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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Aehnliche Grundsätze, doch auf einen weit größeren Kreis des
Stoffes ausgedehnt, verfolgte Giehne's Wochenzeitung, indem
sie versprach, die Politik der Oberdeutschen weiter zu führen und de¬
ren Verlassenschaft an Sympathien und Antipathien, an feindseliger,
wie an freundlicher Gesinnung zu übernehmen; indeß haben die Ha--
ber'schen Vorfälle im Herbste vergangenen Jahres ihr ein Ende ge¬
macht.

Biedermann's Monatsschrift trat in einigen Punkten
dem Glaubensbekenntniß Giehne's geradezu entgegen, indem sie er¬
klärte, sie sei ein Organ der nationalen Partei, aber den Enthusias¬
mus der Oberdeutschen Zeitung für den Dombau und ein übertrie¬
benes Schutzsystem theile sie so wenig, als deren Fremdenhaß; dage¬
gen wolle sie, bekämpfend die Meinung der philosophisch-radicalen
Partei, die Deutschen zurückführen von der müßigen Speculation, der
dürren Theorie, in deren Bahnen sie sich lange genug umhergetrieben,
währenv andere Völker, von praktischeren Führern geleitet, zu Macht
und Glück emporgestiegen seien. --

Die neuen Principien durchdrangen mehr oder weniger fast alle
politischen Blätter groß und klein, während sich zugleich von den äl¬
teren bedeutenderen Journalen die Kölnische und die Augsbur¬
ger Allgemeine Zeitung mit Entschiedenheit für die nationale
Partei erklärten. Der letzteren mochte ein solcher ^Umschwung der
Dinge besonders erwünscht gekommen sein; denn früher, da eS sich
um liberal oder konservativ handelte, hatte sie überhaupt einen schwie¬
rigen Standpunkt zu behaupten gehabt, und von der Rheinischen
Zeitung, dem Telegraphen:c. war ihr so arg zu Leibe gegangen
worden, daß die Redaction einmal erklärte: "In diesen Tagen, wo
unser Blatt von Leuten, die ihre Stunde zu wählen wissen, Angriffen
der wunderlichsten Art ausgesetzt ist, erwächst eine gewisse Callosität,
wie von selbst, und das ist eine dankenswerthe Gabe der gütigen
teleologischen Natur. Man wird ganz hörnen durch das tägliche
Bad in diesem oft recht wässerigen Drachenblut." Von der anderen
Seite hatten ihr dagegen sogar konservative Leute gehörig zugesetzt,
und die Gräfin Jda Hahn-Hahn spricht -- man höre! -- "von
den re v o lutionären Publicisten der Allgemeinen Zeitung, die Preu¬
ßen das Unheil und die Absurditäten einer Repräsen-
tativverfassung aufdringen möchten!" Großer Gott, Gila-


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Aehnliche Grundsätze, doch auf einen weit größeren Kreis des
Stoffes ausgedehnt, verfolgte Giehne's Wochenzeitung, indem
sie versprach, die Politik der Oberdeutschen weiter zu führen und de¬
ren Verlassenschaft an Sympathien und Antipathien, an feindseliger,
wie an freundlicher Gesinnung zu übernehmen; indeß haben die Ha--
ber'schen Vorfälle im Herbste vergangenen Jahres ihr ein Ende ge¬
macht.

Biedermann's Monatsschrift trat in einigen Punkten
dem Glaubensbekenntniß Giehne's geradezu entgegen, indem sie er¬
klärte, sie sei ein Organ der nationalen Partei, aber den Enthusias¬
mus der Oberdeutschen Zeitung für den Dombau und ein übertrie¬
benes Schutzsystem theile sie so wenig, als deren Fremdenhaß; dage¬
gen wolle sie, bekämpfend die Meinung der philosophisch-radicalen
Partei, die Deutschen zurückführen von der müßigen Speculation, der
dürren Theorie, in deren Bahnen sie sich lange genug umhergetrieben,
währenv andere Völker, von praktischeren Führern geleitet, zu Macht
und Glück emporgestiegen seien. —

