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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Immermann gehörte nicht zu den Glücklichen., Er mußte seine Erfolge den
widerWnstigen Deutschen abringen, seine Anerkennung war eine späte. Sein' "Tu-
lisäntchen" ist ein deutscher Don Qnirote in Miniatur. ' Das Gefühl, welches l)ier
gegen den Wirklichkeitsriesen kämpft, und nur/durch Flucht ,ins Reich derDhan'kahle
sich rettet, ist so märchenhaft schön und ironisch lustig dargestellt, wie es kaum
einem Deutschen gelungen ist. Doch! dem Chamisso im Peter SchleMihl.- Die
Deutschen aber sind undankbar, ich will glauben aus Reichthum an, auögezclchne.
den Geistern. Immermann beginnt ein Sonett: "Daläßt o Vaterland die Ed¬
len schmachten." ', '

Er mußte das "Trauerspiel in Tirol," "Friedrich II.," "den Zauberer Mer¬
lin," "die Epigonen" schreiben und zuletzt im, "Münchhausen" die Schellenkappe
aufsetzen, um sich (für Popularität ist er zu gesättigt gedankenvoll, zu dech in
Wort und Form) Anerkennung zu erwerben. Die'glücklichen italienischen Dichter!
Filicaja erwarb sich diese und die, Unsterblichkeit im Herzen seiner Landsleute, durch
ein einziges Sonett an Italien. ' , ' ' '

Immermann ist ein Poet, dem die dritte Priesterweihe fehlt, um hinzureißen-
Er beweist es klar, welches Genie Verstand, und Empfindung werden Minen ^
'ohne schöpferische Phantasie. Er ist in unserer-Literatur-eine geharnischte, markige
Gestalt, die Arbeit des Lebens hat schier, Seele Schwielen, gemacht und nun lacht
er alle jene aus , die auch arbeiten; daher sein, Spruch, in,,! "Friedrich":, '-"So viel
Arbeit um ein LeichentuchI" .. ' > -.. ^ >, ' . . I '. -

Er verachtet gründlich und humoristisch. Unter seinen,-lxrischen, Gedichten sind'
viele vortrefflich, z. B. die Sonette. Seltsam aber ist'S, wie fertig der Dichter
schon ,im ersten Buche seiner Gedichtsammlung: "Frühe, Stunden", auftritt, beiläu¬
fig wie Goethe, aber in einer Zeit, wo dieser bereits den Harnisch,, abgelegt hatte
und bequeme Genußweisheit predigte. War,Immermann jemals jung? Wo-sind
die Zeugen in den Gedichten, die er "Frühe Stunden"' überschrieb? Hat , er sie
vernichtet oder nie geschrieben? Rum hätten, wir'S: ihm fehlte M Jugend,,--no
diese begeistert, nur diese-reift hin, im Geistigen gliche, minder als im Physischen:
"Nichts hat, wer nicht Jugend hat," sagt'er -selbst und wunderreich schildert erste
in einem der schönsten deutschen Gedichte: "Des Dichters Spruch." Nun'/freut
sich der Leser aus die Schilderung.von: //Jugend', -Jugendlust, und Jugeiwglück,"
und findet einen durchlebten Weisen, der sich zuweilen der iZugendHwärckerei, - er¬
innert; und,noch got, weM .er 5e nicht ironisch-beKichett. . ..... --'

. Immermann war ,vie>mais Jüngling, er,sprang.als;,Mann gewappnet
dein Gehirne seines Vaterlandes, Shakspeare weiß aber-dein Cäsar kein schöneres
Epitaph nachsprechen zu lassen, als das,gußeiserne: , "ErÄar ein Mami'!" > -




Immermann gehörte nicht zu den Glücklichen., Er mußte seine Erfolge den
widerWnstigen Deutschen abringen, seine Anerkennung war eine späte. Sein' »Tu-
lisäntchen« ist ein deutscher Don Qnirote in Miniatur. ' Das Gefühl, welches l)ier
gegen den Wirklichkeitsriesen kämpft, und nur/durch Flucht ,ins Reich derDhan'kahle
sich rettet, ist so märchenhaft schön und ironisch lustig dargestellt, wie es kaum
einem Deutschen gelungen ist. Doch! dem Chamisso im Peter SchleMihl.- Die
Deutschen aber sind undankbar, ich will glauben aus Reichthum an, auögezclchne.
den Geistern. Immermann beginnt ein Sonett: „Daläßt o Vaterland die Ed¬
len schmachten." ', '

Er mußte das »Trauerspiel in Tirol,» »Friedrich II.," »den Zauberer Mer¬
lin,» »die Epigonen» schreiben und zuletzt im, »Münchhausen» die Schellenkappe
aufsetzen, um sich (für Popularität ist er zu gesättigt gedankenvoll, zu dech in
Wort und Form) Anerkennung zu erwerben. Die'glücklichen italienischen Dichter!
Filicaja erwarb sich diese und die, Unsterblichkeit im Herzen seiner Landsleute, durch
ein einziges Sonett an Italien. ' , ' ' '

