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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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hochgestellten und einflußreichen Staatsbeamten emporgeschwungen hat
und Doctor der Jurisprudenz ist. Die Ideen kommen von Jenem,
die Details sind die Frucht des Bienenfleißes von Letzterem. Man
sagt, Ritter von Breyer sei für den Posten des Kammerpräsidenten
bestimmt, sobald Baron Kübeck in'ö Staatsministerium treten sollte,
was nebst der Erhebung in den Grafenstand nicht lange ausbleiben
dürfte. Dabei ist Kübeck den geselligen Freuden nicht abhold und
ein großer Freund der schönen Künste.

Was seine Stellung dem Publicum und dem Adel gegenüber
so schwierig macht, das sind die demokratischen Hoffnungen, welche
das eine auf ihn setzt, welches darum leicht in Klagen der Täuschung
ausbricht, und die scheelen Blicke, mit denen ihn der andere beobachtet.
Baron Kübeck kann sich gar nicht zeigen, wie er ist; seine Ideen
müssen so vielfache Prüfungen bestehen und so vielfältige Modifika¬
tionen erleiden, bevor sie ein'ö Tageslicht der Oeffentlichkeit treten,
daß sie oft kaum mehr sein Eigenthum zu nennen sind. Da macht
sich die Noth des Schatzes geltend, dort influirt der Hochgeborne,
der nicht gerne im Verhältniß zu seinem Einkommen besteuert sein will,
und so entstehen denn mannigfache Lücken, welche die ursprüngliche
Intention vernichten. Unter diesen Umständen darf eS uns nicht
mehr befremden, wenn die Fassung mancher neuen Einrichtung dem
Bedürfniß widerstrebt und der höchste Stcmpclbetrag, welcher früher
hundert Gulden betrug, jetzt blos zwanzig s-) beträgt, während jetzt
da, wo einst drei Kreuzer für den einfachen Brief bezahlt wurden,
sechs Kreuzer bezahlt werden müssen. Um vollkommen verantwortlich
dazustehen, müßte dem österreichischen Finanzmann ein freieres Feld
gegeben werden, als es bis jetzt der Fall ist. Das Geldwesen ist
heut zu Tage das Nervensystem eines Staates, und ein Finanzmini¬
ster, der reformirend austreten soll und muß, um alte Schäden des
Staatskörpers zu heilen, muß mit der Vollmacht eines Arztes be¬
kleidet werden. So wenig der Doctor am Krankenbette von einer
Commission beaufsichtigt wird, die seine Recepte prüft und annimmt,
oder verwirft, eben so wenig sollte im Staate, sobald einmal die
Nothwendigkeit erkannt worden, daß ein anderes System eintreten



Die Red.
Wir bitten den verehrten Herrn Einsender, Namen und Zahlen in
Zukunft deutlicher schreiben zu wollen. --

hochgestellten und einflußreichen Staatsbeamten emporgeschwungen hat
und Doctor der Jurisprudenz ist. Die Ideen kommen von Jenem,
die Details sind die Frucht des Bienenfleißes von Letzterem. Man
sagt, Ritter von Breyer sei für den Posten des Kammerpräsidenten
bestimmt, sobald Baron Kübeck in'ö Staatsministerium treten sollte,
was nebst der Erhebung in den Grafenstand nicht lange ausbleiben
dürfte. Dabei ist Kübeck den geselligen Freuden nicht abhold und
ein großer Freund der schönen Künste.

