anordnet, um aus rein slavischer Quelle zu schöpfen, so müßte es freilich "einige Jahrhunderte zurückgehen", um dann, auf langen bar¬ barischen Umwegen, weiß Gott wohin, zu gelangen. Das jedoch will und denkt kein Czeche.-- Was aber ist der schwache Anflug deut¬ scher Cultur ohne Volk? Eine germanisirte Bureaukratie und ein gebildeter Lehrstand machen keine Nation. Und wollte, wie Einige wünschen, die deutsche Faust mit eisernem Schnlmeisterlineal Ne Cze- chen zu Deutschen schlagen: sie würde auf granitne Knochen stoßen und, den ganzen unberechenbaren Grimm dieses still trotzigen Stam¬ mes weckend, würde sie selbst ihn zwingen, mit Abscheu vor deu Wohlthaten der Cultur durch Brand und Schutt sich den Rückzug in die Barbarei zu sichern. Schlecht steht eS jenen heiseren Zett¬ stimmen an, die den verschiedensten Stämmen Ungarns Einigkeit pre¬ digen, wenn sie in Böhmen die Zwietracht schüren und nur deutsche Herren und czechische Knechte, oder umgekehrt, sehen wollen. Dle Herrschsüchtigcn beider Theile, die mit einem kategorischen: Entweder oder, den gordischen Knoten zu zerhauen denken, kennen das Land und, was ihm Noth thut, nicht. Weil dort auf jedem Schritt und Tritt sich Deutschthum und Slaventhum begegnen, muß eS zum Kampf auf Tod und Leben sein? Ist nicht der Czeche durch ernsten Sinn und starkes Gemüth unter allen Slaven dem germamschen Wesen am nächsten? Der Deutsche in Böhmen sei vor Allem Böhme und es fällt dem Czechen gewiß nicht ein, mehr sein ode Bürger eines neuen südwestslavischen Reichs werdeu zu wollen. Un der Deutsche im Czechengcbiet ist so wenig Pangcrmanist, wie de Czeche Panslavist. So weit man zurückblickt, ging alle böhmische Kra und Bedeutung aus dem Ineinandergreifen deutscher und czechischc Elemente hervor. Ein deutscher Kaiser war eS, der die alte Prah mit ihren theuersten Denkmalen krönte; selbst in den Glaubenskämpfe bis in den dreißigjährigen Krieg, waren die Parteien nicht nach de Nationalität geschieden; deutscher Adel und czechischeö Volk, czcchische Adel und deutscher haben in Sieg und Tod oft treu zusammengestande Und nur in einem einträchtigen Zusammenstehen beider Elemente lie für Böhmen eine Zuwnft. Freilich haben die Wehen der Zeit au hier manche Kluft weiter gerissen, als sie ursprünglich war. Da erwachende Nationalbewußtsein zerrt beide Theile auseinander. D Czeche lechzt nach einem Eraürolaneare der Verstoßun
4
anordnet, um aus rein slavischer Quelle zu schöpfen, so müßte es freilich „einige Jahrhunderte zurückgehen", um dann, auf langen bar¬ barischen Umwegen, weiß Gott wohin, zu gelangen. Das jedoch will und denkt kein Czeche.— Was aber ist der schwache Anflug deut¬ scher Cultur ohne Volk? Eine germanisirte Bureaukratie und ein gebildeter Lehrstand machen keine Nation. Und wollte, wie Einige wünschen, die deutsche Faust mit eisernem Schnlmeisterlineal Ne Cze- chen zu Deutschen schlagen: sie würde auf granitne Knochen stoßen und, den ganzen unberechenbaren Grimm dieses still trotzigen Stam¬ mes weckend, würde sie selbst ihn zwingen, mit Abscheu vor deu Wohlthaten der Cultur durch Brand und Schutt sich den Rückzug in die Barbarei zu sichern. Schlecht steht eS jenen heiseren Zett¬ stimmen an, die den verschiedensten Stämmen Ungarns Einigkeit pre¬ digen, wenn sie in Böhmen die Zwietracht schüren und nur deutsche Herren und czechische Knechte, oder umgekehrt, sehen wollen. Dle