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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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verschlingende Gesellschaft ein schimmerndes Licht. Dazwischen tönte
Huc Unterbrechung eine kräftige Musik, welche die Schritte der Tan¬
zenden zu regieren schien. Mit Entzücken schaute man, mit Entzücken
hörte man dem Allen, zu. ^

Indessen konnte man zwei junge Cavaliere gewahr werden, welche
sich.nicht in vie allgemeine Lust mischen zu wollen schienen. Beide
standen an eine der Säulen des berühmten Bettes gelehnt, von dem
man erzählt, daß es für fünfzig Personen Raum hatte, und das
auch Albrecht Dürer in dem Pallast Nassau besichtigt haben soll, als
er im Jahr 1521 eine Reise nach den Niederlanden machte. Eine
Zeit lang verharrten die beiden Männer unbeweglich in dieser Stel¬
lung, bis der Eine das Stillschweigen mit den Worten unterbrach:

-- Das schönste Weib in Flandern, und auch nicht einen ein¬
zigen Anbeter annehmen zu wollen! Das ist fürwahr ein ganz uner¬
hörtes Ding, mein tapferer Hauptmann von Baume! Das Fräulein
von Baude hat also, so schön sie ist, kein Herz?

-- Ob sie ein Herz.habe, werthester von Laurop, das weiß
man bis auf diesen Tag nicht, versetzte sein Nachbar. - Und freilich
ist es nicht leicht, die Sache auszumitteln, wenn man erwägt, daß
bereits eine so große Zahl Cavaliere sich umsonst abgemüht haben,
den Punkt in Erfahrung zu bringen.

-- Sie hat ein sehr stolzes, kaltes Aussehen, bemerkte der
Erstere.

-- Und so ist sie auch in Wahrheit, erwiederte der Andere.

-- Wie es sich damit auch verhalten möge, das ist, bei mei¬
nem Leben, das schönste Weib, das ich noch gesehen habe, murmelte
Jener zwischen den Zähnen.

-- Und doch mußt Du deren gar herrliche gesehen haben, Du,
der Du mit Aug'und Schwert alle Winkel Italiens durchmustert hast,
warf ihm der Andere ein.

Auf dieses Zwiegespräch folgte abermals Stillschweigen, während
dessen die beiden Herren nicht abließen, ihre Blicke auf eine junge
Dame zu richten, die nachläßig in einem ungeheuren sammetnen Lehn¬
stuhl saß, neben der Dame des Hauses, und mit den Pfauenfedern
spielte, aus denen ihr Fächer gemacht war.

Fürwahr, wer diese reizende Gestalt betrachtete, dem mußte das
Herz vor Bewunderung klopfen, der konnte sein bezaubertes Auge


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verschlingende Gesellschaft ein schimmerndes Licht. Dazwischen tönte
Huc Unterbrechung eine kräftige Musik, welche die Schritte der Tan¬
zenden zu regieren schien. Mit Entzücken schaute man, mit Entzücken
hörte man dem Allen, zu. ^

Indessen konnte man zwei junge Cavaliere gewahr werden, welche
sich.nicht in vie allgemeine Lust mischen zu wollen schienen. Beide
standen an eine der Säulen des berühmten Bettes gelehnt, von dem
man erzählt, daß es für fünfzig Personen Raum hatte, und das
auch Albrecht Dürer in dem Pallast Nassau besichtigt haben soll, als
er im Jahr 1521 eine Reise nach den Niederlanden machte. Eine
Zeit lang verharrten die beiden Männer unbeweglich in dieser Stel¬
lung, bis der Eine das Stillschweigen mit den Worten unterbrach:

— Das schönste Weib in Flandern, und auch nicht einen ein¬
zigen Anbeter annehmen zu wollen! Das ist fürwahr ein ganz uner¬
hörtes Ding, mein tapferer Hauptmann von Baume! Das Fräulein
von Baude hat also, so schön sie ist, kein Herz?

