zehn Jahre bei der Hofkanzlei angestellt; der Man" hat darüber seinen Kopf grau werden gesehen. Jetzt endlich ist er als Hofconzipist mit Gehalt nach Gmunden versetzt worden. Unter den Anekdoten, die man sich von diesem im Leben sehr kölnischen Kauz erzählt, ist auch die, daß er an den Kaiser Franz ein Gesuch um Beförderung einreichte und als Beleg dreißig Trauerspiele, die er geschrieben und die ihm in Ma¬ nuskript auf dem Hals geblieben sind, beifügte. Der Bote mußte die¬ ses Gesuch sammt seinen Beilagen buchstäblich in einem Korb auf dem Rücken in die Kanzlei tragen. -- Die Verhältnisse des Hofburgthca- terS sollen wieder eine Veränderung erleiden. Holbein, der von allen Seiten der unerquicklichsten Aengstlichkeit angeklagt wird, soll nicht mehr die oberste Leitung des Burgtheaters behalten; ein Hofintendant soll ihm als Vorgesetzter beigegeben werden. Man nennt als solchen Heu Landgrafen von Fürstenberg; andere bezeichnen jedoch den Oberst- Hofmeister der Kaiserin, den Grafen Moriz von Dietrichstein als sol¬ chen. -- Das neue Jahr war für die hiesige Journalistik nicht gün¬ stig; mit wenigen Ausnahmen haben alle Journale die Zahl ihrer Abonnenten sich mindern gesehen. Man gibt dafür mancherlei Ursachen an. Unter andern auch die, daß die Privatvereine, wie der kaufmän¬ nische, der juridisch-politische Verein :c. immer mehr anwachsen und die Privaten, von denen sonst jeder auf ein Journal für sich abonniren, dasselbe im Lesezimmer finden, wo ein Exemplar dreihundert speist. -- Der Carneval hat sehr flau begonnen. Die öffentlichen Bälle sind weniger besucht, als in früheren Jahren. Unter die Tänze ist eine Revolution gekommen; die Quadrille^ hat die Gallopade verdrängt. Das französische Princip hat das deutsche bei Seite geschoben, man tanzt nicht mehr so eng an einander, lyrisch, feurig; die Gcsellschafts- länzc nehmen überHand. In Frankreich conversirt man während solcher Tänze, in Wien ist das Conversiren noch in den Kinder¬ schuhen. Warum beginnt man mit den Füßen und nicht mit den Köpfen Frankreich zum Muster zu nehmen? -- Gegen Tengoborsky und seine Darstellung der österreichischen Finanzen ist die Polemik bei weitem noch nicht zu Ende. Ein hiesiger Advocat bereitet ein Haupt¬ werk zur Widerlegung vor: es wird den Titel führen: Die russische Kunst zu rechnen; der Verleger soll abermals Hoffmann und Campe sein. -- Karl Weck, der sich zwei Jahre unthätig in Oesterreich her¬ umgetrieben, reist wieder in's Ausland. Er hat eine neue Sammlung lyrischer Gedichte zum Druck bereit. -- Der "Preistarif der Zeitun- gen und Journale", welchen die hiesige Postamtsexpcditivn alljährlich publicirt und worin die erlaubten ausländischen Journale angegeben sind, hat dieses Mal lange auf sich warten lassen und erschien erst nach dem Neujahr. Hier folgt das nicht uninteressante Verzeichnis; der erlaubten Journale und Zeitschriften Deutschlands; man kann da¬ durch sehen, welche verboten sind (die wissenschaftlichen und technischen
zehn Jahre bei der Hofkanzlei angestellt; der Man» hat darüber seinen Kopf grau werden gesehen. Jetzt endlich ist er als Hofconzipist mit Gehalt nach Gmunden versetzt worden. Unter den Anekdoten, die man sich von diesem im Leben sehr kölnischen Kauz erzählt, ist auch die, daß er an den Kaiser Franz ein Gesuch um Beförderung einreichte und als Beleg dreißig Trauerspiele, die er geschrieben und die ihm in Ma¬ nuskript auf dem Hals geblieben sind, beifügte. Der Bote mußte die¬ ses Gesuch sammt seinen Beilagen buchstäblich in einem Korb auf dem Rücken in die Kanzlei tragen. — Die Verhältnisse des Hofburgthca- terS sollen wieder eine Veränderung erleiden. Holbein, der von allen Seiten der unerquicklichsten Aengstlichkeit angeklagt wird, soll nicht mehr die oberste Leitung des Burgtheaters behalten; ein Hofintendant soll ihm als Vorgesetzter beigegeben werden. Man nennt als solchen Heu Landgrafen von Fürstenberg; andere bezeichnen jedoch den Oberst- Hofmeister der Kaiserin, den Grafen Moriz von Dietrichstein als sol¬ chen. — Das neue Jahr war für die hiesige Journalistik nicht gün¬ stig; mit wenigen Ausnahmen haben alle Journale die Zahl ihrer Abonnenten sich mindern gesehen. Man gibt dafür mancherlei Ursachen an. Unter andern auch die, daß die Privatvereine, wie der kaufmän¬ nische, der juridisch-politische Verein :c. immer mehr anwachsen und die Privaten, von denen sonst jeder auf ein Journal für sich abonniren, dasselbe im Lesezimmer finden, wo ein Exemplar dreihundert speist. — Der Carneval hat sehr flau begonnen. Die