Herrschsüchtigcn beider Theile, die mit einem kategorischen: Entweder oder, den gordischen Knoten zu zerhauen denken, kennen das Land und, was ihm Noth thut, nicht. Weil dort auf jedem Schritt und Tritt sich Deutschthum und Slaventhum begegnen, muß eS zum Kampf auf Tod und Leben sein? Ist nicht der Czeche durch ernsten Sinn und starkes Gemüth unter allen Slaven dem germamschen Wesen am nächsten? Der Deutsche in Böhmen sei vor Allem Böhme und es fällt dem Czechen gewiß nicht ein, mehr sein ode Bürger eines neuen südwestslavischen Reichs werdeu zu wollen. Un der Deutsche im Czechengcbiet ist so wenig Pangcrmanist, wie de Czeche Panslavist. So weit man zurückblickt, ging alle böhmische Kra und Bedeutung aus dem Ineinandergreifen deutscher und czechischc Elemente hervor. Ein deutscher Kaiser war eS, der die alte Prah mit ihren theuersten Denkmalen krönte; selbst in den Glaubenskämpfe bis in den dreißigjährigen Krieg, waren die Parteien nicht nach de Nationalität geschieden; deutscher Adel und czechischeö Volk, czcchische Adel und deutscher haben in Sieg und Tod oft treu zusammengestande Und nur in einem einträchtigen Zusammenstehen beider Elemente lie für Böhmen eine Zuwnft. Freilich haben die Wehen der Zeit au hier manche Kluft weiter gerissen, als sie ursprünglich war. Da erwachende Nationalbewußtsein zerrt beide Theile auseinander. D Czeche lechzt nach einem Eraürolaneare der Verstoßun
4
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0035"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179748"/><pxml:id="ID_47"prev="#ID_46"next="#ID_48"> anordnet, um aus rein slavischer Quelle zu schöpfen, so müßte es<lb/>
freilich „einige Jahrhunderte zurückgehen", um dann, auf langen bar¬<lb/>
barischen Umwegen, weiß Gott wohin, zu gelangen. Das jedoch<lb/>
will und denkt kein Czeche.— Was aber ist der schwache Anflug deut¬<lb/>
scher Cultur ohne Volk? Eine germanisirte Bureaukratie und ein<lb/>
gebildeter Lehrstand machen keine Nation. Und wollte, wie Einige<lb/>
wünschen, die deutsche Faust mit eisernem Schnlmeisterlineal Ne Cze-<lb/>
chen zu Deutschen schlagen: sie würde auf granitne Knochen stoßen<lb/>
und, den ganzen unberechenbaren Grimm dieses still trotzigen Stam¬<lb/>
mes weckend, würde sie selbst ihn zwingen, mit Abscheu vor deu<lb/>
Wohlthaten der Cultur durch Brand und Schutt sich den Rückzug<lb/>
in die Barbarei zu sichern. Schlecht steht eS jenen heiseren Zett¬<lb/>
stimmen an, die den verschiedensten Stämmen Ungarns Einigkeit pre¬<lb/>
digen, wenn sie in Böhmen die Zwietracht schüren und nur deutsche<lb/>
Herren und czechische Knechte, oder umgekehrt, sehen wollen. Dle<lb/>
Herrschsüchtigcn beider Theile, die mit einem kategorischen: Entweder<lb/>
oder, den gordischen Knoten zu zerhauen denken, kennen das Land<lb/>
und, was ihm Noth thut, nicht. Weil dort auf jedem Schritt und<lb/>
Tritt sich Deutschthum und Slaventhum begegnen, muß eS zum<lb/>
Kampf auf Tod und Leben sein? Ist nicht der Czeche durch ernsten<lb/>
Sinn und starkes Gemüth unter allen Slaven dem germamschen<lb/>
Wesen am nächsten? Der Deutsche in Böhmen sei vor Allem<lb/>
Böhme und es fällt dem Czechen gewiß nicht ein, mehr sein ode<lb/>
Bürger eines neuen südwestslavischen Reichs werdeu zu wollen. Un<lb/>
der Deutsche im Czechengcbiet ist so wenig Pangcrmanist, wie de<lb/>
Czeche Panslavist. So weit man zurückblickt, ging alle böhmische Kra<lb/>
