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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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die Franzosen in ihrer leichten Grazie und kecken Freiheit nach, statt
unaufhörlich über ihre Co^uctteric zu schimpfen. Seht doch den für
ewige Zeiten im Kirchcnstyle unerreichbaren Raphael an, wie wenig er
von jener lichtscheu", Klosterbigotteric an sich trug, wie heiter er die
bien und tiefsinnigen Mysterien des Katholicismus darstellte.

Ein Gegensatz zu den "Klostcrkünstlcrn" ist die Lehre eines an¬
deren "Professors der Malerei'/ dieser schwarzgalligc, unbeschreiblich
eitle und unwissende, aber sonst sehr beliebte und wirklich ausgezeich¬
nete Genremaler (und waS wir hier sagen, wissen alle Wiener Künst¬
ler) pflegt Alles, was nicht Genre-Malerei ist -- sei es alte oder neue,
italienische oder deutsche Historienmalerei mit dem Prädicate "Schaam"
abzufertigen und zu belegen. Ist eine Schule nicht zu bedauern, die
einen solchen Professor hat? Also die besten Werke eines Raphael,
Rubens, Corrcggic, Dürer, Fügcr, Kaulbach, Lessing, Schmorr, Hess
u. s. w. sind "Schaam?"

Ein eigenthümliches Ereignis) war vor einem Jahre die Erbitte¬
rung einiger Maler gegen die Kritiker der Tageblätter, die ihnen et¬
was stark die Wahrheit sagten. Einen "Professor'' an der Spitze, ver¬
schworen sich diese, nie mehr etwas in eine Ausstellung zu geben.

Zeigt schon der Umstand, daß die genannten Herrn nicht über
eine leichte Recension erhaben seien, von ihrer kleinlichen Bildung, so
ist es desto lächerlicher, sich als öffentlicher Charakter darüber auf¬
zuhalten, zumal man ans einer jeden Kritik etwas profitiren
kann. Die Professoren der hiesigen Akademie denken hierüber ganz
anders. Sie beschwerten sich bei ihrem hohen Protector, daß die Kri¬
tik sie bei ihren Schülern lächerlich mache und ihren materiellen In¬
teressen schade. Wirklich wurden die Wiener Redacteure sämmtlich zum
Polizeipräsidium eingeladen und ihnen aufgetragen, bei der kommenden
Kunstausstellung milder und aufmunternder gegen die Künstler sich zu
zeigen und im Falle eines scharfen Tadels wenigstens die Namen aus¬
zulassen. Zu gleicher Zeit erschien jedoch in der Augsburger allgem.
Zeitung (!) von hier aus ein Artikel über die Ausstellung, der scho¬
nungslos über dieselbe das Urtheil sprach. Indem der geistreiche Fürst
den Malern die locale Blamirung ersparen wollte, hielt er es grade
für seine Protector-Pflicht, sie durch ein auswärtiges Blatt die Wahr¬
heit hören zu lassen.

Um aber auch vou Allem zu sprechen, was einer Erwähnung
werth ist, so dürfen wir den Wiener Künstler Joh. Ney. Geiger nicht
übergehen, der, wenn auch kein philosophischer oder poetischer Kopf sich
doch zu einem der allerersten historischen Zeichner unserer Zeit hin¬
aufgeschwungen, der in seinen, mit der Feder gezeichneten Bilderchen
den Gipfel einer geistreichen Technik erreicht hat und hierin vivu kei¬
nem anderen Künstler übertreffen wird. Man sehe sein neuestes gro¬
ßes Wer! "Scenen aus der Geschichte Oesterreichs." Er ist der Stolz


die Franzosen in ihrer leichten Grazie und kecken Freiheit nach, statt
unaufhörlich über ihre Co^uctteric zu schimpfen. Seht doch den für
ewige Zeiten im Kirchcnstyle unerreichbaren Raphael an, wie wenig er
von jener lichtscheu«, Klosterbigotteric an sich trug, wie heiter er die
bien und tiefsinnigen Mysterien des Katholicismus darstellte.

Ein Gegensatz zu den „Klostcrkünstlcrn" ist die Lehre eines an¬
deren „Professors der Malerei'/ dieser schwarzgalligc, unbeschreiblich
eitle und unwissende, aber sonst sehr beliebte und wirklich ausgezeich¬
nete Genremaler (und waS wir hier sagen, wissen alle Wiener Künst¬
ler) pflegt Alles, was nicht Genre-Malerei ist — sei es alte oder neue,
italienische oder deutsche Historienmalerei mit dem Prädicate „Schaam"
abzufertigen und zu belegen. Ist eine Schule nicht zu bedauern, die
einen solchen Professor hat? Also die besten Werke eines Raphael,
Rubens, Corrcggic, Dürer, Fügcr, Kaulbach, Lessing, Schmorr, Hess
u. s. w. sind „Schaam?"

Ein eigenthümliches Ereignis) war vor einem Jahre die Erbitte¬
rung einiger Maler gegen die Kritiker der Tageblätter, die ihnen et¬
was stark die Wahrheit sagten. Einen „Professor'' an der Spitze, ver¬
schworen sich diese, nie mehr etwas in eine Ausstellung zu geben.

Zeigt schon der Umstand, daß die genannten Herrn nicht über
eine leichte Recension erhaben seien, von ihrer kleinlichen Bildung, so
ist es desto lächerlicher, sich als öffentlicher Charakter darüber auf¬
zuhalten, zumal man ans einer jeden Kritik etwas profitiren
kann. Die Professoren der hiesigen Akademie denken hierüber ganz
anders. Sie beschwerten sich bei ihrem hohen Protector, daß die Kri¬
tik sie bei ihren Schülern lächerlich mache und ihren materiellen In¬
teressen schade. Wirklich wurden die Wiener Redacteure sämmtlich zum
Polizeipräsidium eingeladen und ihnen aufgetragen, bei der kommenden
Kunstausstellung milder und aufmunternder gegen die Künstler sich zu
zeigen und im Falle eines scharfen Tadels wenigstens die Namen aus¬
zulassen. Zu gleicher Zeit erschien jedoch in der Augsburger allgem.
Zeitung (!) von hier aus ein Artikel über die Ausstellung, der scho¬
nungslos über dieselbe das Urtheil sprach. Indem der geistreiche Fürst
den Malern die locale Blamirung ersparen wollte, hielt er es grade
für seine Protector-Pflicht, sie durch ein auswärtiges Blatt die Wahr¬
heit hören zu lassen.

Um aber auch vou Allem zu sprechen, was einer Erwähnung
werth ist, so dürfen wir den Wiener Künstler Joh. Ney. Geiger nicht
übergehen, der, wenn auch kein philosophischer oder poetischer Kopf sich
doch zu einem der allerersten historischen Zeichner unserer Zeit hin¬
aufgeschwungen, der in seinen, mit der Feder gezeichneten Bilderchen
den Gipfel einer geistreichen Technik erreicht hat und hierin vivu kei¬
nem anderen Künstler übertreffen wird. Man sehe sein neuestes gro¬
ßes Wer! „Scenen aus der Geschichte Oesterreichs." Er ist der Stolz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/230>, abgerufen am 22.12.2024.