen Kri¬ Wir haben keine erschöpfende Darstellung unserer vorjährigen Uebergriffe der geschmacklos philosophischen und unreif politischen Kri¬ Wir haben keine erschöpfende Darstellung unserer vorjährigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180783"/> <p xml:id="ID_513" prev="#ID_512"> Uebergriffe der geschmacklos philosophischen und unreif politischen Kri¬<lb/> tik in der schönen Literatur. „Die Produktion müsse man in Schul)<lb/> nehmen gegen die grassirende bloße Gesinnung. Gesinnungsvolles<lb/> Talent, nicht talentlose Gesinnung habe in der Belletristik zu herr¬<lb/> schen, und letztere habe sich in allen Hauptvertretern zu vereinigen,<lb/> wenn nicht in Deutschland die eigentlich belletristischen Zeitschriften in<lb/> Kurzem untergehen sollten an den Eingriffen politischer Zeitungen und<lb/> den Mißgriffen belletristischer Redactionen, die statt um Talente, um<lb/> politische Notizen bekümmert seien."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_514"> Wir haben keine erschöpfende Darstellung unserer vorjährigen<lb/> Journalistik geben wollen, wir trachteten blos, nachzuweisen, wie ein<lb/> neues Element die ganze Masse derselben in Gährung versetzt, wie<lb/> sich alte, unbrauchbare Bestandtheile niedergeschlagen haben, neue an<lb/> ihrer Stelle in die Höhe gestiegen sind: den Abklärungsprozeß des<lb/> deutschen Liberalismus in der Journalistik wollten wir beschreiben.<lb/> Darum haben wir nicht geredet vom Obercensurgericht, nicht von<lb/> Paulus-Schelling, nicht vom Commun-ismus, acht vom Bisthum<lb/> Jerusalem, nicht vom Gustav-Adolphverein und nicht vom Gro߬<lb/> mogul, der ja bekanntlich auch im besprochenen Jahre als Journalist<lb/> aufgetreten ist. Noch ferner lag uns das Kritisiren der einzelnen<lb/> Organe, welches hier ohnedies Danaidenarbeit wäre, denn in den<lb/> Lagern, wo das Feldgeschret „Partei" heißt und heißen soll, kann die<lb/> Kritik nicht gedeihen. Jeder hat hier Recht, Jeder blos den höchsten<lb/> Zweck vor Augen, und das kann man den Leuten eben nicht weg-<lb/> disputiren, gleichwie jener Hamburger Professor, der sich schwer be¬<lb/> trunken in der Gosse wälzte und, von dem Nachtwächter aufgerüttelt,<lb/> tiefere zurief: Freund, störe mich nicht, ich bewundere die Allmacht<lb/> Gottes im Staube!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Uebergriffe der geschmacklos philosophischen und unreif politischen Kri¬
tik in der schönen Literatur. „Die Produktion müsse man in Schul)
nehmen gegen die grassirende bloße Gesinnung. Gesinnungsvolles
Talent, nicht talentlose Gesinnung habe in der Belletristik zu herr¬
schen, und letztere habe sich in allen Hauptvertretern zu vereinigen,
wenn nicht in Deutschland die eigentlich belletristischen Zeitschriften in
Kurzem untergehen sollten an den Eingriffen politischer Zeitungen und
den Mißgriffen belletristischer Redactionen, die statt um Talente, um
politische Notizen bekümmert seien."
Wir haben keine erschöpfende Darstellung unserer vorjährigen
Journalistik geben wollen, wir trachteten blos, nachzuweisen, wie ein
neues Element die ganze Masse derselben in Gährung versetzt, wie
sich alte, unbrauchbare Bestandtheile niedergeschlagen haben, neue an
ihrer Stelle in die Höhe gestiegen sind: den Abklärungsprozeß des
deutschen Liberalismus in der Journalistik wollten wir beschreiben.
Darum haben wir nicht geredet vom Obercensurgericht, nicht von
Paulus-Schelling, nicht vom Commun-ismus, acht vom Bisthum
Jerusalem, nicht vom Gustav-Adolphverein und nicht vom Gro߬
mogul, der ja bekanntlich auch im besprochenen Jahre als Journalist
aufgetreten ist. Noch ferner lag uns das Kritisiren der einzelnen
Organe, welches hier ohnedies Danaidenarbeit wäre, denn in den
Lagern, wo das Feldgeschret „Partei" heißt und heißen soll, kann die
Kritik nicht gedeihen. Jeder hat hier Recht, Jeder blos den höchsten
Zweck vor Augen, und das kann man den Leuten eben nicht weg-
disputiren, gleichwie jener Hamburger Professor, der sich schwer be¬
trunken in der Gosse wälzte und, von dem Nachtwächter aufgerüttelt,
tiefere zurief: Freund, störe mich nicht, ich bewundere die Allmacht
Gottes im Staube!
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