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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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cipation thun kann, findet weit weniger Widerstand bei den gro¬
ßen Güterbesitzern, die dadurch jährlich einige hunderttausend Gulden
von ihren Einkünften einbüßen werden, als bei dem kleineren mittelloseren
Adel. Der reiche Magnat kann leicht einen Theil seiner Rente in
die Schanze schlagen; eines Theils, weil ihn dieser Act des Patriotis¬
mus zu keinen Entbehrungen verurtheilt und andern Theils, weil es am
Ende nur eine glückliche Spekulation ist, da die eingehenden Steuern
zu Straßen und Canälen verwendet werden sollen, wodurch der Grund¬
besitz an Werth gewinnen muß, so daß, was er auf der einen
Seite opfert, ihm andrerseits verdoppelt eingeht. Aber der ärmere
Edelmann, der kaum sein Leben von seinem Besitze fristen kann, dazu
noch verschuldet ist uno weder Speculant, noch großmüthiger Patriot
sein darf, weil sein Gläubiger es nicht duldet -- dem ist es leicht
zu verzeihen, wenn er als Cicero pro ninno sun, auf dem Landtage
spricht. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt die De¬
batte über die Steuerverwilligung, die uns in Deutschland jo lächerlich
erscheint, ein milderes Ansehen. Auch scheint man nicht daran zu
zweifeln, daß das Gesetz zu Stande kommen werde, ungeachtet aller
seiner Gegner.

Das letzte österreichische Städtchen, das man bei der Fahrt nach
Ungarn am Donauufer zu Gesichte bekommt, heißt Hamburg. Wer
Zeit hat, der steige hier an's Land, denn dieser kleine Platz ist einer
der interessantesten und wichtigsten Punkte der Monarchie. Hamburg
ist eine populäre Umgestaltung des Wortes Hunnenburg. In der
That stand hier die Römerfeste dieses Namens, deren noch übrigge¬
bliebene Ruinen von zahllosen Sagen im Volke belebt sind. Hier
ist classischer Boden, überall Nömerreste; das Bedeutendste unter ih--
nen der sogenannte Römerthurm mit dem Steinbilde Etzel'ö.
Wohlgemerkt, Du reisender Deutscher, hier spielt ein Theil der Nibe¬
lungenscenen. Hier an der letzten Grenze von Deutschland stehst Du
an der Wiege seiner ältesten Dichtung. Wunderbar genug pflanzt
das großartigste Epos der Deutschen an den beiden Grenzen ihres
Reiches, an den beiden Hauptflüssen desselben seine Bülme auf. An
der Westgrenze in Worms am Rheine, an der Ostgrenze in Hunnen-
burg (der Name wird im Nibelungenliede ausdrücklich genannt) an
der Donau. Es ist, als wollte das herrlichste unserer Gedichte das
Vaterland mit beiden Armen umfassen und seine Marken bestimmen.


cipation thun kann, findet weit weniger Widerstand bei den gro¬
ßen Güterbesitzern, die dadurch jährlich einige hunderttausend Gulden
von ihren Einkünften einbüßen werden, als bei dem kleineren mittelloseren
Adel. Der reiche Magnat kann leicht einen Theil seiner Rente in
die Schanze schlagen; eines Theils, weil ihn dieser Act des Patriotis¬
mus zu keinen Entbehrungen verurtheilt und andern Theils, weil es am
Ende nur eine glückliche Spekulation ist, da die eingehenden Steuern
zu Straßen und Canälen verwendet werden sollen, wodurch der Grund¬
besitz an Werth gewinnen muß, so daß, was er auf der einen
Seite opfert, ihm andrerseits verdoppelt eingeht. Aber der ärmere
Edelmann, der kaum sein Leben von seinem Besitze fristen kann, dazu
noch verschuldet ist uno weder Speculant, noch großmüthiger Patriot
sein darf, weil sein Gläubiger es nicht duldet — dem ist es leicht
zu verzeihen, wenn er als Cicero pro ninno sun, auf dem Landtage
spricht. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt die De¬
batte über die Steuerverwilligung, die uns in Deutschland jo lächerlich
erscheint, ein milderes Ansehen. Auch scheint man nicht daran zu
zweifeln, daß das Gesetz zu Stande kommen werde, ungeachtet aller
seiner Gegner.

