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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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vor Kurzem die schmeichlerischen Wechselnden der Liebe sie gefesselt
hatten.--

Der Morgen war schon weit vorgerückt, als Fräulein von
Baude in die Gemächer der Prinzessin Margaretha von Oesterreich
trat. --

-- Wie kommst Du heute so spät? fragte die Fürstin.

-- Wolle Eure Hohheit mir verzeihen, erwiderte das Mäd¬
chen. Ich bedürfte aller Kraft der Liebe und Ergebenheit, die ich
gegen Eure Hohheit empfinde, um bis l/ieber zu kommen.

-- Was ist Dir, mein Kind, fragte die Fürstin mit mütterli¬
cher Sorge und Theilnahme.

-- O, ich leide schwer! sprach das Fräulein.

-- Setze Dich nieder, Du bist ja bleich, und siehst krank aus,
sagte Margarethe Das junge Mädchen setzte sich zur Seite der ed¬
len Frau; diese faßte liebevoll ihre Hände, und suchte mit Blick und
Stimme ihren Kummer vor ihr zu erfragen. Margaretha hatte selbst
die härtesten Wechsclschläge des Schicksals erfahren; sie verstand den
fremden Schmerz; das Leben und natürliche Herzensgüte stimmten ihr
Gemüth zu zärtlichem Mitgefühl für Andere. Der Kummer, der
sich auf dem Angesichte des Mädchens malte, regte das Innerste ih¬
rer Seele auf; sie schien die quillende Thräne zurückzudrängen, schien
die Erinnerung an eignes Leid in sich zu ersticken. Noch hielt sie
Amalien bei der Hand, und drückte einen Kuß auf ihre Stirne.

--Beruhige Dich, mein Kind, sprach sie mit mildem, feierlichem
Ton. Gott wird den Schmerz, womit er Dich jetzt prüft, wieder
von Dir nehmen. Du weißt ja, daß er Alles zu unserm Heile lei¬
tet. Erzähle mir die Ursache Deines Kummers, vertraue Dich mir,
wie Deiner Mutter und Freundin.

Kaum hatte sie so gesprochen, als die Thüre des Gemachs auf¬
ging, und eine Hofdame, von Schrecken außer sich, die Hände rin¬
gend, hereinstürzte. -- Was giebt es? fragte Margaretha, was ist
es, daß Ihr uns so erschreckt? -- Verzeihung, edle Frau! stammelte
die Kammerfrau. O, es ist schrecklich zu sagen! -- Sagt es, waS
es auch sei! rief die Fürstin, erbleichend, aber mit Fassung. -- Al¬
lein die Frau vermochte kaum zu athmen, sie sank fast ohnmächtig
nieder. -- Was es ist? schrie sie, Herr Gott, mit eignen Augen habe
ich's gesehen! Ritter Launoy . . . '


vor Kurzem die schmeichlerischen Wechselnden der Liebe sie gefesselt
hatten.--

Der Morgen war schon weit vorgerückt, als Fräulein von
Baude in die Gemächer der Prinzessin Margaretha von Oesterreich
trat. —

— Wie kommst Du heute so spät? fragte die Fürstin.

— Wolle Eure Hohheit mir verzeihen, erwiderte das Mäd¬
chen. Ich bedürfte aller Kraft der Liebe und Ergebenheit, die ich
gegen Eure Hohheit empfinde, um bis l/ieber zu kommen.

— Was ist Dir, mein Kind, fragte die Fürstin mit mütterli¬
cher Sorge und Theilnahme.

— O, ich leide schwer! sprach das Fräulein.

— Setze Dich nieder, Du bist ja bleich, und siehst krank aus,
sagte Margarethe Das junge Mädchen setzte sich zur Seite der ed¬
len Frau; diese faßte liebevoll ihre Hände, und suchte mit Blick und
Stimme ihren Kummer vor ihr zu erfragen. Margaretha hatte selbst
die härtesten Wechsclschläge des Schicksals erfahren; sie verstand den
fremden Schmerz; das Leben und natürliche Herzensgüte stimmten ihr
Gemüth zu zärtlichem Mitgefühl für Andere. Der Kummer, der
sich auf dem Angesichte des Mädchens malte, regte das Innerste ih¬
rer Seele auf; sie schien die quillende Thräne zurückzudrängen, schien
die Erinnerung an eignes Leid in sich zu ersticken. Noch hielt sie
Amalien bei der Hand, und drückte einen Kuß auf ihre Stirne.

—Beruhige Dich, mein Kind, sprach sie mit mildem, feierlichem
Ton. Gott wird den Schmerz, womit er Dich jetzt prüft, wieder
von Dir nehmen. Du weißt ja, daß er Alles zu unserm Heile lei¬
tet. Erzähle mir die Ursache Deines Kummers, vertraue Dich mir,
wie Deiner Mutter und Freundin.

Kaum hatte sie so gesprochen, als die Thüre des Gemachs auf¬
ging, und eine Hofdame, von Schrecken außer sich, die Hände rin¬
gend, hereinstürzte. — Was giebt es? fragte Margaretha, was ist
es, daß Ihr uns so erschreckt? — Verzeihung, edle Frau! stammelte
die Kammerfrau. O, es ist schrecklich zu sagen! — Sagt es, waS
es auch sei! rief die Fürstin, erbleichend, aber mit Fassung. — Al¬
lein die Frau vermochte kaum zu athmen, sie sank fast ohnmächtig
nieder. — Was es ist? schrie sie, Herr Gott, mit eignen Augen habe
ich's gesehen! Ritter Launoy . . . '


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/655>, abgerufen am 23.07.2024.