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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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und übermüthig, und solche Leute brauche man zu Staatsstreichen.
Cordova bemerkte dagegen mit höhnischem Lächeln, die Franzosen
verstünden Revolutionen zu machen, aber nicht, sie zu beendigen, darin
könnten sie von den spanischen Nachbarn etwas lernen! -- Aber ist
denn die spanische Revolution schon beendigt? -- fiel der alte Reden
lebhaft ein, -- mit blutigem Gemetzel ist es in solchen Fällen nicht
abgethan, sondern mit weiser Lenkung, und Spanien hat den guten
Rath der andern Mächte leider stets verschmäht! Graf Münster schrieb
mir neulich noch, ja er schrieb, daß das englische Ministerium vor Kurzem
aufs Neue..., das Weitere vernahm nur der Nächststehende, und Cor¬
dova hatte sich bereits entfernt. Nun wunderte man sich, was Alles man
ihm habe sagen dürfen; aber es hieß, ihm sei gar Nichts an politischen
Grundsätzen gelegen, er werde jeder Negierung seines Landes dienen,
die seinen Ehrgeiz nähre, und hier, in dieser Entfernung von Hause
halte er es nicht der Mühe werth, seine Gleichgiltigkeit zu verbergen.
Frau von Varnhagen rechnete es ihm zu Ehren an, daß er nicht
mehr als nöthig heuchle, daran erkenne man noch den letzten Rest
des Guten im Menschen, daß er des Schlechten nicht mehr thue,
als es sein Zweck unumgänglich erfordere: die völligen Schufte, die
aber immer auch die Pfuscher seien, thäten Alles gleich im Uebermaße,
in der Meinung, dann am sichersten zu gehen, doch daraus erfolge
ihnen gewöhnlich erst recht das Unheil. Schade, -- rief der preußi¬
sche General, -- daß Sie nicht fechten und Schach spielen; den leis¬
tenden Grundsatz für Beides haben Sie! --

Mehrere Personen hatten sich schon verzogen, als noch spät
Alerander von H. . . eintrat, und durch ihn die Gesellschaft neues
Leben empfing. Er kam aus dem Hofkreise, hatte dort "den In¬
famen", wie er scherzweise den jungen Herrn von Rothschild nannte,
gesehen und wichtige Neuigkeiten von Paris vernommen. Der Fürst
von Polignac setzte den Kampf gegen die Mehrheit der Deputaten-
kammer eigensinnig fort, und der Widerstand in der Nation wuchs
gefahrdrohend an. Es kam die Rede darauf, wiefern das katholische
Pfaffenbemühen in Frankreich wohl mit dein protestantischen in Deutsch¬
land eine Verbindung eingehen könne oder vielleicht schon habe? --
Keine Verbindung, wurde erwiedert, als nur die in der Gunst der
Jahreszeit liegt; mannichfaches Ungeziefer wird von demselben Son-
nenschein geweckt, das sich aber unter einander anfeindet und auf-


und übermüthig, und solche Leute brauche man zu Staatsstreichen.
Cordova bemerkte dagegen mit höhnischem Lächeln, die Franzosen
verstünden Revolutionen zu machen, aber nicht, sie zu beendigen, darin
könnten sie von den spanischen Nachbarn etwas lernen! — Aber ist
denn die spanische Revolution schon beendigt? — fiel der alte Reden
lebhaft ein, — mit blutigem Gemetzel ist es in solchen Fällen nicht
abgethan, sondern mit weiser Lenkung, und Spanien hat den guten
Rath der andern Mächte leider stets verschmäht! Graf Münster schrieb
mir neulich noch, ja er schrieb, daß das englische Ministerium vor Kurzem
aufs Neue..., das Weitere vernahm nur der Nächststehende, und Cor¬
dova hatte sich bereits entfernt. Nun wunderte man sich, was Alles man
ihm habe sagen dürfen; aber es hieß, ihm sei gar Nichts an politischen
Grundsätzen gelegen, er werde jeder Negierung seines Landes dienen,
die seinen Ehrgeiz nähre, und hier, in dieser Entfernung von Hause
halte er es nicht der Mühe werth, seine Gleichgiltigkeit zu verbergen.
Frau von Varnhagen rechnete es ihm zu Ehren an, daß er nicht
mehr als nöthig heuchle, daran erkenne man noch den letzten Rest
des Guten im Menschen, daß er des Schlechten nicht mehr thue,
als es sein Zweck unumgänglich erfordere: die völligen Schufte, die
aber immer auch die Pfuscher seien, thäten Alles gleich im Uebermaße,
in der Meinung, dann am sichersten zu gehen, doch daraus erfolge
ihnen gewöhnlich erst recht das Unheil. Schade, — rief der preußi¬
sche General, — daß Sie nicht fechten und Schach spielen; den leis¬
tenden Grundsatz für Beides haben Sie! —