Die neuen Principien durchdrangen mehr oder weniger fast alle
politischen Blätter groß und klein, während sich zugleich von den äl¬
teren bedeutenderen Journalen die Kölnische und die Augsbur¬
ger Allgemeine Zeitung mit Entschiedenheit für die nationale
Partei erklärten. Der letzteren mochte ein solcher ^Umschwung der
Dinge besonders erwünscht gekommen sein; denn früher, da eS sich
um liberal oder konservativ handelte, hatte sie überhaupt einen schwie¬
rigen Standpunkt zu behaupten gehabt, und von der Rheinischen
Zeitung, dem Telegraphen:c. war ihr so arg zu Leibe gegangen
worden, daß die Redaction einmal erklärte: „In diesen Tagen, wo
unser Blatt von Leuten, die ihre Stunde zu wählen wissen, Angriffen
der wunderlichsten Art ausgesetzt ist, erwächst eine gewisse Callosität,
wie von selbst, und das ist eine dankenswerthe Gabe der gütigen
teleologischen Natur. Man wird ganz hörnen durch das tägliche
Bad in diesem oft recht wässerigen Drachenblut." Von der anderen
Seite hatten ihr dagegen sogar konservative Leute gehörig zugesetzt,
und die Gräfin Jda Hahn-Hahn spricht — man höre! — „von
den re v o lutionären Publicisten der Allgemeinen Zeitung, die Preu¬
ßen das Unheil und die Absurditäten einer Repräsen-
tativverfassung aufdringen möchten!" Großer Gott, Gila-


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[0219] Aehnliche Grundsätze, doch auf einen weit größeren Kreis des Stoffes ausgedehnt, verfolgte Giehne's Wochenzeitung, indem sie versprach, die Politik der Oberdeutschen weiter zu führen und de¬ ren Verlassenschaft an Sympathien und Antipathien, an feindseliger, wie an freundlicher Gesinnung zu übernehmen; indeß haben die Ha-- ber'schen Vorfälle im Herbste vergangenen Jahres ihr ein Ende ge¬ macht. Biedermann's Monatsschrift trat in einigen Punkten dem Glaubensbekenntniß Giehne's geradezu entgegen, indem sie er¬ klärte, sie sei ein Organ der nationalen Partei, aber den Enthusias¬ mus der Oberdeutschen Zeitung für den Dombau und ein übertrie¬ benes Schutzsystem theile sie so wenig, als deren Fremdenhaß; dage¬ gen wolle sie, bekämpfend die Meinung der philosophisch-radicalen Partei, die Deutschen zurückführen von der müßigen Speculation, der dürren Theorie, in deren Bahnen sie sich lange genug umhergetrieben, währenv andere Völker, von praktischeren Führern geleitet, zu Macht und Glück emporgestiegen seien. — Die neuen Principien durchdrangen mehr oder weniger fast alle politischen Blätter groß und klein, während sich zugleich von den äl¬ teren bedeutenderen Journalen die Kölnische und die Augsbur¬ ger Allgemeine Zeitung mit Entschiedenheit für die nationale Partei erklärten. Der letzteren mochte ein solcher ^Umschwung der Dinge besonders erwünscht gekommen sein; denn früher, da eS sich um liberal oder konservativ handelte, hatte sie überhaupt einen schwie¬ rigen Standpunkt zu behaupten gehabt, und von der Rheinischen Zeitung, dem Telegraphen:c. war ihr so arg zu Leibe gegangen worden, daß die Redaction einmal erklärte: „In diesen Tagen, wo unser Blatt von Leuten, die ihre Stunde zu wählen wissen, Angriffen der wunderlichsten Art ausgesetzt ist, erwächst eine gewisse Callosität, wie von selbst, und das ist eine dankenswerthe Gabe der gütigen teleologischen Natur. Man wird ganz hörnen durch das tägliche Bad in diesem oft recht wässerigen Drachenblut." Von der anderen Seite hatten ihr dagegen sogar konservative Leute gehörig zugesetzt, und die Gräfin Jda Hahn-Hahn spricht — man höre! — „von den re v o lutionären Publicisten der Allgemeinen Zeitung, die Preu¬ ßen das Unheil und die Absurditäten einer Repräsen- tativverfassung aufdringen möchten!" Großer Gott, Gila- 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/219>, abgerufen am 23.12.2024.