Warum sich wegkehren auf einmal und weggehn? -- Soll mir'ö recht sein, oder soll ich mich schämen? Soll ich denken, er sah ihn nicht? Keine Ehrfurcht im Herzen? . . .
Indessen ist auf Befehl deS Herrn im vornehmen Wagen der glänzende Jäger rasch abgestiegen.
-- . . . Jessas! O Himmel! O Gott! ruft unser Vater, von den Dingen, die er sieht, immer lebendiger angeregt und immer zu heftigeren Worten getrieben. -- O Himmel, da ist der blanke Jäger herunter und geht meinem Sohne nach! Mein Sohn schaut nicht um und geht weiter; geht weiter und laßt den Jäger laufen und rufen -- und sieht nicht um! Ich muß vergehn vor Scham! Ich bin der-Vater! Mich reißt's an allen Gliedern vor Scham und Ver¬ wirrung! -- Ein Graf läßt halten und schickt seinen Jäger nach, und der Jäger muß laufen und rufen -- und e r sieht nicht um! -- O schaut nicht hin mehr, alte, kindische Augen! Das hat mir alle Vaterfreude erschlagen, Vaterfreude und Hoffnung für jetzt und im¬ mer! Mein Sohn ist nicht Priester, sonst möcht' ich sagen, er liebt nur den Himmel! -- So muß ich aber in den Boden sinken vor Scham und Bestürzung! Muß der vornehme Jäger noch immer lau¬ fen und der vornehme Wagen halten, und nicht sachter, nicht rascher geht mein Sohn und schaut nicht um! -- Seh' ich? Hör' ich? Geht das so vor, daß auch der Graf aus dem Wagen steigt und hinter dem Jäger herkommt? Ich muß meinen eigenen Sohn anfal¬ len wie meinen Feind! Dort steht der Wagen, leer -- und der Herr und Jäger hinter meinem Sohn her, der nicht sachter, nicht rascher geht und nicht umsieht. Wie kann ein Wohlgefallen kommen, eine Neigung, und wenn mein Sohn ihn einmal braucht, eine Verwen¬ dung? Das ist kein guter Anfang, keine Art, keine Ehrfurcht . . .
singt dazwischen der Bursche im Dorf:
Ohne Liebschaft kein Leben, Ohne Herz Leine Lieb'; Ist uns beides gegeben, Kommt zum Singen der Trieb.
-- ... O sing', sing'! -- Zu Dir muß ich mich wenden. Sing'! Du bist fertig, von Dir weiß ich, was zu hoffen. Du lebst und singst -- und das zusammen ist Dein Denken. Sing' und steig' nicht höher und fall' nicht tiefer, so bleibst Du geliebt von Allen,
Warum sich wegkehren auf einmal und weggehn? — Soll mir'ö recht sein, oder soll ich mich schämen? Soll ich denken, er sah ihn nicht? Keine Ehrfurcht im Herzen? . . .
Indessen ist auf Befehl deS Herrn im vornehmen Wagen der glänzende Jäger rasch abgestiegen.
— . . . Jessas! O Himmel! O Gott! ruft unser Vater, von den Dingen, die er sieht, immer lebendiger angeregt und immer zu heftigeren Worten getrieben. — O Himmel, da ist der blanke Jäger herunter und geht meinem Sohne nach! Mein Sohn schaut nicht um und geht weiter; geht weiter und laßt den Jäger laufen und rufen — und sieht nicht um! Ich muß vergehn vor Scham! Ich bin der-Vater! Mich reißt's an allen Gliedern vor Scham und Ver¬ wirrung! — Ein Graf läßt halten und schickt seinen Jäger nach, und der Jäger muß laufen und rufen — und e r sieht nicht um! — O schaut nicht hin mehr, alte, kindische Augen! Das hat mir alle Vaterfreude erschlagen, Vaterfreude und Hoffnung für jetzt und im¬ mer! Mein Sohn ist nicht Priester, sonst möcht' ich sagen, er liebt nur den Himmel! — So muß ich aber in den Boden sinken vor Scham und Bestürzung! Muß der vornehme Jäger noch immer lau¬ fen und der vornehme Wagen halten, und nicht sachter, nicht rascher geht mein Sohn und schaut nicht um! — Seh' ich? Hör' ich? Geht das so vor, daß auch der Graf aus dem Wagen steigt und hinter dem Jäger herkommt? Ich muß meinen eigenen Sohn anfal¬ len wie meinen Feind! Dort steht der Wagen, leer — und der Herr und Jäger hinter meinem Sohn her, der nicht sachter, nicht rascher geht und nicht umsieht. Wie kann ein Wohlgefallen kommen, eine Neigung, und wenn mein Sohn ihn einmal braucht, eine Verwen¬ dung? Das ist kein guter Anfang, keine Art, keine Ehrfurcht . . .