und Bedeutung aus dem Ineinandergreifen deutscher und czechischc<lb/>
Elemente hervor. Ein deutscher Kaiser war eS, der die alte Prah<lb/>
mit ihren theuersten Denkmalen krönte; selbst in den Glaubenskämpfe<lb/>
bis in den dreißigjährigen Krieg, waren die Parteien nicht nach de<lb/>
Nationalität geschieden; deutscher Adel und czechischeö Volk, czcchische<lb/>
Adel und deutscher haben in Sieg und Tod oft treu zusammengestande<lb/>
Und nur in einem einträchtigen Zusammenstehen beider Elemente lie<lb/>
für Böhmen eine Zuwnft. Freilich haben die Wehen der Zeit au<lb/>
hier manche Kluft weiter gerissen, als sie ursprünglich war. Da<lb/>
erwachende Nationalbewußtsein zerrt beide Theile auseinander. D<lb/>
Czeche lechzt nach einem Eraürolaneare der Verstoßun</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"> 4 </fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[0035]
anordnet, um aus rein slavischer Quelle zu schöpfen, so müßte es
freilich „einige Jahrhunderte zurückgehen", um dann, auf langen bar¬
barischen Umwegen, weiß Gott wohin, zu gelangen. Das jedoch
will und denkt kein Czeche.— Was aber ist der schwache Anflug deut¬
scher Cultur ohne Volk? Eine germanisirte Bureaukratie und ein
gebildeter Lehrstand machen keine Nation. Und wollte, wie Einige
wünschen, die deutsche Faust mit eisernem Schnlmeisterlineal Ne Cze-
chen zu Deutschen schlagen: sie würde auf granitne Knochen stoßen
und, den ganzen unberechenbaren Grimm dieses still trotzigen Stam¬
mes weckend, würde sie selbst ihn zwingen, mit Abscheu vor deu
Wohlthaten der Cultur durch Brand und Schutt sich den Rückzug
in die Barbarei zu sichern. Schlecht steht eS jenen heiseren Zett¬
stimmen an, die den verschiedensten Stämmen Ungarns Einigkeit pre¬
digen, wenn sie in Böhmen die Zwietracht schüren und nur deutsche
Herren und czechische Knechte, oder umgekehrt, sehen wollen. Dle
Herrschsüchtigcn beider Theile, die mit einem kategorischen: Entweder
oder, den gordischen Knoten zu zerhauen denken, kennen das Land
und, was ihm Noth thut, nicht. Weil dort auf jedem Schritt und
Tritt sich Deutschthum und Slaventhum begegnen, muß eS zum
Kampf auf Tod und Leben sein? Ist nicht der Czeche durch ernsten
Sinn und starkes Gemüth unter allen Slaven dem germamschen
Wesen am nächsten? Der Deutsche in Böhmen sei vor Allem
Böhme und es fällt dem Czechen gewiß nicht ein, mehr sein ode
Bürger eines neuen südwestslavischen Reichs werdeu zu wollen. Un
der Deutsche im Czechengcbiet ist so wenig Pangcrmanist, wie de
Czeche Panslavist. So weit man zurückblickt, ging alle böhmische Kra
und Bedeutung aus dem Ineinandergreifen deutscher und czechischc
Elemente hervor. Ein deutscher Kaiser war eS, der die alte Prah
mit ihren theuersten Denkmalen krönte; selbst in den Glaubenskämpfe
bis in den dreißigjährigen Krieg, waren die Parteien nicht nach de
Nationalität geschieden; deutscher Adel und czechischeö Volk, czcchische
Adel und deutscher haben in Sieg und Tod oft treu zusammengestande
Und nur in einem einträchtigen Zusammenstehen beider Elemente lie
für Böhmen eine Zuwnft. Freilich haben die Wehen der Zeit au
hier manche Kluft weiter gerissen, als sie ursprünglich war. Da
erwachende Nationalbewußtsein zerrt beide Theile auseinander. D
Czeche lechzt nach einem Eraürolaneare der Verstoßun
4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/35>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.