öffentlichen Bälle sind weniger besucht, als in früheren Jahren. Unter die Tänze ist eine Revolution gekommen; die Quadrille^ hat die Gallopade verdrängt. Das französische Princip hat das deutsche bei Seite geschoben, man tanzt nicht mehr so eng an einander, lyrisch, feurig; die Gcsellschafts- länzc nehmen überHand. In Frankreich conversirt man während solcher Tänze, in Wien ist das Conversiren noch in den Kinder¬ schuhen. Warum beginnt man mit den Füßen und nicht mit den Köpfen Frankreich zum Muster zu nehmen? — Gegen Tengoborsky und seine Darstellung der österreichischen Finanzen ist die Polemik bei weitem noch nicht zu Ende. Ein hiesiger Advocat bereitet ein Haupt¬ werk zur Widerlegung vor: es wird den Titel führen: Die russische Kunst zu rechnen; der Verleger soll abermals Hoffmann und Campe sein. — Karl Weck, der sich zwei Jahre unthätig in Oesterreich her¬ umgetrieben, reist wieder in's Ausland. Er hat eine neue Sammlung lyrischer Gedichte zum Druck bereit. — Der „Preistarif der Zeitun- gen und Journale", welchen die hiesige Postamtsexpcditivn alljährlich publicirt und worin die erlaubten ausländischen Journale angegeben sind, hat dieses Mal lange auf sich warten lassen und erschien erst nach dem Neujahr. Hier folgt das nicht uninteressante Verzeichnis; der erlaubten Journale und Zeitschriften Deutschlands; man kann da¬ durch sehen, welche verboten sind (die wissenschaftlichen und technischen
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zehn Jahre bei der Hofkanzlei angestellt; der Man» hat darüber seinen
Kopf grau werden gesehen. Jetzt endlich ist er als Hofconzipist mit
Gehalt nach Gmunden versetzt worden. Unter den Anekdoten, die man
sich von diesem im Leben sehr kölnischen Kauz erzählt, ist auch die,
daß er an den Kaiser Franz ein Gesuch um Beförderung einreichte und
als Beleg dreißig Trauerspiele, die er geschrieben und die ihm in Ma¬
nuskript auf dem Hals geblieben sind, beifügte. Der Bote mußte die¬
ses Gesuch sammt seinen Beilagen buchstäblich in einem Korb auf dem
Rücken in die Kanzlei tragen. — Die Verhältnisse des Hofburgthca-
terS sollen wieder eine Veränderung erleiden. Holbein, der von allen
Seiten der unerquicklichsten Aengstlichkeit angeklagt wird, soll nicht
mehr die oberste Leitung des Burgtheaters behalten; ein Hofintendant
soll ihm als Vorgesetzter beigegeben werden. Man nennt als solchen
Heu Landgrafen von Fürstenberg; andere bezeichnen jedoch den Oberst-
Hofmeister der Kaiserin, den Grafen Moriz von Dietrichstein als sol¬
chen. — Das neue Jahr war für die hiesige Journalistik nicht gün¬
stig; mit wenigen Ausnahmen haben alle Journale die Zahl ihrer
Abonnenten sich mindern gesehen. Man gibt dafür mancherlei Ursachen
an. Unter andern auch die, daß die Privatvereine, wie der kaufmän¬
nische, der juridisch-politische Verein :c. immer mehr anwachsen und
die Privaten, von denen sonst jeder auf ein Journal für sich abonniren,
dasselbe im Lesezimmer finden, wo ein Exemplar dreihundert speist. —
Der Carneval hat sehr flau begonnen. Die öffentlichen Bälle sind
weniger besucht, als in früheren Jahren. Unter die Tänze ist eine
Revolution gekommen; die Quadrille^ hat die Gallopade verdrängt.
Das französische Princip hat das deutsche bei Seite geschoben, man
tanzt nicht mehr so eng an einander, lyrisch, feurig; die Gcsellschafts-
länzc nehmen überHand. In Frankreich conversirt man während
solcher Tänze, in Wien ist das Conversiren noch in den Kinder¬
schuhen. Warum beginnt man mit den Füßen und nicht mit den
Köpfen Frankreich zum Muster zu nehmen? — Gegen Tengoborsky
und seine Darstellung der österreichischen Finanzen ist die Polemik bei
weitem noch nicht zu Ende. Ein hiesiger Advocat bereitet ein Haupt¬
werk zur Widerlegung vor: es wird den Titel führen: Die russische
Kunst zu rechnen; der Verleger soll abermals Hoffmann und Campe
sein. — Karl Weck, der sich zwei Jahre unthätig in Oesterreich her¬
umgetrieben, reist wieder in's Ausland. Er hat eine neue Sammlung
lyrischer Gedichte zum Druck bereit. — Der „Preistarif der Zeitun-
gen und Journale", welchen die hiesige Postamtsexpcditivn alljährlich
publicirt und worin die erlaubten ausländischen Journale angegeben
sind, hat dieses Mal lange auf sich warten lassen und erschien erst
nach dem Neujahr. Hier folgt das nicht uninteressante Verzeichnis;
der erlaubten Journale und Zeitschriften Deutschlands; man kann da¬
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/204>, abgerufen am 22.12.2024.
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