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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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ersten Trommelstreiche sprangen alle vier Unteroffiziere auf, hingen
ihre Säbel um und rüsteten sich zur Heimkehr. Da drei von ihnen,
wie gesagt, ">>iksi beweibt waren, so nahm mich mein ältester Bekann¬
ter unter den Arm, und unter sehr angenehmen Gesprächen gelangte
ich in dieser Gesellschaft bis zum Kasernenthore. Hier wollte ich
mich empfehlen, mein Begleiter trug mir jedoch an, sein Bette mit
ihm zu theilen. Als ich gegen diese Complaisance aus allen Kräften
deprecirte, gab er mir endlich zu verstehen, daß, wenn ich seine Ar¬
tigkeit nicht annähme, ich ihn zwingen würde, Gewalt zu brauchen.
Von einer solchen beispiellosen plötzlichen Anhänglichkeit gerührt, gab
ich endlich nach und folgte ihm in die Kaserne. Das Zimmer, wel¬
ches ich mit meinem neuen Freunde, wie Karl V. mit Franz I.,
das Bette theilen sollte, enthielt zehn zweischläfige Bettstätten, und
die zahlreiche Familie, welcher dieses Local zur Wohnung diente, war
bereits versammelt, als wir eintraten. Mein Freund stellte mich der
Versammlung mit den Worten vor: Meine Herren, hier habe ich die
Ehre, einen neuen Mann aufzuführen. Der Titel "neuer Mann,,
war mir zu neu und touchirte mich. Aber ich konnte durchaus vor
lauter Eindrücken zu keinem Siren Gefühl kommen, -- ich verfiel in
eine Art Apathie.

Das Betragen meiner zukünftigen Kampfgenossen war untadel-
haft und sogar zuvorkommend, und da ich mit Bewilligung meines
neuen Quartierherrn wieder meine Installation celebrirte, gewann ich
alle Gemüther. Ich war noch nicht Soldat und konnte daher mit
Recht hoffen, daß die kleinen Bcttbewohner, mit denen ich nebst mei¬
nem Freunde das harte Lager theilen sollte, mich arme Civilperson
verschonen und Gastfreundschaft an mir üben würden. Kaum streckte
ich meine Glieder aus, da fiel mich die ganze Schaar, welche, so
weit sich in der Finsterniß entnehmen ließ, aus zwei verschiedenen
Corps bestand, mit einer solchen Wuth an, daß ich die ganze Nacht
hindurch aus Nothwehr mein Leben vertheidigen mußte, und an dem
Blutbade, das ich anrichtete, die evidente Ueberzeugung schöpfte, daß
ich es mit einem überlegenen Feinde zu thun hatte. Mein Schlaf-
kamerad, der gegen die kleinen Kriegsincommoditäten bereits abge¬
härtet war, genoß der sanftesten Ruhe, die nur ein reines Gewissen
und ruhiges Gemüth gewähren können, und tröstete mich bei seinem
Erwachen, daß ich diese geringfügigen Scharmützel bald gewohnt


ersten Trommelstreiche sprangen alle vier Unteroffiziere auf, hingen
ihre Säbel um und rüsteten sich zur Heimkehr. Da drei von ihnen,
wie gesagt, «>>iksi beweibt waren, so nahm mich mein ältester Bekann¬
ter unter den Arm, und unter sehr angenehmen Gesprächen gelangte
ich in dieser Gesellschaft bis zum Kasernenthore. Hier wollte ich
mich empfehlen, mein Begleiter trug mir jedoch an, sein Bette mit
ihm zu theilen. Als ich gegen diese Complaisance aus allen Kräften
deprecirte, gab er mir endlich zu verstehen, daß, wenn ich seine Ar¬
tigkeit nicht annähme, ich ihn zwingen würde, Gewalt zu brauchen.
Von einer solchen beispiellosen plötzlichen Anhänglichkeit gerührt, gab
ich endlich nach und folgte ihm in die Kaserne. Das Zimmer, wel¬
ches ich mit meinem neuen Freunde, wie Karl V. mit Franz I.,
das Bette theilen sollte, enthielt zehn zweischläfige Bettstätten, und
die zahlreiche Familie, welcher dieses Local zur Wohnung diente, war
bereits versammelt, als wir eintraten. Mein Freund stellte mich der
Versammlung mit den Worten vor: Meine Herren, hier habe ich die
Ehre, einen neuen Mann aufzuführen. Der Titel „neuer Mann,,
war mir zu neu und touchirte mich. Aber ich konnte durchaus vor
lauter Eindrücken zu keinem Siren Gefühl kommen, — ich verfiel in
eine Art Apathie.

