Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.Pesth nach Dalmatien, unter welchen sich auch jene des Capitän- Pesth nach Dalmatien, unter welchen sich auch jene des Capitän- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180769"/> <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> Pesth nach Dalmatien, unter welchen sich auch jene des Capitän-<lb/> Lieutencmts Georg Edler von Neuwaller befand. Neuwaller war<lb/> ein unmoralischer Mensch und zugleich im strengsten Sinne des Wor¬<lb/> tes ein Tyrann. Seine Lieblingsstrafe war Stockprügel, und wie<lb/> schon erwähnt worden, kann ein Hauptmann nie wegen Mißbrauchs<lb/> der Amtsgewalt zur Rechenschaft gezogen werden, wenn derselbe sein<lb/> Pouvoir, nämlich die ihm eingeräumte höchste Strafe von fünfund¬<lb/> zwanzig Stockstreichen, nicht überschreitet. Neuwaller bewegte sich<lb/> ganz natürlich in dem Geleise seines Pouvoirs; allein ihm galt ein<lb/> jedes Vergehen gleich. Tabakrauchen, lange Haare, schmutzige Ad-<lb/> jüstirung, Diebstahl, Betrug, Insubordination und alle diese Ver¬<lb/> gehungen wurden in seiner üblen Laune nach Einem Maßstabe,<lb/> nämlich mit fünfundzwanzig Stockstreichcn bestraft. Hauptsächlich<lb/> aber waren sein Fourierschütz und der auf Cassa-Inspection comman-<lb/> dirte Kanonier seinen Brutalitäten am meisten ausgesetzt. Der<lb/> Hauptmann pflegte spät und gewöhnlich berauscht nach Hause zu<lb/> kommen. Da das Thor der Kaserne, in welcher derselbe lo-<lb/> girte, gesperrt war, so mußte ihm jederzeit entweder sein Fourierschütz<lb/> oder der auf Cassa-Inspection stehende Kanonier das Thor öffnen.<lb/> Hatte es sich einmal ereignet, daß Neuwaller längere Zeit draußen<lb/> warten mußte, so konnte auch der schuldtragende gewiß einer sichern<lb/> Strafe gewärtig sein, und derjenige, den das traurige Loos traf,<lb/> auf beständige Cassa-Inspection commentirt zu werden, wußte schon<lb/> im Voraus, daß er von diesem Höllendienste nicht früher befreit<lb/> werde, als bis er den unschuldigsten Theil des Körpers, der<lb/> so oft die Vergehungen des Kopfes entgelten muß, zum Opfer ge¬<lb/> bracht hatte. — Zur besseren Verständlichkeit muß ich erwähnen,<lb/> worin der Dienst einer Cassa-Inspection bestand. — Bei allen<lb/> Compagnien hat der Hauptmann die Verpflegs- und sonstigen Gel¬<lb/> der in seinem Quartiere aufzubewahren Damit in seiner und seines<lb/> Dieners Abwesenheit kein Einbruch in sein Quartier geschehen könne,<lb/> oder um auch allenfallsigen Vorwänden vorzubeugen, daß diese Casse<lb/> von Jemandem beraubt worden sei, ist es eingeführt, daß jeder<lb/> Compagnie-Commandant eine Cassa-Inspection hält, die hauptsäch¬<lb/> lich in Abwesenheit des Hauptmanns oder seiner Familie das Quar¬<lb/> tier hüten muß.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
Pesth nach Dalmatien, unter welchen sich auch jene des Capitän-
Lieutencmts Georg Edler von Neuwaller befand. Neuwaller war
ein unmoralischer Mensch und zugleich im strengsten Sinne des Wor¬
tes ein Tyrann. Seine Lieblingsstrafe war Stockprügel, und wie
schon erwähnt worden, kann ein Hauptmann nie wegen Mißbrauchs
der Amtsgewalt zur Rechenschaft gezogen werden, wenn derselbe sein
Pouvoir, nämlich die ihm eingeräumte höchste Strafe von fünfund¬
zwanzig Stockstreichen, nicht überschreitet. Neuwaller bewegte sich
ganz natürlich in dem Geleise seines Pouvoirs; allein ihm galt ein
jedes Vergehen gleich. Tabakrauchen, lange Haare, schmutzige Ad-
jüstirung, Diebstahl, Betrug, Insubordination und alle diese Ver¬
gehungen wurden in seiner üblen Laune nach Einem Maßstabe,
nämlich mit fünfundzwanzig Stockstreichcn bestraft. Hauptsächlich
aber waren sein Fourierschütz und der auf Cassa-Inspection comman-
dirte Kanonier seinen Brutalitäten am meisten ausgesetzt. Der
Hauptmann pflegte spät und gewöhnlich berauscht nach Hause zu
kommen. Da das Thor der Kaserne, in welcher derselbe lo-
girte, gesperrt war, so mußte ihm jederzeit entweder sein Fourierschütz
oder der auf Cassa-Inspection stehende Kanonier das Thor öffnen.
Hatte es sich einmal ereignet, daß Neuwaller längere Zeit draußen
warten mußte, so konnte auch der schuldtragende gewiß einer sichern
Strafe gewärtig sein, und derjenige, den das traurige Loos traf,
auf beständige Cassa-Inspection commentirt zu werden, wußte schon
im Voraus, daß er von diesem Höllendienste nicht früher befreit
werde, als bis er den unschuldigsten Theil des Körpers, der
so oft die Vergehungen des Kopfes entgelten muß, zum Opfer ge¬
bracht hatte. — Zur besseren Verständlichkeit muß ich erwähnen,
worin der Dienst einer Cassa-Inspection bestand. — Bei allen
Compagnien hat der Hauptmann die Verpflegs- und sonstigen Gel¬
der in seinem Quartiere aufzubewahren Damit in seiner und seines
Dieners Abwesenheit kein Einbruch in sein Quartier geschehen könne,
oder um auch allenfallsigen Vorwänden vorzubeugen, daß diese Casse
von Jemandem beraubt worden sei, ist es eingeführt, daß jeder
Compagnie-Commandant eine Cassa-Inspection hält, die hauptsäch¬
lich in Abwesenheit des Hauptmanns oder seiner Familie das Quar¬
tier hüten muß.
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