singt dazwischen der Bursche im Dorf:
Ohne Liebschaft kein Leben, Ohne Herz Leine Lieb'; Ist uns beides gegeben, Kommt zum Singen der Trieb.
— ... O sing', sing'! — Zu Dir muß ich mich wenden. Sing'! Du bist fertig, von Dir weiß ich, was zu hoffen. Du lebst und singst — und das zusammen ist Dein Denken. Sing' und steig' nicht höher und fall' nicht tiefer, so bleibst Du geliebt von Allen,
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Warum sich wegkehren auf einmal und weggehn? — Soll mir'ö
recht sein, oder soll ich mich schämen? Soll ich denken, er sah ihn
nicht? Keine Ehrfurcht im Herzen? . . .
Indessen ist auf Befehl deS Herrn im vornehmen Wagen der
glänzende Jäger rasch abgestiegen.
— . . . Jessas! O Himmel! O Gott! ruft unser Vater, von
den Dingen, die er sieht, immer lebendiger angeregt und immer zu
heftigeren Worten getrieben. — O Himmel, da ist der blanke Jäger
herunter und geht meinem Sohne nach! Mein Sohn schaut nicht
um und geht weiter; geht weiter und laßt den Jäger laufen und
rufen — und sieht nicht um! Ich muß vergehn vor Scham! Ich
bin der-Vater! Mich reißt's an allen Gliedern vor Scham und Ver¬
wirrung! — Ein Graf läßt halten und schickt seinen Jäger nach,
und der Jäger muß laufen und rufen — und e r sieht nicht um! —
O schaut nicht hin mehr, alte, kindische Augen! Das hat mir alle
Vaterfreude erschlagen, Vaterfreude und Hoffnung für jetzt und im¬
mer! Mein Sohn ist nicht Priester, sonst möcht' ich sagen, er liebt
nur den Himmel! — So muß ich aber in den Boden sinken vor
Scham und Bestürzung! Muß der vornehme Jäger noch immer lau¬
fen und der vornehme Wagen halten, und nicht sachter, nicht rascher
geht mein Sohn und schaut nicht um! — Seh' ich? Hör' ich?
Geht das so vor, daß auch der Graf aus dem Wagen steigt und
hinter dem Jäger herkommt? Ich muß meinen eigenen Sohn anfal¬
len wie meinen Feind! Dort steht der Wagen, leer — und der Herr
und Jäger hinter meinem Sohn her, der nicht sachter, nicht rascher
geht und nicht umsieht. Wie kann ein Wohlgefallen kommen, eine
Neigung, und wenn mein Sohn ihn einmal braucht, eine Verwen¬
dung? Das ist kein guter Anfang, keine Art, keine Ehrfurcht . . .
singt dazwischen der Bursche im Dorf:
Ohne Liebschaft kein Leben,
Ohne Herz Leine Lieb';
Ist uns beides gegeben,
Kommt zum Singen der Trieb.
— ... O sing', sing'! — Zu Dir muß ich mich wenden. Sing'!
Du bist fertig, von Dir weiß ich, was zu hoffen. Du lebst und
singst — und das zusammen ist Dein Denken. Sing' und steig'
nicht höher und fall' nicht tiefer, so bleibst Du geliebt von Allen,
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/48>, abgerufen am 14.01.2025.
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