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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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bancs eine ruhige Kraft, die an antikes Naturgewächs erinnert. Diese
Blatter sind auch wirklich rein aus der Erinnerung geschrieben, jede
fremde Unthat fehlt, nur was der Schreiber selbst sah und erlebte,
hat er verzeichnet, ohne Phrase, ohne Schmuck, ohne eine Spur von
eitler Selbstgefälligkeit." Wir können dies Urtheil durch die Eindrücke,
welche wir von diesem Buch empfangen, nur bestätigen; es ist ein
Buch reinen Sinnes, frischer That, ein Buch ohne Flausen! --

Auf den Ruf und Charakter wirft es ein schönes Licht, daß der
edle Großherzog von Oldenburg den jungen Kriegsmann nach der Rück¬
kehr von seinem Abenteuer in seinem früheren Dienstalter wieder auf¬
nahm, und daß seine Kameraden ihn, der sich des Offiziercanges be¬
gab, um als Gemeiner und Korporal Kriegserfahrung zu sammeln,
als Offizier mit Freuden wieder in ihrer Mitte sehen. -- Wir be¬
grüßen und empfehlen mit wahrer Theilnahme dieses frische Buch,
welches uns aus Oldenburg seit Kurzem als ein zweiter willkomme¬
ner Beitrag echter Schilderung naturwüchsigen Lebens erscheint, und
gerade der Gegensatz der sehr verschiedenen Stoffe und Bildungsstufen
in beiden nöthigt uns eine nähere Beziehung zwischen beiden auf.
Der frühere Beitrag ist die von Herrn Professor Stahr herausgege¬
bene treffliche Schrift über Helgoland, von der wir anderweitig schon
gesprochen haben. --


Varnhagen von Ense.
V-
Die Wohlthaten d-S Kartells.

Das Carrell zwischen Preußen und Rußland ist erneuert; man
kennt noch nicht seine einzelnen Punkte, aber so viel ist vorauszuse¬
hen, daß sich an der Grenze auch jene herzerhebenden Scenen erneu¬
ern werden, die bei den Königsbergern in so gutem Angedenken stehen.
Wenn die russische Kanone hinter dem Flüchtling donnert, werden
deutsche Bauern wieder auf die Menschenjagd gehen und sich einen
kleinen russischen Blutsold verdienen; die preußischen Behörden wer¬
den die schöne Pflicht haben, den gehetzten Ausreißer zu fangen, zu
fesseln und dem freundlichen Nachbar auszuliefern, in dem beruhigen¬
den Bewußtsein, daß der Unglückliche, einige Stunden später, ohnedies
unter den Streichen der Knute verendet, den Fluch der Verzweiflung
auf den Lippen; es wird allerdings auch wieder vorkommen, daß
den Preußen diese Mühe erspart wird, weil die Grenzkosaken sich ihren
Fang auf dem Gebiet des befreundeten Nachbarstaates selbst holen,
und vor den Augen ihrer Mitarbeiter binden werden. - Man kann
wohl, zur Ehre Preußens, annehmen, daß die allgemeine und tiefe
Empörtheit über diese Scenen auch etwas dazu beigetragen, daß mit
der Cartellerneuerung gezaudert wurde. Wäre dies Gefühl nur le-


bancs eine ruhige Kraft, die an antikes Naturgewächs erinnert. Diese
Blatter sind auch wirklich rein aus der Erinnerung geschrieben, jede
fremde Unthat fehlt, nur was der Schreiber selbst sah und erlebte,
hat er verzeichnet, ohne Phrase, ohne Schmuck, ohne eine Spur von
eitler Selbstgefälligkeit." Wir können dies Urtheil durch die Eindrücke,
welche wir von diesem Buch empfangen, nur bestätigen; es ist ein
Buch reinen Sinnes, frischer That, ein Buch ohne Flausen! —

Auf den Ruf und Charakter wirft es ein schönes Licht, daß der
edle Großherzog von Oldenburg den jungen Kriegsmann nach der Rück¬
kehr von seinem Abenteuer in seinem früheren Dienstalter wieder auf¬
nahm, und daß seine Kameraden ihn, der sich des Offiziercanges be¬
gab, um als Gemeiner und Korporal Kriegserfahrung zu sammeln,
als Offizier mit Freuden wieder in ihrer Mitte sehen. — Wir be¬
grüßen und empfehlen mit wahrer Theilnahme dieses frische Buch,
welches uns aus Oldenburg seit Kurzem als ein zweiter willkomme¬
ner Beitrag echter Schilderung naturwüchsigen Lebens erscheint, und
gerade der Gegensatz der sehr verschiedenen Stoffe und Bildungsstufen
in beiden nöthigt uns eine nähere Beziehung zwischen beiden auf.
Der frühere Beitrag ist die von Herrn Professor Stahr herausgege¬
bene treffliche Schrift über Helgoland, von der wir anderweitig schon
gesprochen haben. —


Varnhagen von Ense.
V-
Die Wohlthaten d-S Kartells.

Das Carrell zwischen Preußen und Rußland ist erneuert; man
kennt noch nicht seine einzelnen Punkte, aber so viel ist vorauszuse¬
hen, daß sich an der Grenze auch jene herzerhebenden Scenen erneu¬
ern werden, die bei den Königsbergern in so gutem Angedenken stehen.
Wenn die russische Kanone hinter dem Flüchtling donnert, werden
deutsche Bauern wieder auf die Menschenjagd gehen und sich einen
kleinen russischen Blutsold verdienen; die preußischen Behörden wer¬
den die schöne Pflicht haben, den gehetzten Ausreißer zu fangen, zu
fesseln und dem freundlichen Nachbar auszuliefern, in dem beruhigen¬
den Bewußtsein, daß der Unglückliche, einige Stunden später, ohnedies
unter den Streichen der Knute verendet, den Fluch der Verzweiflung
auf den Lippen; es wird allerdings auch wieder vorkommen, daß
den Preußen diese Mühe erspart wird, weil die Grenzkosaken sich ihren
Fang auf dem Gebiet des befreundeten Nachbarstaates selbst holen,
und vor den Augen ihrer Mitarbeiter binden werden. - Man kann
wohl, zur Ehre Preußens, annehmen, daß die allgemeine und tiefe
Empörtheit über diese Scenen auch etwas dazu beigetragen, daß mit
der Cartellerneuerung gezaudert wurde. Wäre dies Gefühl nur le-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/148>, abgerufen am 22.12.2024.