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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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wolle'die Juden von einer 'Pfficht befreien, die man für ißrm Glau¬
benspflichten widersprechend §leid;^ man glaubte, ihnen eine Wohlthat,
eine Gnade "zu erweisen;- nun aber -die Meinung der Ju¬
den darüber bekannt wurde, nun.....da ' alle Stimmen, die laut
wurden, gegen diese Gnade protestirten, min ist eS Zeit, die Wvhl-
thätigkeitsmiene endlich aufzugeben. Es ist keine Wohlthat, wenn man
einem Menschen,, der keinen Hunger hat, den Mund mit Gewalt öff¬
net, und ihm den Bissen hinunterstößt. Es ist ganz gleich, ob man
einen Menschen zu Tode,kitzelt, oder zu Tode'schlägt. Die Juven
im- Großherzogthum Posen, sagt.man, haben sich das Staatsbürgern
recht verbeten. Was kümmert das die Juden in den andern Theilen
Preußens? Die Kön'göbcrger haben eine repräsentative Verfassung
verlangt. Hat man sich darum - beeilt, sie ihnen, oder den andern
Provinzen" zu-verleiben?- Dis° Rhei-nvrovinM-'haben Geschwornen-
Gerichte-und münduchcs Proceß-Verfahren. Hat man deshalb ir.
den andern Provinzen dieselben Institutionen sogleich eingeführt ? Wa¬
rum will man so schnell bereit sein, den Wünschen eines einzigen Be¬
zirks die Wünsche aller Andern zu opfern, sobald es sich um Zurück¬
nehmung eines Rechtes handelt, wahrend Man doch so harthörig ist,
wenn es sich um die Verleihung eines solchen handelt? Wir wollen
hier gar nichts einmal auf den Unterschied aufmerksam' machen,v der'
zwischen der Durchschnittsbildung in bei' Provinz Posen, ,'und der lo
den andern , Provinzen herrscht. Wir-''wollen nicht erst darauf,-.hin¬
deuten, daß die Juden in den Provinzen,'welche zu dein deutschen-
Bunde gehören, eine andere Berücksichtigung ansprechen dürfen - --.
eine solche-, die mit, , der in ' der Bundesakte versprochenen
Verbesserung ihrer, Verhältnisse im Einklange steht. Es'liegt dies so
klar vor Augen, daß jeder Unbefangene von selbst darauf-verfallen
muß: ' Wohl aber wollen- wir einige der Argumente des Herrn
Hermes-zu widerlegen suchen, weil sie durch die Ruhe, mit der' sie,
vorgetragen , den mit der Frage weniger vertrauten Theil des Puhu-^
tuas 'leicht verleiten, könnten, die Irrthümer zu theilen, die wir eine-in-'
Schriftsteller seiner Bedeutung nicht.zugetraut hätten. , Jene Moderne-
Schule des Staatsrechts,-'/sagt Herr Ol-. Hermes, ,/die den Staat nach'
allgemeinen'Grundsätzen aufbaut, ohne- sich um die gegebnen Verhält-i
Nisse zik-'bekliimnetn, erklärt es für einen Ueberrest inittela'leer'licher
Barbarei,'wenn'der Staat irgend einen Unterschied für seine Bür¬
ger durch ihre Glaubensbekenntnisse macht. Wir-'-aber' haben die
Ueberzeugung,/daß- nur ,die Religion'^ uns 'aus dem mangelhaften'Zu¬
stande, in dein wir uns befinden, zu einem höheren, besseren, reine-
r'en und sittlicheren einsehen' kann. Die Religion', von der wir-diese
Wirkung-mit Zuversicht erwarten,- ist die christliche, und alle unsere
Staatsgesellschaften sind deßhalb ihrem Wesen nach auf das Christen-,
thun begründet; alle unsere bürgerlichen Einrichtungen sind von dein
