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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Stephan mit der russischen Prinzessin Olga nehmen wird. Im
Publicum geht das Gerücht, die Unterhandlungen würden sich zerschla¬
gen. Was man wünscht, das glaubt man gerne. Die russischen
Agenten in Wien werden jetzt Gelegenheit genug haben, den Russen-
Haß zu schildern, den man in Wien findet. Mit Ausnahme eines
kleinen aristokratischen Kreises, der in Nußland die einzige Rettung
gegen die demokratische Kraft der Zeit erblickt, ist die Abneigung gegen
die Russen allgemein, beim Bürger wie beim Adel, im Militär- wie
im Beamtenstande. In der kaiserliche" Familie soll -- wie es heißt
-- die Vermählung auch auf ein Hinderniß anderer Art stoßen. Die
Mitglieder des österreichischen Kaiserhauses sollen nämlich unter einan¬
der die Uebereinkunft getroffen haben, nur katholische Ehen in Zukunft
zu schließen. Nun kann man der Prinzessin Olga nicht zumuthen,
daß sie zur katholischen Kirche übergehe. Nichtsdestoweniger werden in
Schönbrunn Vorbereitungen zum Empfang des Czaren getroffen, der
im Mai schon hier eintreffen soll. Nun, der Kaiser von Rußland ist
ein erfahrener Geschäftsreisender -- er wird hier manchen profitabel"
Handel abschließen. Schon sein Abgesandter, der General Orloff, der
in einer außerordentlichen Mission hier verweilte, hat manche arme
Seele gekapert. Während der vierzehn Tage seines hiesigen Aufent¬
halts war er der Löwe des Tages, um den sich alle Konversation drehte.
General Orloff ist ein eigener TvpuS von Diplomaten. Im Gegen¬
satz von Andern, welche gewöhnlich die Sammtsciie herauskehren,
sucht er vielmehr hinter seiner militärischen Außenseite jeden Anstrich
von Schlauheit zu verbergen. Er kokettirt mit seinem Mangel an
Schulkcnntnisscu. .Is in'in it^n tu in.-,,!" j'ni bL-in<xmzi vu sagt er oft und
laut in großer Gesellschaft, und man hat volle Ursache, ihm Beides
zu glauben. Das athletische dominirende Aeußere des General Orloff,
seine ungeheure Körperkraft (er zerdrückte einen Silbcrtcllcr mit einer
Hand, wie man einen Bogen Papier zerknittert), daS Gebieterische in
seinem Wesen imponirte einem Theil unseres Hofadels nicht wenig;
einige junge Herren, die nächstens als Gesaudtschaftssecretäre zu figu-
riren hoffen, setzen schon den Hut ganz a, I-i, Orloff auf, strecken den
Leib, um einen halben Zoll an Länge zu gewinnen, und reiben sich
vergnügt und hoffnungsvoll die Hände, daß man ein geschickter Diplo¬
mat werden ?omne "-ins avuir rio" In.

Noch immer gibt die Tantieme viel zu sprechen. Baucrnfcld hat
die Register des Hofbnrgthcaters aufschlagen lassen, und es stellt sich
heraus, daß die zahlreichen Aufführungen seiner Stücke ihm nach dem
neu eingeführten Maßstabe Gulden Conventionsmünze einge¬
bracht hätten, während er kaum das Fünftheil dieser Summe bezogen
hat. Der erste Schriftsteller, der in Deutschland die Tantieme erhält,
ist Töpfer. Sei" Lustspiel "Canova's Jugendleben", welches künf¬
tige Woche zum Bcnefiee der Regisseure am Burgthcator zur Auffüh-


Stephan mit der russischen Prinzessin Olga nehmen wird. Im
Publicum geht das Gerücht, die Unterhandlungen würden sich zerschla¬
gen. Was man wünscht, das glaubt man gerne. Die russischen
Agenten in Wien werden jetzt Gelegenheit genug haben, den Russen-
Haß zu schildern, den man in Wien findet. Mit Ausnahme eines
kleinen aristokratischen Kreises, der in Nußland die einzige Rettung
gegen die demokratische Kraft der Zeit erblickt, ist die Abneigung gegen
die Russen allgemein, beim Bürger wie beim Adel, im Militär- wie
im Beamtenstande. In der kaiserliche» Familie soll — wie es heißt
— die Vermählung auch auf ein Hinderniß anderer Art stoßen. Die
Mitglieder des österreichischen Kaiserhauses sollen nämlich unter einan¬
der die Uebereinkunft getroffen haben, nur katholische Ehen in Zukunft
zu schließen. Nun kann man der Prinzessin Olga nicht zumuthen,
daß sie zur katholischen Kirche übergehe. Nichtsdestoweniger werden in
Schönbrunn Vorbereitungen zum Empfang des Czaren getroffen, der
im Mai schon hier eintreffen soll. Nun, der Kaiser von Rußland ist
ein erfahrener Geschäftsreisender — er wird hier manchen profitabel»
Handel abschließen. Schon sein Abgesandter, der General Orloff, der
in einer außerordentlichen Mission hier verweilte, hat manche arme
Seele gekapert. Während der vierzehn Tage seines hiesigen Aufent¬
halts war er der Löwe des Tages, um den sich alle Konversation drehte.
General Orloff ist ein eigener TvpuS von Diplomaten. Im Gegen¬
satz von Andern, welche gewöhnlich die Sammtsciie herauskehren,
sucht er vielmehr hinter seiner militärischen Außenseite jeden Anstrich
von Schlauheit zu verbergen. Er kokettirt mit seinem Mangel an
Schulkcnntnisscu. .Is in'in it^n tu in.-,,!» j'ni bL-in<xmzi vu sagt er oft und
laut in großer Gesellschaft, und man hat volle Ursache, ihm Beides
zu glauben. Das athletische dominirende Aeußere des General Orloff,
seine ungeheure Körperkraft (er zerdrückte einen Silbcrtcllcr mit einer
Hand, wie man einen Bogen Papier zerknittert), daS Gebieterische in
seinem Wesen imponirte einem Theil unseres Hofadels nicht wenig;
einige junge Herren, die nächstens als Gesaudtschaftssecretäre zu figu-
riren hoffen, setzen schon den Hut ganz a, I-i, Orloff auf, strecken den
Leib, um einen halben Zoll an Länge zu gewinnen, und reiben sich
vergnügt und hoffnungsvoll die Hände, daß man ein geschickter Diplo¬
mat werden ?omne «-ins avuir rio» In.

