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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Armen bieten. In Berlin.jedoch zieht der bemittelte und gebildete
Stand auf offener Straße einen Kreis um sich, in welchem er ge¬
nießt und von dem doch der Proletarier ausgeschlossen ist, weil ihm
die Genußfähigkeit fehlt.

Sogar auf das einzige Stück grüner Erde, über das Berlin
gebietet, auf den Thiergarten, hat der wohlhabende Stand seine
Privilegien ausgedehnt. Der monotone hügellose Busch, der diesen
Namen führt, besitzt weder jene dichten Baumgruppen, noch jene freien
Rasenplätze, welche den eigentlichen Reiz solcher Orte bilden und zum
stillen, unbemerkten Genusse einladen. Seine mageren, dünnbäumigen
Partien sind allenthalben von Alleen und Fahrwegen durchzogen, es
ist eine lange, offene Promenade, wo der Unbemittelte seine schlechtere
Kleidung, seine plebejische Haltung den Blicken der geputzten, parfü-
mitten und hochnasigen Bildungswelt zur Musterung aussetzt. Dies
ist kein Ort, wo der gemeine Mann sich behaglich fühlt. Die Ge¬
nußplätze, wo man Erfrischungen erhält, sind so eingerichtet, daß nur
der Bemittelte sich dort erholen kann. Das Volk, das heißt der grö¬
ßere Theil der Population, ist also selbst von dieser kleinen Oase
ausgeschlossen, welche die Natur wie ein Almosen in diese Sandwüste
geworfen hat.

Dafür zählt Berlin nach den neuesten officiellen Berichten ein
Tausend sechshundert ein und fünfzig Läden, in welchen
schnapöartige Getränke verkauft werden!!!

Ich will hier nicht auf Paris hinweisen, und wie dort für
zweckmäßige Erholungen und Vergnügungen der unteren Volksklas¬
sen, auf den Boulevards, an den Barrieren und in den Champs-ely-
ftes gesorgt ist. Paris ist eine Auönahmsftadt. Ueberdies -- kann
man einwenden -- ist das Pariser Volk gefährlich und reißt das
Pflaster auf, wenn man ihm nicht schön thut; das Berliner Volk
aber Polizeilich fromm, so durch und durch von den christlich-germa¬
nischen Ideen der Gensdarmerie durchdrungen, wozu sollen wir uns
die Mühe geben, für seine Vergnügungen zu sorgen? -- Aber an
Wien könnte man sich doch ein Beispiel nehmen!

Mail hat in Preußen oft genug über die abgedroschene Redens¬
art von dem "väterlichen Gouvernement" Oesterreichs gespöttelt. Ver¬
gleicht man jedoch Alles dasjenige, was in Wien zur Lebenöerheite-
rung des unteren Volkes geschieht, mit dem, was in Berlin -licht


Armen bieten. In Berlin.jedoch zieht der bemittelte und gebildete
Stand auf offener Straße einen Kreis um sich, in welchem er ge¬
nießt und von dem doch der Proletarier ausgeschlossen ist, weil ihm
die Genußfähigkeit fehlt.

Sogar auf das einzige Stück grüner Erde, über das Berlin
gebietet, auf den Thiergarten, hat der wohlhabende Stand seine
Privilegien ausgedehnt. Der monotone hügellose Busch, der diesen
Namen führt, besitzt weder jene dichten Baumgruppen, noch jene freien
Rasenplätze, welche den eigentlichen Reiz solcher Orte bilden und zum
stillen, unbemerkten Genusse einladen. Seine mageren, dünnbäumigen
Partien sind allenthalben von Alleen und Fahrwegen durchzogen, es
ist eine lange, offene Promenade, wo der Unbemittelte seine schlechtere
Kleidung, seine plebejische Haltung den Blicken der geputzten, parfü-
mitten und hochnasigen Bildungswelt zur Musterung aussetzt. Dies
ist kein Ort, wo der gemeine Mann sich behaglich fühlt. Die Ge¬
nußplätze, wo man Erfrischungen erhält, sind so eingerichtet, daß nur
der Bemittelte sich dort erholen kann. Das Volk, das heißt der grö¬
ßere Theil der Population, ist also selbst von dieser kleinen Oase
ausgeschlossen, welche die Natur wie ein Almosen in diese Sandwüste
geworfen hat.

