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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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tags ist, so daß die armen Preßburger häufig genug in der größten
Verlegenheit sind über den großen Segen, den ihnen der liebe Gott
an Magnaten und Deputirten beschert hat. Damit aber die Gast¬
höfe, welche Zimmer vermiethen, diesen Gottessegen nicht unchristlich
für ihre Tasche ausbeuten, hat der Stadtrath in allen Gastzimmern
gedruckte Zettel anschlagen lassen, durch die der Fremde belehrt wird,
daß für jedes Zimmer mit der Aussicht auf die Straße ein Gulden
C.M. täglich zu bezahlen ist, für jedes andere aber, das auf deu
Hof seine Fenster hat, 4? kr. (12 gGr.). Dieser geringe Preis --
und obendrein zur Zeit des Landtags -- beweist schon, daß man
im Lande der Wohlfeilheit sich befindet. Pesth und Preßburg sind
die beiden theuersten Städte Ungarns. Dennoch wird sie der Fremde
billiger als jede andere deutsche Stadt finden. Die Küche in den
Gasthöfen ist freilich für keinen Gaumen, der an roctier cle ^.meat
oder an die ki-vros ^room^-ax in Paris oder auch nur an den
russischen Hof in Frankfurt und das Hotel Meinhard in Berlin ge¬
wöhnt ist. Dafür aber wird er sich am Weine entschädigen können.
Der Ungarwein hat Sorten und Lagen, die von keinem französischen
und deutschen Gebirge überboten werden können. In Frankreich trinkt
man die gewöhnlichsten Schomlauer und Erlauer Weine (der Himmel
weiß, mit welchen Ingredienzien vermischt) unter dem Collectivnamen
vin <lo 1?"K.^. Auch in Deutschland weiß man, was von dem zu
halten ist, was gewöhnlich unter dein Namen Tokayer verkauft wird.
Echten Tokay trifft man selbst in Ungarn höchstens in einigen aus-
erwählten Privatkellern. Doch genießt man wenigstens die anderen
Weine, die im Auslande unter jenem aristokratischen Namen mit ver¬
fälschten Adelsbriefen verkauft werden -- echt und ursprünglich. Für
den Preis, den eine ordinäre Flasche Bordeaux- oder Rheinwein an
einer deutschen Gasttafel kostet, kann hier der feinste Schmecker seinen
Gaumen mit einem Gewächs erquicken, wie es nur in den Liedern
der orientalischen Dichter blüht, wie Hafiz und König Salomon es
besungen. Allerdings läßt sich an der Ungartraube tadeln, daß sie
sehr heiß ist. Es ist kein kalter Wein wie der deutsche; er geht in's
Blut wie Spanierwe-in und Burgunder. Genuß liegt ein guter Theil
des Geistes, der durch dieses Land geht und die Reichstage und
Wahlversammlungen so stürmisch, den Patriotismus so feurig macht, in
den schwarzen und grünen Traubenbceren, die an den Uferhügeln der


tags ist, so daß die armen Preßburger häufig genug in der größten
Verlegenheit sind über den großen Segen, den ihnen der liebe Gott
an Magnaten und Deputirten beschert hat. Damit aber die Gast¬
höfe, welche Zimmer vermiethen, diesen Gottessegen nicht unchristlich
für ihre Tasche ausbeuten, hat der Stadtrath in allen Gastzimmern
gedruckte Zettel anschlagen lassen, durch die der Fremde belehrt wird,
daß für jedes Zimmer mit der Aussicht auf die Straße ein Gulden
C.M. täglich zu bezahlen ist, für jedes andere aber, das auf deu
Hof seine Fenster hat, 4? kr. (12 gGr.). Dieser geringe Preis —
und obendrein zur Zeit des Landtags — beweist schon, daß man
im Lande der Wohlfeilheit sich befindet. Pesth und Preßburg sind
die beiden theuersten Städte Ungarns. Dennoch wird sie der Fremde
billiger als jede andere deutsche Stadt finden. Die Küche in den
Gasthöfen ist freilich für keinen Gaumen, der an roctier cle ^.meat
oder an die ki-vros ^room^-ax in Paris oder auch nur an den
russischen Hof in Frankfurt und das Hotel Meinhard in Berlin ge¬
wöhnt ist. Dafür aber wird er sich am Weine entschädigen können.
Der Ungarwein hat Sorten und Lagen, die von keinem französischen
und deutschen Gebirge überboten werden können. In Frankreich trinkt
man die gewöhnlichsten Schomlauer und Erlauer Weine (der Himmel
weiß, mit welchen Ingredienzien vermischt) unter dem Collectivnamen
vin <lo 1?»K.^. Auch in Deutschland weiß man, was von dem zu
halten ist, was gewöhnlich unter dein Namen Tokayer verkauft wird.
Echten Tokay trifft man selbst in Ungarn höchstens in einigen aus-
erwählten Privatkellern. Doch genießt man wenigstens die anderen
Weine, die im Auslande unter jenem aristokratischen Namen mit ver¬
fälschten Adelsbriefen verkauft werden — echt und ursprünglich. Für
den Preis, den eine ordinäre Flasche Bordeaux- oder Rheinwein an
einer deutschen Gasttafel kostet, kann hier der feinste Schmecker seinen
Gaumen mit einem Gewächs erquicken, wie es nur in den Liedern
der orientalischen Dichter blüht, wie Hafiz und König Salomon es
besungen. Allerdings läßt sich an der Ungartraube tadeln, daß sie
sehr heiß ist. Es ist kein kalter Wein wie der deutsche; er geht in's
Blut wie Spanierwe-in und Burgunder. Genuß liegt ein guter Theil
des Geistes, der durch dieses Land geht und die Reichstage und
Wahlversammlungen so stürmisch, den Patriotismus so feurig macht, in
den schwarzen und grünen Traubenbceren, die an den Uferhügeln der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/495>, abgerufen am 29.06.2024.