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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Dichtex mit seinem Takte dadurch aus, daß er ihn als ersten Ge-
sandschaftssecretair nach Rom schickte. In der Hauptstadt der katho-
lischen Welt war der Verfasser des Geistes des Christenthums ganz
an seinem Platze.

Inmitten der Ruinen der ewigen Stadt, uuter den Hallen des
Coliseums, auf den Marmorblöcken des Circus ruhend, die vielleicht
von dem Blut der ersten Christen befleckt waren, faßte Chateaubriand
den Gedanken zu seinem Hauptwerk:^ Die Märtyrer.

Von da an erfüllte ihn eine lebhafte Sehnsucht nach Griechen-
land, der Wiege des heidnischen, und nach Palästina, der Wiege des
christlichen Roms, der doppelten Schaubühne, aus dex sein großes
Epos spielen sollte.

Einige Zeit daraus kehrte Chateaubriand nach Paris zurück und
wurde zum bevollmächtigten Minister in Wallis ernannt. Es war
am Vorabend jenes Tages, wo der letzte der Conde's in dem Graben
von Vincennes, ,,ein paar Schritte von der Eiche, unter der Ludwig
der Heilige Gericht gehalten hatte"*), erschossen wurde. An demselben
Abend, als Alle vor Entsetzen verstummten, reichte Ehateaubriaud seine
Entlassung ein. Diese Protestation, um so auffallender, da sie die
einzige war, verletzte Bonaparte aus das tiefste. Doch der erste
Consul, mag er nun selbst den Tod des unglücklichen Opfers be-
dauert haben (denn noch hat die Geschichte den Schleier von den
Ereignissen in Vincennes nicht ganz gelüftet) oder mag er die Würde
dieses alleinstehenden Tadels gefühlt haben, rächte sich nicht. Er
versuchte sogar, jedoch vergeblich, den Grollenden zu versöhnen, indem
er ihn später als Nachfolger Chenier's zum Mitglied des Instituts
ernannte. Die Geschichte der Antrittsrede des neuen Mitgliedes ist
bekannt genug. Diese Rede, eine lebendige und beredte Widerlegung
von Chenier's politischen Principien und der Rechtfertigung des Königs-
mordes, gehalten zu einer Zeit, wo abermals königliches Blut ver-
gossen worden war, wo die Richter Ludwig's XVI. die höchsten Staats-
würden bekleideten, trennte Napoleon und Chateaubriand sür immer.

Vor diesem letzten Ereigniß, welches 1811 stattfand, und bald
die Unterdrückung des Mercure zur Folge hatte, hatte dex Dichter den
Entschluß gesaßt, seinen langgehegten Plan einer Pilgerfahrt nach



*) Chateaubriand's eigene Worte.

Dichtex mit seinem Takte dadurch aus, daß er ihn als ersten Ge-
sandschaftssecretair nach Rom schickte. In der Hauptstadt der katho-
lischen Welt war der Verfasser des Geistes des Christenthums ganz
an seinem Platze.

Inmitten der Ruinen der ewigen Stadt, uuter den Hallen des
Coliseums, auf den Marmorblöcken des Circus ruhend, die vielleicht
von dem Blut der ersten Christen befleckt waren, faßte Chateaubriand
den Gedanken zu seinem Hauptwerk:^ Die Märtyrer.

Von da an erfüllte ihn eine lebhafte Sehnsucht nach Griechen-
land, der Wiege des heidnischen, und nach Palästina, der Wiege des
christlichen Roms, der doppelten Schaubühne, aus dex sein großes
Epos spielen sollte.