Dafür zählt Berlin nach den neuesten officiellen Berichten ein
Tausend sechshundert ein und fünfzig Läden, in welchen
schnapöartige Getränke verkauft werden!!!

Ich will hier nicht auf Paris hinweisen, und wie dort für
zweckmäßige Erholungen und Vergnügungen der unteren Volksklas¬
sen, auf den Boulevards, an den Barrieren und in den Champs-ely-
ftes gesorgt ist. Paris ist eine Auönahmsftadt. Ueberdies — kann
man einwenden — ist das Pariser Volk gefährlich und reißt das
Pflaster auf, wenn man ihm nicht schön thut; das Berliner Volk
aber Polizeilich fromm, so durch und durch von den christlich-germa¬
nischen Ideen der Gensdarmerie durchdrungen, wozu sollen wir uns
die Mühe geben, für seine Vergnügungen zu sorgen? — Aber an
Wien könnte man sich doch ein Beispiel nehmen!

Mail hat in Preußen oft genug über die abgedroschene Redens¬
art von dem „väterlichen Gouvernement" Oesterreichs gespöttelt. Ver¬
gleicht man jedoch Alles dasjenige, was in Wien zur Lebenöerheite-
rung des unteren Volkes geschieht, mit dem, was in Berlin -licht


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[0712] Armen bieten. In Berlin.jedoch zieht der bemittelte und gebildete Stand auf offener Straße einen Kreis um sich, in welchem er ge¬ nießt und von dem doch der Proletarier ausgeschlossen ist, weil ihm die Genußfähigkeit fehlt. Sogar auf das einzige Stück grüner Erde, über das Berlin gebietet, auf den Thiergarten, hat der wohlhabende Stand seine Privilegien ausgedehnt. Der monotone hügellose Busch, der diesen Namen führt, besitzt weder jene dichten Baumgruppen, noch jene freien Rasenplätze, welche den eigentlichen Reiz solcher Orte bilden und zum stillen, unbemerkten Genusse einladen. Seine mageren, dünnbäumigen Partien sind allenthalben von Alleen und Fahrwegen durchzogen, es ist eine lange, offene Promenade, wo der Unbemittelte seine schlechtere Kleidung, seine plebejische Haltung den Blicken der geputzten, parfü- mitten und hochnasigen Bildungswelt zur Musterung aussetzt. Dies ist kein Ort, wo der gemeine Mann sich behaglich fühlt. Die Ge¬ nußplätze, wo man Erfrischungen erhält, sind so eingerichtet, daß nur der Bemittelte sich dort erholen kann. Das Volk, das heißt der grö¬ ßere Theil der Population, ist also selbst von dieser kleinen Oase ausgeschlossen, welche die Natur wie ein Almosen in diese Sandwüste geworfen hat. Dafür zählt Berlin nach den neuesten officiellen Berichten ein Tausend sechshundert ein und fünfzig Läden, in welchen schnapöartige Getränke verkauft werden!!! Ich will hier nicht auf Paris hinweisen, und wie dort für zweckmäßige Erholungen und Vergnügungen der unteren Volksklas¬ sen, auf den Boulevards, an den Barrieren und in den Champs-ely- ftes gesorgt ist. Paris ist eine Auönahmsftadt. Ueberdies — kann man einwenden — ist das Pariser Volk gefährlich und reißt das Pflaster auf, wenn man ihm nicht schön thut; das Berliner Volk aber Polizeilich fromm, so durch und durch von den christlich-germa¬ nischen Ideen der Gensdarmerie durchdrungen, wozu sollen wir uns die Mühe geben, für seine Vergnügungen zu sorgen? — Aber an Wien könnte man sich doch ein Beispiel nehmen! Mail hat in Preußen oft genug über die abgedroschene Redens¬ art von dem „väterlichen Gouvernement" Oesterreichs gespöttelt. Ver¬ gleicht man jedoch Alles dasjenige, was in Wien zur Lebenöerheite- rung des unteren Volkes geschieht, mit dem, was in Berlin -licht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/712>, abgerufen am 22.12.2024.