Das Betragen meiner zukünftigen Kampfgenossen war untadel-
haft und sogar zuvorkommend, und da ich mit Bewilligung meines
neuen Quartierherrn wieder meine Installation celebrirte, gewann ich
alle Gemüther. Ich war noch nicht Soldat und konnte daher mit
Recht hoffen, daß die kleinen Bcttbewohner, mit denen ich nebst mei¬
nem Freunde das harte Lager theilen sollte, mich arme Civilperson
verschonen und Gastfreundschaft an mir üben würden. Kaum streckte
ich meine Glieder aus, da fiel mich die ganze Schaar, welche, so
weit sich in der Finsterniß entnehmen ließ, aus zwei verschiedenen
Corps bestand, mit einer solchen Wuth an, daß ich die ganze Nacht
hindurch aus Nothwehr mein Leben vertheidigen mußte, und an dem
Blutbade, das ich anrichtete, die evidente Ueberzeugung schöpfte, daß
ich es mit einem überlegenen Feinde zu thun hatte. Mein Schlaf-
kamerad, der gegen die kleinen Kriegsincommoditäten bereits abge¬
härtet war, genoß der sanftesten Ruhe, die nur ein reines Gewissen
und ruhiges Gemüth gewähren können, und tröstete mich bei seinem
Erwachen, daß ich diese geringfügigen Scharmützel bald gewohnt


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[0015] ersten Trommelstreiche sprangen alle vier Unteroffiziere auf, hingen ihre Säbel um und rüsteten sich zur Heimkehr. Da drei von ihnen, wie gesagt, «>>iksi beweibt waren, so nahm mich mein ältester Bekann¬ ter unter den Arm, und unter sehr angenehmen Gesprächen gelangte ich in dieser Gesellschaft bis zum Kasernenthore. Hier wollte ich mich empfehlen, mein Begleiter trug mir jedoch an, sein Bette mit ihm zu theilen. Als ich gegen diese Complaisance aus allen Kräften deprecirte, gab er mir endlich zu verstehen, daß, wenn ich seine Ar¬ tigkeit nicht annähme, ich ihn zwingen würde, Gewalt zu brauchen. Von einer solchen beispiellosen plötzlichen Anhänglichkeit gerührt, gab ich endlich nach und folgte ihm in die Kaserne. Das Zimmer, wel¬ ches ich mit meinem neuen Freunde, wie Karl V. mit Franz I., das Bette theilen sollte, enthielt zehn zweischläfige Bettstätten, und die zahlreiche Familie, welcher dieses Local zur Wohnung diente, war bereits versammelt, als wir eintraten. Mein Freund stellte mich der Versammlung mit den Worten vor: Meine Herren, hier habe ich die Ehre, einen neuen Mann aufzuführen. Der Titel „neuer Mann,, war mir zu neu und touchirte mich. Aber ich konnte durchaus vor lauter Eindrücken zu keinem Siren Gefühl kommen, — ich verfiel in eine Art Apathie. Das Betragen meiner zukünftigen Kampfgenossen war untadel- haft und sogar zuvorkommend, und da ich mit Bewilligung meines neuen Quartierherrn wieder meine Installation celebrirte, gewann ich alle Gemüther. Ich war noch nicht Soldat und konnte daher mit Recht hoffen, daß die kleinen Bcttbewohner, mit denen ich nebst mei¬ nem Freunde das harte Lager theilen sollte, mich arme Civilperson verschonen und Gastfreundschaft an mir üben würden. Kaum streckte ich meine Glieder aus, da fiel mich die ganze Schaar, welche, so weit sich in der Finsterniß entnehmen ließ, aus zwei verschiedenen Corps bestand, mit einer solchen Wuth an, daß ich die ganze Nacht hindurch aus Nothwehr mein Leben vertheidigen mußte, und an dem Blutbade, das ich anrichtete, die evidente Ueberzeugung schöpfte, daß ich es mit einem überlegenen Feinde zu thun hatte. Mein Schlaf- kamerad, der gegen die kleinen Kriegsincommoditäten bereits abge¬ härtet war, genoß der sanftesten Ruhe, die nur ein reines Gewissen und ruhiges Gemüth gewähren können, und tröstete mich bei seinem Erwachen, daß ich diese geringfügigen Scharmützel bald gewohnt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/15>, abgerufen am 22.12.2024.