Einige Zeit daraus kehrte Chateaubriand nach Paris zurück und
wurde zum bevollmächtigten Minister in Wallis ernannt. Es war
am Vorabend jenes Tages, wo der letzte der Conde's in dem Graben
von Vincennes, ,,ein paar Schritte von der Eiche, unter der Ludwig
der Heilige Gericht gehalten hatte"*), erschossen wurde. An demselben
Abend, als Alle vor Entsetzen verstummten, reichte Ehateaubriaud seine
Entlassung ein. Diese Protestation, um so auffallender, da sie die
einzige war, verletzte Bonaparte aus das tiefste. Doch der erste
Consul, mag er nun selbst den Tod des unglücklichen Opfers be-
dauert haben (denn noch hat die Geschichte den Schleier von den
Ereignissen in Vincennes nicht ganz gelüftet) oder mag er die Würde
dieses alleinstehenden Tadels gefühlt haben, rächte sich nicht. Er
versuchte sogar, jedoch vergeblich, den Grollenden zu versöhnen, indem
er ihn später als Nachfolger Chenier's zum Mitglied des Instituts
ernannte. Die Geschichte der Antrittsrede des neuen Mitgliedes ist
bekannt genug. Diese Rede, eine lebendige und beredte Widerlegung
von Chenier's politischen Principien und der Rechtfertigung des Königs-
mordes, gehalten zu einer Zeit, wo abermals königliches Blut ver-
gossen worden war, wo die Richter Ludwig's XVI. die höchsten Staats-
würden bekleideten, trennte Napoleon und Chateaubriand sür immer.

Vor diesem letzten Ereigniß, welches 1811 stattfand, und bald
die Unterdrückung des Mercure zur Folge hatte, hatte dex Dichter den
Entschluß gesaßt, seinen langgehegten Plan einer Pilgerfahrt nach



*) Chateaubriand's eigene Worte.
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[0062] Dichtex mit seinem Takte dadurch aus, daß er ihn als ersten Ge- sandschaftssecretair nach Rom schickte. In der Hauptstadt der katho- lischen Welt war der Verfasser des Geistes des Christenthums ganz an seinem Platze. Inmitten der Ruinen der ewigen Stadt, uuter den Hallen des Coliseums, auf den Marmorblöcken des Circus ruhend, die vielleicht von dem Blut der ersten Christen befleckt waren, faßte Chateaubriand den Gedanken zu seinem Hauptwerk:^ Die Märtyrer. Von da an erfüllte ihn eine lebhafte Sehnsucht nach Griechen- land, der Wiege des heidnischen, und nach Palästina, der Wiege des christlichen Roms, der doppelten Schaubühne, aus dex sein großes Epos spielen sollte. Einige Zeit daraus kehrte Chateaubriand nach Paris zurück und wurde zum bevollmächtigten Minister in Wallis ernannt. Es war am Vorabend jenes Tages, wo der letzte der Conde's in dem Graben von Vincennes, ,,ein paar Schritte von der Eiche, unter der Ludwig der Heilige Gericht gehalten hatte"*), erschossen wurde. An demselben Abend, als Alle vor Entsetzen verstummten, reichte Ehateaubriaud seine Entlassung ein. Diese Protestation, um so auffallender, da sie die einzige war, verletzte Bonaparte aus das tiefste. Doch der erste Consul, mag er nun selbst den Tod des unglücklichen Opfers be- dauert haben (denn noch hat die Geschichte den Schleier von den Ereignissen in Vincennes nicht ganz gelüftet) oder mag er die Würde dieses alleinstehenden Tadels gefühlt haben, rächte sich nicht. Er versuchte sogar, jedoch vergeblich, den Grollenden zu versöhnen, indem er ihn später als Nachfolger Chenier's zum Mitglied des Instituts ernannte. Die Geschichte der Antrittsrede des neuen Mitgliedes ist bekannt genug. Diese Rede, eine lebendige und beredte Widerlegung von Chenier's politischen Principien und der Rechtfertigung des Königs- mordes, gehalten zu einer Zeit, wo abermals königliches Blut ver- gossen worden war, wo die Richter Ludwig's XVI. die höchsten Staats- würden bekleideten, trennte Napoleon und Chateaubriand sür immer. Vor diesem letzten Ereigniß, welches 1811 stattfand, und bald die Unterdrückung des Mercure zur Folge hatte, hatte dex Dichter den Entschluß gesaßt, seinen langgehegten Plan einer Pilgerfahrt nach *) Chateaubriand's eigene Worte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/62>, abgerufen am 23.12.2024.