Noch immer gibt die Tantieme viel zu sprechen. Baucrnfcld hat
die Register des Hofbnrgthcaters aufschlagen lassen, und es stellt sich
heraus, daß die zahlreichen Aufführungen seiner Stücke ihm nach dem
neu eingeführten Maßstabe Gulden Conventionsmünze einge¬
bracht hätten, während er kaum das Fünftheil dieser Summe bezogen
hat. Der erste Schriftsteller, der in Deutschland die Tantieme erhält,
ist Töpfer. Sei» Lustspiel „Canova's Jugendleben", welches künf¬
tige Woche zum Bcnefiee der Regisseure am Burgthcator zur Auffüh-


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[0394] Stephan mit der russischen Prinzessin Olga nehmen wird. Im Publicum geht das Gerücht, die Unterhandlungen würden sich zerschla¬ gen. Was man wünscht, das glaubt man gerne. Die russischen Agenten in Wien werden jetzt Gelegenheit genug haben, den Russen- Haß zu schildern, den man in Wien findet. Mit Ausnahme eines kleinen aristokratischen Kreises, der in Nußland die einzige Rettung gegen die demokratische Kraft der Zeit erblickt, ist die Abneigung gegen die Russen allgemein, beim Bürger wie beim Adel, im Militär- wie im Beamtenstande. In der kaiserliche» Familie soll — wie es heißt — die Vermählung auch auf ein Hinderniß anderer Art stoßen. Die Mitglieder des österreichischen Kaiserhauses sollen nämlich unter einan¬ der die Uebereinkunft getroffen haben, nur katholische Ehen in Zukunft zu schließen. Nun kann man der Prinzessin Olga nicht zumuthen, daß sie zur katholischen Kirche übergehe. Nichtsdestoweniger werden in Schönbrunn Vorbereitungen zum Empfang des Czaren getroffen, der im Mai schon hier eintreffen soll. Nun, der Kaiser von Rußland ist ein erfahrener Geschäftsreisender — er wird hier manchen profitabel» Handel abschließen. Schon sein Abgesandter, der General Orloff, der in einer außerordentlichen Mission hier verweilte, hat manche arme Seele gekapert. Während der vierzehn Tage seines hiesigen Aufent¬ halts war er der Löwe des Tages, um den sich alle Konversation drehte. General Orloff ist ein eigener TvpuS von Diplomaten. Im Gegen¬ satz von Andern, welche gewöhnlich die Sammtsciie herauskehren, sucht er vielmehr hinter seiner militärischen Außenseite jeden Anstrich von Schlauheit zu verbergen. Er kokettirt mit seinem Mangel an Schulkcnntnisscu. .Is in'in it^n tu in.-,,!» j'ni bL-in<xmzi vu sagt er oft und laut in großer Gesellschaft, und man hat volle Ursache, ihm Beides zu glauben. Das athletische dominirende Aeußere des General Orloff, seine ungeheure Körperkraft (er zerdrückte einen Silbcrtcllcr mit einer Hand, wie man einen Bogen Papier zerknittert), daS Gebieterische in seinem Wesen imponirte einem Theil unseres Hofadels nicht wenig; einige junge Herren, die nächstens als Gesaudtschaftssecretäre zu figu- riren hoffen, setzen schon den Hut ganz a, I-i, Orloff auf, strecken den Leib, um einen halben Zoll an Länge zu gewinnen, und reiben sich vergnügt und hoffnungsvoll die Hände, daß man ein geschickter Diplo¬ mat werden ?omne «-ins avuir rio» In. Noch immer gibt die Tantieme viel zu sprechen. Baucrnfcld hat die Register des Hofbnrgthcaters aufschlagen lassen, und es stellt sich heraus, daß die zahlreichen Aufführungen seiner Stücke ihm nach dem neu eingeführten Maßstabe Gulden Conventionsmünze einge¬ bracht hätten, während er kaum das Fünftheil dieser Summe bezogen hat. Der erste Schriftsteller, der in Deutschland die Tantieme erhält, ist Töpfer. Sei» Lustspiel „Canova's Jugendleben", welches künf¬ tige Woche zum Bcnefiee der Regisseure am Burgthcator zur Auffüh-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/394>, abgerufen am 26.06.2024.