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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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land geschah, bevor-das Hochdeutsche an der Hand der Rcformatiött M nieder,
deutschen Mundarten in sich aufgenommen,, alle nieder-deutsche Schriftsprache-'un¬
möglich gemacht hatte;,es war also,nur die instinctmäßige Fcsthnltuiig eines her¬
gebrachten Zustandes wenn das Friesische, dem von der ältesten Zelt her die Rechte
eine", edeln Sprache nicht entzogen worden waren, sich min als Holländisch ^fort¬
entwickelte, und das Seine beitrug, um den vereinigten Provinzen etwas zu geben,'
das aussah wie, Nationalität. Man kann in sofern das Holländische dem Deutschen
gegenüberstellen, wie>d,as,Portugiesische dem Castilischen,, Politisch mag eS Werth
haben, auf diese Weise einer Mundart das Recht der Schriftsprache zu verschaffen,
sie ist aber immer nur durch eine Hinterthür in den hohen Rath der europäischen
Zungen hcrcingeschlichcn, und entbehrt der eigentlichen Weise^ des gottgeboreiicü
Rechtes. Ein andrer deutscher Stamm, der sich Politisch ebenfalls von Deutschland
sonderte, der alemannische, hat versäumt, diesen Schritt durch Erhebung seiner
Mundart zur Schriftsprache zu vollenden. Nun sagt, wenn ich nicht irre, H.Leo:
"Holland ist arm in seinem Reichthum, die Schweiz ist reich in ihrer Armuth."
Bedenkt man, wie dürftig die holländische Literatur durch jenen Versuch einer eige¬
nen Haushaltung geblieben ist, wie sie mit ihrer herrlich rcinbcwahrtcn, sorgsam
ausgebildeten Sprache doch nichts anzufangen weiß, und wie dagegen die Schweiz
ohne einen solchen Privatbesitz doch durch das gerettete geistige Band die reiche'
Quelle-der ,deutschen, Bildung, sich offen erhalten, hat, so darf man,-nicht'fragen^
wo, .der glücklichere Wurf gefallen sei. ^'Die Holländer selbst fanget! am,' diese ein¬
zusehen^ aber eines>,dnß solche, Fehltritte schwer oder gar nicht gut-zu Mächen sind.

Völlig verschieden ist das Schicksal der nieder-deutschen Mundart in Belgien.
Wenn gleich die Mehrzahl der sogenannten Belgier gute flämische Germanen sind,
nämlich 2 ^2 Millionen gegen 11^S Millionen Wnclen, so ist doch das germani¬
sche, Wesen gegen das Romanische seit langer Zeit im Nachtheil, ungefähr wie in
Böhmen das slawische gegenüber demi Deutschen. In Belgien wie in Böhmen
hat die herrschende,Volkssprache das Unglück, von dem Mittelpunkte, wo ihre ver¬
edelte Schwester,gebietet,, weit entfernt und'politisch geschieden Zu sein, dagegen"
ziemlich nah gerückt dem glänzenderen Kreis einer fremden Sprache. Wie'um
Saume von Böhmen g egen Deutschland hin dus Deutsche sogar als Volksnmndart
herrscht, so am Saume von Belgien das Französische; wie in der Hauptstadt und
bei den höheren Stauden Böhmens die Sprache von Wien, so in Brüssel und im
Umgang^gebildeter Belgier die Sprache^von Paris. Dieses Verhältniß ist so alt,
als die Hcrrfcha.ff des burgundischen Hauses:, w,as,kynntc deutsche,,Kunst und, Sitte
bieten , gegenüber, diesem, glänzenden Hof, ,,im> jener Zeit dem ersten Europa'S an
Pracht und seiner Sitte!!, So,lang,Oesterreich regierte-,>,hielt sich, die Opposition,
dieser unruhigen Provinzen, natürlich, an französische,Ideen und stanzösischcSprache.--


