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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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ringsum die Trümmer, da wurde sie schon wieder eröffnet, jetzt steht
sie zwischen geebneten Bauplätzen und im Bau begriffenen Hausern
und fällt schon von weithin in's Auge.

Das Gebäude ist imposant, aber plump, wie alle Hamburgischen
neugebaute. Man scheint vor lauter Materialismus nicht zu der
Aesthetik der Baukunst zu kommen. Es war gerade die Börsenzeit im
Beginnen. Ich trat auf eine Galerie und beobachtete das großartige
Leben. Der Saal kann über tausend Personen fassen, dennoch soll
er zu klein sein! Es wurde immer dichter, immer gefüllter, es drängte
sich beinahe Kopf an Kopf, das Gesummse und das Gemurre der
vielen Stimmen klang betäubend. Jeder hat seinen bestimmten Platz,
der Schiffer, welcher vielleicht erst vor einer Stunde von Batavia
ankam, der Makler, der kleine wie der große Kaufmann. So gro߬
artig aber auf den ersten Blick dies Getreibe aussieht, so engherzig
und klein ist die Seele desselben. Hamburg will lieber Commis Eng¬
lands, als für das Nationalinteresse Deutschlands thätig sein! Es ist
eine große Krämerei hier in der Hamburger Börse, täglich eine Krä¬
merei mit vielen Millionen, mit Schande und Familienglück. Nur
dieses Eine liest man auf all den tausend Gesichtern: Geld! Gewin¬
nen! Wie das murmelt, wie sich das durch einander treibt! Dieser
Mann da mit den bleifarbenen Zügen und in dem grauen Rocke,
der wohlgefällig sein Portefeuille einsteckt, hat vielleicht durch Ein
Wort, durch Ein Kopfnicken oder durch Einen Federstrich Tausende
gewonnen, aber es macht keinen Eindruck auf ihn; jener, der viel¬
leicht ruinirt ist, sucht seine Bewegung zu verbergen und erheuchelt
ein selbstzufriedenes Lächeln. Der moderne Handel ist nicht mehr
auf das Reale gegründet, er ist ein großes Hazardspiel. Es wird
hier mehr als zehnmal so viel Korn verkauft, als auf der ganzen
Erde wächst. Man spielt mit Millionen, die man nicht hat, um ihre
Procente einzuziehen oder die Tausende , die man hat, zu verlieren.
Wie hämische Teufel laufen die Makler, ihre Schreibtafel in der Hand,
zwischen den Großhändlern umher, bücken sich, drücken sich, suchen zu
überreden, anzuschwatzen oder abzuhalten, je nachdem es ihnen paßt;
sie sind sicher, sie haben immer Gewinn, mögen die Großhändler ge¬
winnen oder verlieren!- Dort hängt die Tafel der böswilligen Falli¬
ren! Ihre Namen sind gebrandmarkt, und sie sind vielleicht noch die
Ehrlichsten gewesen! Der Eine hat sich ersäuft, der Andere hat sich


ringsum die Trümmer, da wurde sie schon wieder eröffnet, jetzt steht
sie zwischen geebneten Bauplätzen und im Bau begriffenen Hausern
und fällt schon von weithin in's Auge.