Geiste des Christenthumes durchdrungen. - Sollen wir diese- Grund-


wolle'die Juden von einer 'Pfficht befreien, die man für ißrm Glau¬
benspflichten widersprechend §leid;^ man glaubte, ihnen eine Wohlthat,
eine Gnade "zu erweisen;- nun aber -die Meinung der Ju¬
den darüber bekannt wurde, nun.....da ' alle Stimmen, die laut
wurden, gegen diese Gnade protestirten, min ist eS Zeit, die Wvhl-
thätigkeitsmiene endlich aufzugeben. Es ist keine Wohlthat, wenn man
einem Menschen,, der keinen Hunger hat, den Mund mit Gewalt öff¬
net, und ihm den Bissen hinunterstößt. Es ist ganz gleich, ob man
einen Menschen zu Tode,kitzelt, oder zu Tode'schlägt. Die Juven
im- Großherzogthum Posen, sagt.man, haben sich das Staatsbürgern
recht verbeten. Was kümmert das die Juden in den andern Theilen
Preußens? Die Kön'göbcrger haben eine repräsentative Verfassung
verlangt. Hat man sich darum - beeilt, sie ihnen, oder den andern
Provinzen" zu-verleiben?- Dis° Rhei-nvrovinM-'haben Geschwornen-
Gerichte-und münduchcs Proceß-Verfahren. Hat man deshalb ir.
den andern Provinzen dieselben Institutionen sogleich eingeführt ? Wa¬
rum will man so schnell bereit sein, den Wünschen eines einzigen Be¬
zirks die Wünsche aller Andern zu opfern, sobald es sich um Zurück¬
nehmung eines Rechtes handelt, wahrend Man doch so harthörig ist,
wenn es sich um die Verleihung eines solchen handelt? Wir wollen
hier gar nichts einmal auf den Unterschied aufmerksam' machen,v der'
zwischen der Durchschnittsbildung in bei' Provinz Posen, ,'und der lo
den andern , Provinzen herrscht. Wir-''wollen nicht erst darauf,-.hin¬
deuten, daß die Juden in den Provinzen,'welche zu dein deutschen-
Bunde gehören, eine andere Berücksichtigung ansprechen dürfen - —.
eine solche-, die mit, , der in ' der Bundesakte versprochenen
Verbesserung ihrer, Verhältnisse im Einklange steht. Es'liegt dies so
klar vor Augen, daß jeder Unbefangene von selbst darauf-verfallen
muß: ' Wohl aber wollen- wir einige der Argumente des Herrn
Hermes-zu widerlegen suchen, weil sie durch die Ruhe, mit der' sie,
vorgetragen , den mit der Frage weniger vertrauten Theil des Puhu-^
tuas 'leicht verleiten, könnten, die Irrthümer zu theilen, die wir eine-in-'
Schriftsteller seiner Bedeutung nicht.zugetraut hätten. , Jene Moderne-
Schule des Staatsrechts,-'/sagt Herr Ol-. Hermes, ,/die den Staat nach'
allgemeinen'Grundsätzen aufbaut, ohne- sich um die gegebnen Verhält-i
Nisse zik-'bekliimnetn, erklärt es für einen Ueberrest inittela'leer'licher
Barbarei,'wenn'der Staat irgend einen Unterschied für seine Bür¬
ger durch ihre Glaubensbekenntnisse macht. Wir-'-aber' haben die
Ueberzeugung,/daß- nur ,die Religion'^ uns 'aus dem mangelhaften'Zu¬
stande, in dein wir uns befinden, zu einem höheren, besseren, reine-
r'en und sittlicheren einsehen' kann. Die Religion', von der wir-diese
Wirkung-mit Zuversicht erwarten,- ist die christliche, und alle unsere
Staatsgesellschaften sind deßhalb ihrem Wesen nach auf das Christen-,
thun begründet; alle unsere bürgerlichen Einrichtungen sind von dein
Geiste des Christenthumes durchdrungen. - Sollen wir diese- Grund-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/731>, abgerufen am 02.07.2024.