Was seine Stellung dem Publicum und dem Adel gegenüber
so schwierig macht, das sind die demokratischen Hoffnungen, welche
das eine auf ihn setzt, welches darum leicht in Klagen der Täuschung
ausbricht, und die scheelen Blicke, mit denen ihn der andere beobachtet.
Baron Kübeck kann sich gar nicht zeigen, wie er ist; seine Ideen
müssen so vielfache Prüfungen bestehen und so vielfältige Modifika¬
tionen erleiden, bevor sie ein'ö Tageslicht der Oeffentlichkeit treten,
daß sie oft kaum mehr sein Eigenthum zu nennen sind. Da macht
sich die Noth des Schatzes geltend, dort influirt der Hochgeborne,
der nicht gerne im Verhältniß zu seinem Einkommen besteuert sein will,
und so entstehen denn mannigfache Lücken, welche die ursprüngliche
Intention vernichten. Unter diesen Umständen darf eS uns nicht
mehr befremden, wenn die Fassung mancher neuen Einrichtung dem
Bedürfniß widerstrebt und der höchste Stcmpclbetrag, welcher früher
hundert Gulden betrug, jetzt blos zwanzig s-) beträgt, während jetzt
da, wo einst drei Kreuzer für den einfachen Brief bezahlt wurden,
sechs Kreuzer bezahlt werden müssen. Um vollkommen verantwortlich
dazustehen, müßte dem österreichischen Finanzmann ein freieres Feld
gegeben werden, als es bis jetzt der Fall ist. Das Geldwesen ist
heut zu Tage das Nervensystem eines Staates, und ein Finanzmini¬
ster, der reformirend austreten soll und muß, um alte Schäden des
Staatskörpers zu heilen, muß mit der Vollmacht eines Arztes be¬
kleidet werden. So wenig der Doctor am Krankenbette von einer
Commission beaufsichtigt wird, die seine Recepte prüft und annimmt,
oder verwirft, eben so wenig sollte im Staate, sobald einmal die
Nothwendigkeit erkannt worden, daß ein anderes System eintreten



Die Red.
Wir bitten den verehrten Herrn Einsender, Namen und Zahlen in
Zukunft deutlicher schreiben zu wollen. —
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[0172] hochgestellten und einflußreichen Staatsbeamten emporgeschwungen hat und Doctor der Jurisprudenz ist. Die Ideen kommen von Jenem, die Details sind die Frucht des Bienenfleißes von Letzterem. Man sagt, Ritter von Breyer sei für den Posten des Kammerpräsidenten bestimmt, sobald Baron Kübeck in'ö Staatsministerium treten sollte, was nebst der Erhebung in den Grafenstand nicht lange ausbleiben dürfte. Dabei ist Kübeck den geselligen Freuden nicht abhold und ein großer Freund der schönen Künste. Was seine Stellung dem Publicum und dem Adel gegenüber so schwierig macht, das sind die demokratischen Hoffnungen, welche das eine auf ihn setzt, welches darum leicht in Klagen der Täuschung ausbricht, und die scheelen Blicke, mit denen ihn der andere beobachtet. Baron Kübeck kann sich gar nicht zeigen, wie er ist; seine Ideen müssen so vielfache Prüfungen bestehen und so vielfältige Modifika¬ tionen erleiden, bevor sie ein'ö Tageslicht der Oeffentlichkeit treten, daß sie oft kaum mehr sein Eigenthum zu nennen sind. Da macht sich die Noth des Schatzes geltend, dort influirt der Hochgeborne, der nicht gerne im Verhältniß zu seinem Einkommen besteuert sein will, und so entstehen denn mannigfache Lücken, welche die ursprüngliche Intention vernichten. Unter diesen Umständen darf eS uns nicht mehr befremden, wenn die Fassung mancher neuen Einrichtung dem Bedürfniß widerstrebt und der höchste Stcmpclbetrag, welcher früher hundert Gulden betrug, jetzt blos zwanzig s-) beträgt, während jetzt da, wo einst drei Kreuzer für den einfachen Brief bezahlt wurden, sechs Kreuzer bezahlt werden müssen. Um vollkommen verantwortlich dazustehen, müßte dem österreichischen Finanzmann ein freieres Feld gegeben werden, als es bis jetzt der Fall ist. Das Geldwesen ist heut zu Tage das Nervensystem eines Staates, und ein Finanzmini¬ ster, der reformirend austreten soll und muß, um alte Schäden des Staatskörpers zu heilen, muß mit der Vollmacht eines Arztes be¬ kleidet werden. So wenig der Doctor am Krankenbette von einer Commission beaufsichtigt wird, die seine Recepte prüft und annimmt, oder verwirft, eben so wenig sollte im Staate, sobald einmal die Nothwendigkeit erkannt worden, daß ein anderes System eintreten Die Red. Wir bitten den verehrten Herrn Einsender, Namen und Zahlen in Zukunft deutlicher schreiben zu wollen. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/172>, abgerufen am 23.12.2024.