Das Gebäude ist imposant, aber plump, wie alle Hamburgischen
neugebaute. Man scheint vor lauter Materialismus nicht zu der
Aesthetik der Baukunst zu kommen. Es war gerade die Börsenzeit im
Beginnen. Ich trat auf eine Galerie und beobachtete das großartige
Leben. Der Saal kann über tausend Personen fassen, dennoch soll
er zu klein sein! Es wurde immer dichter, immer gefüllter, es drängte
sich beinahe Kopf an Kopf, das Gesummse und das Gemurre der
vielen Stimmen klang betäubend. Jeder hat seinen bestimmten Platz,
der Schiffer, welcher vielleicht erst vor einer Stunde von Batavia
ankam, der Makler, der kleine wie der große Kaufmann. So gro߬
artig aber auf den ersten Blick dies Getreibe aussieht, so engherzig
und klein ist die Seele desselben. Hamburg will lieber Commis Eng¬
lands, als für das Nationalinteresse Deutschlands thätig sein! Es ist
eine große Krämerei hier in der Hamburger Börse, täglich eine Krä¬
merei mit vielen Millionen, mit Schande und Familienglück. Nur
dieses Eine liest man auf all den tausend Gesichtern: Geld! Gewin¬
nen! Wie das murmelt, wie sich das durch einander treibt! Dieser
Mann da mit den bleifarbenen Zügen und in dem grauen Rocke,
der wohlgefällig sein Portefeuille einsteckt, hat vielleicht durch Ein
Wort, durch Ein Kopfnicken oder durch Einen Federstrich Tausende
gewonnen, aber es macht keinen Eindruck auf ihn; jener, der viel¬
leicht ruinirt ist, sucht seine Bewegung zu verbergen und erheuchelt
ein selbstzufriedenes Lächeln. Der moderne Handel ist nicht mehr
auf das Reale gegründet, er ist ein großes Hazardspiel. Es wird
hier mehr als zehnmal so viel Korn verkauft, als auf der ganzen
Erde wächst. Man spielt mit Millionen, die man nicht hat, um ihre
Procente einzuziehen oder die Tausende , die man hat, zu verlieren.
Wie hämische Teufel laufen die Makler, ihre Schreibtafel in der Hand,
zwischen den Großhändlern umher, bücken sich, drücken sich, suchen zu
überreden, anzuschwatzen oder abzuhalten, je nachdem es ihnen paßt;
sie sind sicher, sie haben immer Gewinn, mögen die Großhändler ge¬
winnen oder verlieren!- Dort hängt die Tafel der böswilligen Falli¬
ren! Ihre Namen sind gebrandmarkt, und sie sind vielleicht noch die
Ehrlichsten gewesen! Der Eine hat sich ersäuft, der Andere hat sich


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[0595] ringsum die Trümmer, da wurde sie schon wieder eröffnet, jetzt steht sie zwischen geebneten Bauplätzen und im Bau begriffenen Hausern und fällt schon von weithin in's Auge. Das Gebäude ist imposant, aber plump, wie alle Hamburgischen neugebaute. Man scheint vor lauter Materialismus nicht zu der Aesthetik der Baukunst zu kommen. Es war gerade die Börsenzeit im Beginnen. Ich trat auf eine Galerie und beobachtete das großartige Leben. Der Saal kann über tausend Personen fassen, dennoch soll er zu klein sein! Es wurde immer dichter, immer gefüllter, es drängte sich beinahe Kopf an Kopf, das Gesummse und das Gemurre der vielen Stimmen klang betäubend. Jeder hat seinen bestimmten Platz, der Schiffer, welcher vielleicht erst vor einer Stunde von Batavia ankam, der Makler, der kleine wie der große Kaufmann. So gro߬ artig aber auf den ersten Blick dies Getreibe aussieht, so engherzig und klein ist die Seele desselben. Hamburg will lieber Commis Eng¬ lands, als für das Nationalinteresse Deutschlands thätig sein! Es ist eine große Krämerei hier in der Hamburger Börse, täglich eine Krä¬ merei mit vielen Millionen, mit Schande und Familienglück. Nur dieses Eine liest man auf all den tausend Gesichtern: Geld! Gewin¬ nen! Wie das murmelt, wie sich das durch einander treibt! Dieser Mann da mit den bleifarbenen Zügen und in dem grauen Rocke, der wohlgefällig sein Portefeuille einsteckt, hat vielleicht durch Ein Wort, durch Ein Kopfnicken oder durch Einen Federstrich Tausende gewonnen, aber es macht keinen Eindruck auf ihn; jener, der viel¬ leicht ruinirt ist, sucht seine Bewegung zu verbergen und erheuchelt ein selbstzufriedenes Lächeln. Der moderne Handel ist nicht mehr auf das Reale gegründet, er ist ein großes Hazardspiel. Es wird hier mehr als zehnmal so viel Korn verkauft, als auf der ganzen Erde wächst. Man spielt mit Millionen, die man nicht hat, um ihre Procente einzuziehen oder die Tausende , die man hat, zu verlieren. Wie hämische Teufel laufen die Makler, ihre Schreibtafel in der Hand, zwischen den Großhändlern umher, bücken sich, drücken sich, suchen zu überreden, anzuschwatzen oder abzuhalten, je nachdem es ihnen paßt; sie sind sicher, sie haben immer Gewinn, mögen die Großhändler ge¬ winnen oder verlieren!- Dort hängt die Tafel der böswilligen Falli¬ ren! Ihre Namen sind gebrandmarkt, und sie sind vielleicht noch die Ehrlichsten gewesen! Der Eine hat sich ersäuft, der Andere hat sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/595>, abgerufen am 22.12.2024.