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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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stadt concentrirt sahen/ se Hatten sie mit scheinbarer Resignation sich
unterworfen. Einige Tage nacheinandex begaben sie sich auf den At-
Mei'dan (Pferdeplatz)/ wo sie unter 'der Leitung des Sultans ihr?
neuen Uebungen begannen; aber man konnte leicht bemerken, daß das
Feuer, nur schlecht erloschen, unter der Asche -foxtglimmte, und daß es
nur eines einzigen Funkens bedürfte, um einen hellen Brand hervor¬
zurufen. '. -. " . /

Von ' Selim hatte die türkische Negierung aus zweifachen Grün¬
den sich zu der Annahme' berechtigt geglaubt, er werde ein Beförderer
der neuen, zur europäischen Civilisation sich hinneigenden Ideen sein;
einmal, weil er selbst im Auslande Gelegenheit gehabt, die Ueberle-
genheit und die bedeutenden Vortheile disciplinirter Truppen kennen
und würdigen zu lernen, und andern Theils/ weil bei der in den
Nationalsitten begründeten, bei ,^ihm'durch Erziehung-und Charakter
-nur noch vermehrten Ehrfurcht vor der' väterlichen Autorität Man von
ihm eine Unbedingte Unterwerfung unter die Meinung seines, wie wir
oben erzählt haben, vom Sultan für die neuen Ideen gewonnenen
Vaters Capussi, Aga der Janitscharen/ erwartete. Und vielleicht, oder
vielmehr sehr wahrscheinlich würde auch bei gewöhnlicher Lage der
Dinge Selim ein eifriger Beförderer der großherrlichen 'Neuerungen
gewesen sein; aber die Umstände' änderten, wie bei so vielen Menschen,
seine Ansichten und Handlungen.

Selim, wuthentflammt und nach Rache dürstend, begann in der
von ihm befehligten Orta (Regiment) Ideen der Empörung gegen
den Willen des.Großherrn zu verbreiten. Die geheiligten Namen'
,/Vaterland und Religion" sind es, die ihm dazu dienen, dem Auf¬
stande eine Bahn zu eröffnen.

-- "Wie! man will christliche Einrichtungen in Constantinopel
einführen! Das ist ein Umsturz des Gesetzes, das der Prophet ge¬
geben. .Man muß den Islam vertheidige^-; man muß in Mcqse ge¬
gen diese Neuerungen sich aussehnen. Wir haben, unser Blut vergos¬
sen, um die Ungläubigen außerhalb Msrer Mauern zu vernichten;
und wir sollten die weit furchtbareren, weit verderblicheren Ungläu¬
bigen geduldig ertragen, die indeß in,un>rer eigenen Mitte sich , erho¬
ben haben! , Nein! Der Sultan, selbst hat es uns gesagt: Wen-


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stadt concentrirt sahen/ se Hatten sie mit scheinbarer Resignation sich
unterworfen. Einige Tage nacheinandex begaben sie sich auf den At-
Mei'dan (Pferdeplatz)/ wo sie unter 'der Leitung des Sultans ihr?
neuen Uebungen begannen; aber man konnte leicht bemerken, daß das
Feuer, nur schlecht erloschen, unter der Asche -foxtglimmte, und daß es
nur eines einzigen Funkens bedürfte, um einen hellen Brand hervor¬
zurufen. '. -. " . /

Von ' Selim hatte die türkische Negierung aus zweifachen Grün¬
den sich zu der Annahme' berechtigt geglaubt, er werde ein Beförderer
der neuen, zur europäischen Civilisation sich hinneigenden Ideen sein;
einmal, weil er selbst im Auslande Gelegenheit gehabt, die Ueberle-
genheit und die bedeutenden Vortheile disciplinirter Truppen kennen
und würdigen zu lernen, und andern Theils/ weil bei der in den
Nationalsitten begründeten, bei ,^ihm'durch Erziehung-und Charakter
-nur noch vermehrten Ehrfurcht vor der' väterlichen Autorität Man von
ihm eine Unbedingte Unterwerfung unter die Meinung seines, wie wir
oben erzählt haben, vom Sultan für die neuen Ideen gewonnenen
Vaters Capussi, Aga der Janitscharen/ erwartete. Und vielleicht, oder
vielmehr sehr wahrscheinlich würde auch bei gewöhnlicher Lage der
Dinge Selim ein eifriger Beförderer der großherrlichen 'Neuerungen
gewesen sein; aber die Umstände' änderten, wie bei so vielen Menschen,
seine Ansichten und Handlungen.

