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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Gleich und gleich den Dank zu wägen,
Müßt ihr schöne Worte zollen!

-- Das ist traun eine sonderbare Lehre, und noch verwunderlicher
,'se die Folgsamkeit des schönen Kindes, sagte von Laurop, ,der kein
Auge von Amalie von Vaude verwandte. Sie treibt es aber noch
weiter, als der Spruch der Lehrmeisterin ihr vorschreibt; denn ihr
Mund ist so karg, wie ihr Herz gefühllos. Bei dem guten Rathe:

Gleich und gleich den Dank zu wägen.
Müßt ihr schöne Worte zollen!

geht sie, meiner Treu, nicht ganz ehrlich zu Werke; kaum hat mau
noch den Laut ihrer schönen Lippen vernehmen können!

-- Mag wohl sein, versetzte von Baume, soviel ist gewiß, daß
sie kalt, eisig ist, daß sie Alle verachtet, die sich erkühnen, ihr von
Liebe zu reden, daß sie alle Schwüre, alle Huldigungen zurückstößt,
selbst die des edlen Herrn von Se.Aldegoude, der, wie Du siehst, sich
alle erdenkliche Mühe giebt, einen freundlichen Blick von ihr zu er¬
haschen.

Laurop runzelte finster die Stirne, eine Wolke des Unmuths
überflog sein Gesicht; denn in der That, der Edle von Se. Aldegonde
neigte sich eben jetzt über den Rand des Armstuhls, in welchem die
junge Dame saß.

Philipp von Marnir, Edler zu Mont-Sainte-Aldegonde, derselbe,
dessen Sohn später die zweifelhaften Verdienste des Prinzen von Par¬
ma so Hochpreisen und eine Revolution offen verdammen sollte, der
er mit dem Degen so tapfere Dienste geleistet hatte, gehörte einen: der
angesehensten Häuser des Landes an. Die Sterne seines Wappens
strahlten in einem Glänze, der von den stolzesten Schildern des Lan¬
des nicht verdunkelt wurde. Er selbst wird in den Chroniken als ei¬
ner der bravsten und trefflichsten Cavaliere geschildert, die den Hof
Margarethens zierten, an dem sich so viele vornehme Herrn aus der
Fremde zusammenfanden. Ueberdies besaß er außer einem angeschrien
Namen alle jene Vorzüge, welche den Ruhm einer edlen Abkunft nur
erhöhen können, Geist, Jugend, Schönheit, Reichthum. Mehr als
Eine Frau würde sich glücklich geschätzt haben, wenn seine Neigung
auf sie gefallen wäre; mehr als Eine hätte sich geschmeichelt gefühlt,


Gleich und gleich den Dank zu wägen,
Müßt ihr schöne Worte zollen!

— Das ist traun eine sonderbare Lehre, und noch verwunderlicher
,'se die Folgsamkeit des schönen Kindes, sagte von Laurop, ,der kein
Auge von Amalie von Vaude verwandte. Sie treibt es aber noch
weiter, als der Spruch der Lehrmeisterin ihr vorschreibt; denn ihr
Mund ist so karg, wie ihr Herz gefühllos. Bei dem guten Rathe:

Gleich und gleich den Dank zu wägen.
Müßt ihr schöne Worte zollen!

geht sie, meiner Treu, nicht ganz ehrlich zu Werke; kaum hat mau
noch den Laut ihrer schönen Lippen vernehmen können!

— Mag wohl sein, versetzte von Baume, soviel ist gewiß, daß
sie kalt, eisig ist, daß sie Alle verachtet, die sich erkühnen, ihr von
Liebe zu reden, daß sie alle Schwüre, alle Huldigungen zurückstößt,
selbst die des edlen Herrn von Se.Aldegoude, der, wie Du siehst, sich
alle erdenkliche Mühe giebt, einen freundlichen Blick von ihr zu er¬
haschen.