Das letzte österreichische Städtchen, das man bei der Fahrt nach
Ungarn am Donauufer zu Gesichte bekommt, heißt Hamburg. Wer
Zeit hat, der steige hier an's Land, denn dieser kleine Platz ist einer
der interessantesten und wichtigsten Punkte der Monarchie. Hamburg
ist eine populäre Umgestaltung des Wortes Hunnenburg. In der
That stand hier die Römerfeste dieses Namens, deren noch übrigge¬
bliebene Ruinen von zahllosen Sagen im Volke belebt sind. Hier
ist classischer Boden, überall Nömerreste; das Bedeutendste unter ih--
nen der sogenannte Römerthurm mit dem Steinbilde Etzel'ö.
Wohlgemerkt, Du reisender Deutscher, hier spielt ein Theil der Nibe¬
lungenscenen. Hier an der letzten Grenze von Deutschland stehst Du
an der Wiege seiner ältesten Dichtung. Wunderbar genug pflanzt
das großartigste Epos der Deutschen an den beiden Grenzen ihres
Reiches, an den beiden Hauptflüssen desselben seine Bülme auf. An
der Westgrenze in Worms am Rheine, an der Ostgrenze in Hunnen-
burg (der Name wird im Nibelungenliede ausdrücklich genannt) an
der Donau. Es ist, als wollte das herrlichste unserer Gedichte das
Vaterland mit beiden Armen umfassen und seine Marken bestimmen.


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[0493] cipation thun kann, findet weit weniger Widerstand bei den gro¬ ßen Güterbesitzern, die dadurch jährlich einige hunderttausend Gulden von ihren Einkünften einbüßen werden, als bei dem kleineren mittelloseren Adel. Der reiche Magnat kann leicht einen Theil seiner Rente in die Schanze schlagen; eines Theils, weil ihn dieser Act des Patriotis¬ mus zu keinen Entbehrungen verurtheilt und andern Theils, weil es am Ende nur eine glückliche Spekulation ist, da die eingehenden Steuern zu Straßen und Canälen verwendet werden sollen, wodurch der Grund¬ besitz an Werth gewinnen muß, so daß, was er auf der einen Seite opfert, ihm andrerseits verdoppelt eingeht. Aber der ärmere Edelmann, der kaum sein Leben von seinem Besitze fristen kann, dazu noch verschuldet ist uno weder Speculant, noch großmüthiger Patriot sein darf, weil sein Gläubiger es nicht duldet — dem ist es leicht zu verzeihen, wenn er als Cicero pro ninno sun, auf dem Landtage spricht. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt die De¬ batte über die Steuerverwilligung, die uns in Deutschland jo lächerlich erscheint, ein milderes Ansehen. Auch scheint man nicht daran zu zweifeln, daß das Gesetz zu Stande kommen werde, ungeachtet aller seiner Gegner. Das letzte österreichische Städtchen, das man bei der Fahrt nach Ungarn am Donauufer zu Gesichte bekommt, heißt Hamburg. Wer Zeit hat, der steige hier an's Land, denn dieser kleine Platz ist einer der interessantesten und wichtigsten Punkte der Monarchie. Hamburg ist eine populäre Umgestaltung des Wortes Hunnenburg. In der That stand hier die Römerfeste dieses Namens, deren noch übrigge¬ bliebene Ruinen von zahllosen Sagen im Volke belebt sind. Hier ist classischer Boden, überall Nömerreste; das Bedeutendste unter ih-- nen der sogenannte Römerthurm mit dem Steinbilde Etzel'ö. Wohlgemerkt, Du reisender Deutscher, hier spielt ein Theil der Nibe¬ lungenscenen. Hier an der letzten Grenze von Deutschland stehst Du an der Wiege seiner ältesten Dichtung. Wunderbar genug pflanzt das großartigste Epos der Deutschen an den beiden Grenzen ihres Reiches, an den beiden Hauptflüssen desselben seine Bülme auf. An der Westgrenze in Worms am Rheine, an der Ostgrenze in Hunnen- burg (der Name wird im Nibelungenliede ausdrücklich genannt) an der Donau. Es ist, als wollte das herrlichste unserer Gedichte das Vaterland mit beiden Armen umfassen und seine Marken bestimmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/493>, abgerufen am 29.06.2024.