Selim, wuthentflammt und nach Rache dürstend, begann in der
von ihm befehligten Orta (Regiment) Ideen der Empörung gegen
den Willen des.Großherrn zu verbreiten. Die geheiligten Namen'
,/Vaterland und Religion" sind es, die ihm dazu dienen, dem Auf¬
stande eine Bahn zu eröffnen.

— »Wie! man will christliche Einrichtungen in Constantinopel
einführen! Das ist ein Umsturz des Gesetzes, das der Prophet ge¬
geben. .Man muß den Islam vertheidige^-; man muß in Mcqse ge¬
gen diese Neuerungen sich aussehnen. Wir haben, unser Blut vergos¬
sen, um die Ungläubigen außerhalb Msrer Mauern zu vernichten;
und wir sollten die weit furchtbareren, weit verderblicheren Ungläu¬
bigen geduldig ertragen, die indeß in,un>rer eigenen Mitte sich , erho¬
ben haben! , Nein! Der Sultan, selbst hat es uns gesagt: Wen-


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[0715] sich beraubh u«d.««Vrevseits bedeutende Truppenmassen inderHaM- stadt concentrirt sahen/ se Hatten sie mit scheinbarer Resignation sich unterworfen. Einige Tage nacheinandex begaben sie sich auf den At- Mei'dan (Pferdeplatz)/ wo sie unter 'der Leitung des Sultans ihr? neuen Uebungen begannen; aber man konnte leicht bemerken, daß das Feuer, nur schlecht erloschen, unter der Asche -foxtglimmte, und daß es nur eines einzigen Funkens bedürfte, um einen hellen Brand hervor¬ zurufen. '. -. " . / Von ' Selim hatte die türkische Negierung aus zweifachen Grün¬ den sich zu der Annahme' berechtigt geglaubt, er werde ein Beförderer der neuen, zur europäischen Civilisation sich hinneigenden Ideen sein; einmal, weil er selbst im Auslande Gelegenheit gehabt, die Ueberle- genheit und die bedeutenden Vortheile disciplinirter Truppen kennen und würdigen zu lernen, und andern Theils/ weil bei der in den Nationalsitten begründeten, bei ,^ihm'durch Erziehung-und Charakter -nur noch vermehrten Ehrfurcht vor der' väterlichen Autorität Man von ihm eine Unbedingte Unterwerfung unter die Meinung seines, wie wir oben erzählt haben, vom Sultan für die neuen Ideen gewonnenen Vaters Capussi, Aga der Janitscharen/ erwartete. Und vielleicht, oder vielmehr sehr wahrscheinlich würde auch bei gewöhnlicher Lage der Dinge Selim ein eifriger Beförderer der großherrlichen 'Neuerungen gewesen sein; aber die Umstände' änderten, wie bei so vielen Menschen, seine Ansichten und Handlungen. Selim, wuthentflammt und nach Rache dürstend, begann in der von ihm befehligten Orta (Regiment) Ideen der Empörung gegen den Willen des.Großherrn zu verbreiten. Die geheiligten Namen' ,/Vaterland und Religion" sind es, die ihm dazu dienen, dem Auf¬ stande eine Bahn zu eröffnen. — »Wie! man will christliche Einrichtungen in Constantinopel einführen! Das ist ein Umsturz des Gesetzes, das der Prophet ge¬ geben. .Man muß den Islam vertheidige^-; man muß in Mcqse ge¬ gen diese Neuerungen sich aussehnen. Wir haben, unser Blut vergos¬ sen, um die Ungläubigen außerhalb Msrer Mauern zu vernichten; und wir sollten die weit furchtbareren, weit verderblicheren Ungläu¬ bigen geduldig ertragen, die indeß in,un>rer eigenen Mitte sich , erho¬ ben haben! , Nein! Der Sultan, selbst hat es uns gesagt: Wen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/715>, abgerufen am 23.07.2024.