Mehrere Personen hatten sich schon verzogen, als noch spät
Alerander von H. . . eintrat, und durch ihn die Gesellschaft neues
Leben empfing. Er kam aus dem Hofkreise, hatte dort „den In¬
famen", wie er scherzweise den jungen Herrn von Rothschild nannte,
gesehen und wichtige Neuigkeiten von Paris vernommen. Der Fürst
von Polignac setzte den Kampf gegen die Mehrheit der Deputaten-
kammer eigensinnig fort, und der Widerstand in der Nation wuchs
gefahrdrohend an. Es kam die Rede darauf, wiefern das katholische
Pfaffenbemühen in Frankreich wohl mit dein protestantischen in Deutsch¬
land eine Verbindung eingehen könne oder vielleicht schon habe? —
Keine Verbindung, wurde erwiedert, als nur die in der Gunst der
Jahreszeit liegt; mannichfaches Ungeziefer wird von demselben Son-
nenschein geweckt, das sich aber unter einander anfeindet und auf-


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[0212] und übermüthig, und solche Leute brauche man zu Staatsstreichen. Cordova bemerkte dagegen mit höhnischem Lächeln, die Franzosen verstünden Revolutionen zu machen, aber nicht, sie zu beendigen, darin könnten sie von den spanischen Nachbarn etwas lernen! — Aber ist denn die spanische Revolution schon beendigt? — fiel der alte Reden lebhaft ein, — mit blutigem Gemetzel ist es in solchen Fällen nicht abgethan, sondern mit weiser Lenkung, und Spanien hat den guten Rath der andern Mächte leider stets verschmäht! Graf Münster schrieb mir neulich noch, ja er schrieb, daß das englische Ministerium vor Kurzem aufs Neue..., das Weitere vernahm nur der Nächststehende, und Cor¬ dova hatte sich bereits entfernt. Nun wunderte man sich, was Alles man ihm habe sagen dürfen; aber es hieß, ihm sei gar Nichts an politischen Grundsätzen gelegen, er werde jeder Negierung seines Landes dienen, die seinen Ehrgeiz nähre, und hier, in dieser Entfernung von Hause halte er es nicht der Mühe werth, seine Gleichgiltigkeit zu verbergen. Frau von Varnhagen rechnete es ihm zu Ehren an, daß er nicht mehr als nöthig heuchle, daran erkenne man noch den letzten Rest des Guten im Menschen, daß er des Schlechten nicht mehr thue, als es sein Zweck unumgänglich erfordere: die völligen Schufte, die aber immer auch die Pfuscher seien, thäten Alles gleich im Uebermaße, in der Meinung, dann am sichersten zu gehen, doch daraus erfolge ihnen gewöhnlich erst recht das Unheil. Schade, — rief der preußi¬ sche General, — daß Sie nicht fechten und Schach spielen; den leis¬ tenden Grundsatz für Beides haben Sie! — Mehrere Personen hatten sich schon verzogen, als noch spät Alerander von H. . . eintrat, und durch ihn die Gesellschaft neues Leben empfing. Er kam aus dem Hofkreise, hatte dort „den In¬ famen", wie er scherzweise den jungen Herrn von Rothschild nannte, gesehen und wichtige Neuigkeiten von Paris vernommen. Der Fürst von Polignac setzte den Kampf gegen die Mehrheit der Deputaten- kammer eigensinnig fort, und der Widerstand in der Nation wuchs gefahrdrohend an. Es kam die Rede darauf, wiefern das katholische Pfaffenbemühen in Frankreich wohl mit dein protestantischen in Deutsch¬ land eine Verbindung eingehen könne oder vielleicht schon habe? — Keine Verbindung, wurde erwiedert, als nur die in der Gunst der Jahreszeit liegt; mannichfaches Ungeziefer wird von demselben Son- nenschein geweckt, das sich aber unter einander anfeindet und auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/212>, abgerufen am 22.12.2024.