land geschah, bevor-das Hochdeutsche an der Hand der Rcformatiött M nieder,
deutschen Mundarten in sich aufgenommen,, alle nieder-deutsche Schriftsprache-'un¬
möglich gemacht hatte;,es war also,nur die instinctmäßige Fcsthnltuiig eines her¬
gebrachten Zustandes wenn das Friesische, dem von der ältesten Zelt her die Rechte
eine«, edeln Sprache nicht entzogen worden waren, sich min als Holländisch ^fort¬
entwickelte, und das Seine beitrug, um den vereinigten Provinzen etwas zu geben,'
das aussah wie, Nationalität. Man kann in sofern das Holländische dem Deutschen
gegenüberstellen, wie>d,as,Portugiesische dem Castilischen,, Politisch mag eS Werth
haben, auf diese Weise einer Mundart das Recht der Schriftsprache zu verschaffen,
sie ist aber immer nur durch eine Hinterthür in den hohen Rath der europäischen
Zungen hcrcingeschlichcn, und entbehrt der eigentlichen Weise^ des gottgeboreiicü
Rechtes. Ein andrer deutscher Stamm, der sich Politisch ebenfalls von Deutschland
sonderte, der alemannische, hat versäumt, diesen Schritt durch Erhebung seiner
Mundart zur Schriftsprache zu vollenden. Nun sagt, wenn ich nicht irre, H.Leo:
»Holland ist arm in seinem Reichthum, die Schweiz ist reich in ihrer Armuth."
Bedenkt man, wie dürftig die holländische Literatur durch jenen Versuch einer eige¬
nen Haushaltung geblieben ist, wie sie mit ihrer herrlich rcinbcwahrtcn, sorgsam
ausgebildeten Sprache doch nichts anzufangen weiß, und wie dagegen die Schweiz
ohne einen solchen Privatbesitz doch durch das gerettete geistige Band die reiche'
Quelle-der ,deutschen, Bildung, sich offen erhalten, hat, so darf man,-nicht'fragen^
wo, .der glücklichere Wurf gefallen sei. ^'Die Holländer selbst fanget! am,' diese ein¬
zusehen^ aber eines>,dnß solche, Fehltritte schwer oder gar nicht gut-zu Mächen sind.

Völlig verschieden ist das Schicksal der nieder-deutschen Mundart in Belgien.
Wenn gleich die Mehrzahl der sogenannten Belgier gute flämische Germanen sind,
nämlich 2 ^2 Millionen gegen 11^S Millionen Wnclen, so ist doch das germani¬
sche, Wesen gegen das Romanische seit langer Zeit im Nachtheil, ungefähr wie in
Böhmen das slawische gegenüber demi Deutschen. In Belgien wie in Böhmen
hat die herrschende,Volkssprache das Unglück, von dem Mittelpunkte, wo ihre ver¬
edelte Schwester,gebietet,, weit entfernt und'politisch geschieden Zu sein, dagegen"
ziemlich nah gerückt dem glänzenderen Kreis einer fremden Sprache. Wie'um
Saume von Böhmen g egen Deutschland hin dus Deutsche sogar als Volksnmndart
herrscht, so am Saume von Belgien das Französische; wie in der Hauptstadt und
bei den höheren Stauden Böhmens die Sprache von Wien, so in Brüssel und im
Umgang^gebildeter Belgier die Sprache^von Paris. Dieses Verhältniß ist so alt,
als die Hcrrfcha.ff des burgundischen Hauses:, w,as,kynntc deutsche,,Kunst und, Sitte
bieten , gegenüber, diesem, glänzenden Hof, ,,im> jener Zeit dem ersten Europa'S an
Pracht und seiner Sitte!!, So,lang,Oesterreich regierte-,>,hielt sich, die Opposition,
dieser unruhigen Provinzen, natürlich, an französische,Ideen und stanzösischcSprache.--


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/700>, abgerufen am 21.06.2024.