Laurop runzelte finster die Stirne, eine Wolke des Unmuths
überflog sein Gesicht; denn in der That, der Edle von Se. Aldegonde
neigte sich eben jetzt über den Rand des Armstuhls, in welchem die
junge Dame saß.

Philipp von Marnir, Edler zu Mont-Sainte-Aldegonde, derselbe,
dessen Sohn später die zweifelhaften Verdienste des Prinzen von Par¬
ma so Hochpreisen und eine Revolution offen verdammen sollte, der
er mit dem Degen so tapfere Dienste geleistet hatte, gehörte einen: der
angesehensten Häuser des Landes an. Die Sterne seines Wappens
strahlten in einem Glänze, der von den stolzesten Schildern des Lan¬
des nicht verdunkelt wurde. Er selbst wird in den Chroniken als ei¬
ner der bravsten und trefflichsten Cavaliere geschildert, die den Hof
Margarethens zierten, an dem sich so viele vornehme Herrn aus der
Fremde zusammenfanden. Ueberdies besaß er außer einem angeschrien
Namen alle jene Vorzüge, welche den Ruhm einer edlen Abkunft nur
erhöhen können, Geist, Jugend, Schönheit, Reichthum. Mehr als
Eine Frau würde sich glücklich geschätzt haben, wenn seine Neigung
auf sie gefallen wäre; mehr als Eine hätte sich geschmeichelt gefühlt,


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[0647] Gleich und gleich den Dank zu wägen, Müßt ihr schöne Worte zollen! — Das ist traun eine sonderbare Lehre, und noch verwunderlicher ,'se die Folgsamkeit des schönen Kindes, sagte von Laurop, ,der kein Auge von Amalie von Vaude verwandte. Sie treibt es aber noch weiter, als der Spruch der Lehrmeisterin ihr vorschreibt; denn ihr Mund ist so karg, wie ihr Herz gefühllos. Bei dem guten Rathe: Gleich und gleich den Dank zu wägen. Müßt ihr schöne Worte zollen! geht sie, meiner Treu, nicht ganz ehrlich zu Werke; kaum hat mau noch den Laut ihrer schönen Lippen vernehmen können! — Mag wohl sein, versetzte von Baume, soviel ist gewiß, daß sie kalt, eisig ist, daß sie Alle verachtet, die sich erkühnen, ihr von Liebe zu reden, daß sie alle Schwüre, alle Huldigungen zurückstößt, selbst die des edlen Herrn von Se.Aldegoude, der, wie Du siehst, sich alle erdenkliche Mühe giebt, einen freundlichen Blick von ihr zu er¬ haschen. Laurop runzelte finster die Stirne, eine Wolke des Unmuths überflog sein Gesicht; denn in der That, der Edle von Se. Aldegonde neigte sich eben jetzt über den Rand des Armstuhls, in welchem die junge Dame saß. Philipp von Marnir, Edler zu Mont-Sainte-Aldegonde, derselbe, dessen Sohn später die zweifelhaften Verdienste des Prinzen von Par¬ ma so Hochpreisen und eine Revolution offen verdammen sollte, der er mit dem Degen so tapfere Dienste geleistet hatte, gehörte einen: der angesehensten Häuser des Landes an. Die Sterne seines Wappens strahlten in einem Glänze, der von den stolzesten Schildern des Lan¬ des nicht verdunkelt wurde. Er selbst wird in den Chroniken als ei¬ ner der bravsten und trefflichsten Cavaliere geschildert, die den Hof Margarethens zierten, an dem sich so viele vornehme Herrn aus der Fremde zusammenfanden. Ueberdies besaß er außer einem angeschrien Namen alle jene Vorzüge, welche den Ruhm einer edlen Abkunft nur erhöhen können, Geist, Jugend, Schönheit, Reichthum. Mehr als Eine Frau würde sich glücklich geschätzt haben, wenn seine Neigung auf sie gefallen wäre; mehr als Eine hätte sich geschmeichelt gefühlt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/647>, abgerufen am 22.12.2024.