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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs.
Herausgegeben von
Stephan Thurm.




Die Macht des Hauptmanns. -- Zwei Kanoniergeschichten. -- Nachsucht ei-
nes Arztes.Gehorsam und Gerechtigkeit.

Jndem ich den herrschenden Geist unter den Gemeinen und Kor¬
poralen, welchen das Prügeln hervorzubringen pflegt, berührt habe,
will ich auch andeuten, welche Willkür bei der Bestrafung, vorzüglich
bei den Compagnien, bis Dato noch besteht.

Im Allgemeinen kann man gewiß annehmen, daß die höheren
Vorgesetzten humaner und die höchsten die humanster sind; während
die Bestrafungen in den Compagnien am meisten von Laune und
Willkür abhängen, indem der Compagniecommandant als erste
Instanz oft unumschränkt seinen falschen Ansichten folgen darf, oder
auch nicht selten persönliche Abneigung oder kleinliche Leiden¬
schaftlichkeit seine Sentenzen leiten; wo hingegen die höheren Vorge¬
setzten, die nicht unmittelbar mit den unteren Chargen verkehren, die
ihnen vorgelegten Thatbestände gewöhnlich ohne Leidenschaft prüfen
und darnach ihre Urtheile fällen. Wenn auch wirklich ein höherer
Vorgesetzter nicht von dem humanen Geiste beseelt sein sollte, der ihm
vom höchsten Orte zur Pflicht gemacht wird, so kommt derselbe nur
in den Fall, wirkliche Vergehungen verhältnismäßig äußerst strenge
zu bestrafen, sehr selten aber in den Fall. Unschuldige mit Strafen
zu belegen. Wenn daher ein solcher strenger hoher Vorgesetzter Dieb¬
stahl mit achtmaligen Gassenlaufen bestraft, in welchem Falle ein
anderer, milder gesinnter das fünfmalige Gassenlaufen als Mannum
eintreten ließe, so ist dieses doch bei weitem nicht so grausam, als wenn
ein Hauptmann einen Mann, der den Zapfenstreich verabsäumt oder


Wrcnjbote" II. 25
Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs.
Herausgegeben von
Stephan Thurm.




Die Macht des Hauptmanns. — Zwei Kanoniergeschichten. — Nachsucht ei-
nes Arztes.Gehorsam und Gerechtigkeit.

Jndem ich den herrschenden Geist unter den Gemeinen und Kor¬
poralen, welchen das Prügeln hervorzubringen pflegt, berührt habe,
will ich auch andeuten, welche Willkür bei der Bestrafung, vorzüglich
bei den Compagnien, bis Dato noch besteht.

Im Allgemeinen kann man gewiß annehmen, daß die höheren
Vorgesetzten humaner und die höchsten die humanster sind; während
die Bestrafungen in den Compagnien am meisten von Laune und
Willkür abhängen, indem der Compagniecommandant als erste
Instanz oft unumschränkt seinen falschen Ansichten folgen darf, oder
auch nicht selten persönliche Abneigung oder kleinliche Leiden¬
schaftlichkeit seine Sentenzen leiten; wo hingegen die höheren Vorge¬
setzten, die nicht unmittelbar mit den unteren Chargen verkehren, die
ihnen vorgelegten Thatbestände gewöhnlich ohne Leidenschaft prüfen
und darnach ihre Urtheile fällen. Wenn auch wirklich ein höherer
Vorgesetzter nicht von dem humanen Geiste beseelt sein sollte, der ihm
vom höchsten Orte zur Pflicht gemacht wird, so kommt derselbe nur
in den Fall, wirkliche Vergehungen verhältnismäßig äußerst strenge
zu bestrafen, sehr selten aber in den Fall. Unschuldige mit Strafen
zu belegen. Wenn daher ein solcher strenger hoher Vorgesetzter Dieb¬
stahl mit achtmaligen Gassenlaufen bestraft, in welchem Falle ein
anderer, milder gesinnter das fünfmalige Gassenlaufen als Mannum
eintreten ließe, so ist dieses doch bei weitem nicht so grausam, als wenn
ein Hauptmann einen Mann, der den Zapfenstreich verabsäumt oder


Wrcnjbote» II. 25
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[0201] Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs. Herausgegeben von Stephan Thurm. Die Macht des Hauptmanns. — Zwei Kanoniergeschichten. — Nachsucht ei- nes Arztes.Gehorsam und Gerechtigkeit. Jndem ich den herrschenden Geist unter den Gemeinen und Kor¬ poralen, welchen das Prügeln hervorzubringen pflegt, berührt habe, will ich auch andeuten, welche Willkür bei der Bestrafung, vorzüglich bei den Compagnien, bis Dato noch besteht. Im Allgemeinen kann man gewiß annehmen, daß die höheren Vorgesetzten humaner und die höchsten die humanster sind; während die Bestrafungen in den Compagnien am meisten von Laune und Willkür abhängen, indem der Compagniecommandant als erste Instanz oft unumschränkt seinen falschen Ansichten folgen darf, oder auch nicht selten persönliche Abneigung oder kleinliche Leiden¬ schaftlichkeit seine Sentenzen leiten; wo hingegen die höheren Vorge¬ setzten, die nicht unmittelbar mit den unteren Chargen verkehren, die ihnen vorgelegten Thatbestände gewöhnlich ohne Leidenschaft prüfen und darnach ihre Urtheile fällen. Wenn auch wirklich ein höherer Vorgesetzter nicht von dem humanen Geiste beseelt sein sollte, der ihm vom höchsten Orte zur Pflicht gemacht wird, so kommt derselbe nur in den Fall, wirkliche Vergehungen verhältnismäßig äußerst strenge zu bestrafen, sehr selten aber in den Fall. Unschuldige mit Strafen zu belegen. Wenn daher ein solcher strenger hoher Vorgesetzter Dieb¬ stahl mit achtmaligen Gassenlaufen bestraft, in welchem Falle ein anderer, milder gesinnter das fünfmalige Gassenlaufen als Mannum eintreten ließe, so ist dieses doch bei weitem nicht so grausam, als wenn ein Hauptmann einen Mann, der den Zapfenstreich verabsäumt oder Wrcnjbote» II. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/201>, abgerufen am 23.07.2024.