— Ob sie ein Herz.habe, werthester von Laurop, das weiß
man bis auf diesen Tag nicht, versetzte sein Nachbar. - Und freilich
ist es nicht leicht, die Sache auszumitteln, wenn man erwägt, daß
bereits eine so große Zahl Cavaliere sich umsonst abgemüht haben,
den Punkt in Erfahrung zu bringen.

— Sie hat ein sehr stolzes, kaltes Aussehen, bemerkte der
Erstere.

— Und so ist sie auch in Wahrheit, erwiederte der Andere.

— Wie es sich damit auch verhalten möge, das ist, bei mei¬
nem Leben, das schönste Weib, das ich noch gesehen habe, murmelte
Jener zwischen den Zähnen.

— Und doch mußt Du deren gar herrliche gesehen haben, Du,
der Du mit Aug'und Schwert alle Winkel Italiens durchmustert hast,
warf ihm der Andere ein.

Auf dieses Zwiegespräch folgte abermals Stillschweigen, während
dessen die beiden Herren nicht abließen, ihre Blicke auf eine junge
Dame zu richten, die nachläßig in einem ungeheuren sammetnen Lehn¬
stuhl saß, neben der Dame des Hauses, und mit den Pfauenfedern
spielte, aus denen ihr Fächer gemacht war.

Fürwahr, wer diese reizende Gestalt betrachtete, dem mußte das
Herz vor Bewunderung klopfen, der konnte sein bezaubertes Auge


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[0645] verschlingende Gesellschaft ein schimmerndes Licht. Dazwischen tönte Huc Unterbrechung eine kräftige Musik, welche die Schritte der Tan¬ zenden zu regieren schien. Mit Entzücken schaute man, mit Entzücken hörte man dem Allen, zu. ^ Indessen konnte man zwei junge Cavaliere gewahr werden, welche sich.nicht in vie allgemeine Lust mischen zu wollen schienen. Beide standen an eine der Säulen des berühmten Bettes gelehnt, von dem man erzählt, daß es für fünfzig Personen Raum hatte, und das auch Albrecht Dürer in dem Pallast Nassau besichtigt haben soll, als er im Jahr 1521 eine Reise nach den Niederlanden machte. Eine Zeit lang verharrten die beiden Männer unbeweglich in dieser Stel¬ lung, bis der Eine das Stillschweigen mit den Worten unterbrach: — Das schönste Weib in Flandern, und auch nicht einen ein¬ zigen Anbeter annehmen zu wollen! Das ist fürwahr ein ganz uner¬ hörtes Ding, mein tapferer Hauptmann von Baume! Das Fräulein von Baude hat also, so schön sie ist, kein Herz? — Ob sie ein Herz.habe, werthester von Laurop, das weiß man bis auf diesen Tag nicht, versetzte sein Nachbar. - Und freilich ist es nicht leicht, die Sache auszumitteln, wenn man erwägt, daß bereits eine so große Zahl Cavaliere sich umsonst abgemüht haben, den Punkt in Erfahrung zu bringen. — Sie hat ein sehr stolzes, kaltes Aussehen, bemerkte der Erstere. — Und so ist sie auch in Wahrheit, erwiederte der Andere. — Wie es sich damit auch verhalten möge, das ist, bei mei¬ nem Leben, das schönste Weib, das ich noch gesehen habe, murmelte Jener zwischen den Zähnen. — Und doch mußt Du deren gar herrliche gesehen haben, Du, der Du mit Aug'und Schwert alle Winkel Italiens durchmustert hast, warf ihm der Andere ein. Auf dieses Zwiegespräch folgte abermals Stillschweigen, während dessen die beiden Herren nicht abließen, ihre Blicke auf eine junge Dame zu richten, die nachläßig in einem ungeheuren sammetnen Lehn¬ stuhl saß, neben der Dame des Hauses, und mit den Pfauenfedern spielte, aus denen ihr Fächer gemacht war. Fürwahr, wer diese reizende Gestalt betrachtete, dem mußte das Herz vor Bewunderung klopfen, der konnte sein bezaubertes Auge 86»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/645>, abgerufen am 23.07.2024.