Immermann ist ein Poet, dem die dritte Priesterweihe fehlt, um hinzureißen-
Er beweist es klar, welches Genie Verstand, und Empfindung werden Minen ^
'ohne schöpferische Phantasie. Er ist in unserer-Literatur-eine geharnischte, markige
Gestalt, die Arbeit des Lebens hat schier, Seele Schwielen, gemacht und nun lacht
er alle jene aus , die auch arbeiten; daher sein, Spruch, in,,! »Friedrich»:, '-»So viel
Arbeit um ein LeichentuchI» .. ' > -.. ^ >, ' . . I '. -

Er verachtet gründlich und humoristisch. Unter seinen,-lxrischen, Gedichten sind'
viele vortrefflich, z. B. die Sonette. Seltsam aber ist'S, wie fertig der Dichter
schon ,im ersten Buche seiner Gedichtsammlung: »Frühe, Stunden», auftritt, beiläu¬
fig wie Goethe, aber in einer Zeit, wo dieser bereits den Harnisch,, abgelegt hatte
und bequeme Genußweisheit predigte. War,Immermann jemals jung? Wo-sind
die Zeugen in den Gedichten, die er »Frühe Stunden»' überschrieb? Hat , er sie
vernichtet oder nie geschrieben? Rum hätten, wir'S: ihm fehlte M Jugend,,--no
diese begeistert, nur diese-reift hin, im Geistigen gliche, minder als im Physischen:
»Nichts hat, wer nicht Jugend hat," sagt'er -selbst und wunderreich schildert erste
in einem der schönsten deutschen Gedichte: »Des Dichters Spruch." Nun'/freut
sich der Leser aus die Schilderung.von: //Jugend', -Jugendlust, und Jugeiwglück,»
und findet einen durchlebten Weisen, der sich zuweilen der iZugendHwärckerei, - er¬
innert; und,noch got, weM .er 5e nicht ironisch-beKichett. . ..... --'

. Immermann war ,vie>mais Jüngling, er,sprang.als;,Mann gewappnet
dein Gehirne seines Vaterlandes, Shakspeare weiß aber-dein Cäsar kein schöneres
Epitaph nachsprechen zu lassen, als das,gußeiserne: , »ErÄar ein Mami'!» > -




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[0580] Immermann gehörte nicht zu den Glücklichen., Er mußte seine Erfolge den widerWnstigen Deutschen abringen, seine Anerkennung war eine späte. Sein' »Tu- lisäntchen« ist ein deutscher Don Qnirote in Miniatur. ' Das Gefühl, welches l)ier gegen den Wirklichkeitsriesen kämpft, und nur/durch Flucht ,ins Reich derDhan'kahle sich rettet, ist so märchenhaft schön und ironisch lustig dargestellt, wie es kaum einem Deutschen gelungen ist. Doch! dem Chamisso im Peter SchleMihl.- Die Deutschen aber sind undankbar, ich will glauben aus Reichthum an, auögezclchne. den Geistern. Immermann beginnt ein Sonett: „Daläßt o Vaterland die Ed¬ len schmachten." ', ' Er mußte das »Trauerspiel in Tirol,» »Friedrich II.," »den Zauberer Mer¬ lin,» »die Epigonen» schreiben und zuletzt im, »Münchhausen» die Schellenkappe aufsetzen, um sich (für Popularität ist er zu gesättigt gedankenvoll, zu dech in Wort und Form) Anerkennung zu erwerben. Die'glücklichen italienischen Dichter! Filicaja erwarb sich diese und die, Unsterblichkeit im Herzen seiner Landsleute, durch ein einziges Sonett an Italien. ' , ' ' ' Immermann ist ein Poet, dem die dritte Priesterweihe fehlt, um hinzureißen- Er beweist es klar, welches Genie Verstand, und Empfindung werden Minen ^ 'ohne schöpferische Phantasie. Er ist in unserer-Literatur-eine geharnischte, markige Gestalt, die Arbeit des Lebens hat schier, Seele Schwielen, gemacht und nun lacht er alle jene aus , die auch arbeiten; daher sein, Spruch, in,,! »Friedrich»:, '-»So viel Arbeit um ein LeichentuchI» .. ' > -.. ^ >, ' . . I '. - Er verachtet gründlich und humoristisch. Unter seinen,-lxrischen, Gedichten sind' viele vortrefflich, z. B. die Sonette. Seltsam aber ist'S, wie fertig der Dichter schon ,im ersten Buche seiner Gedichtsammlung: »Frühe, Stunden», auftritt, beiläu¬ fig wie Goethe, aber in einer Zeit, wo dieser bereits den Harnisch,, abgelegt hatte und bequeme Genußweisheit predigte. War,Immermann jemals jung? Wo-sind die Zeugen in den Gedichten, die er »Frühe Stunden»' überschrieb? Hat , er sie vernichtet oder nie geschrieben? Rum hätten, wir'S: ihm fehlte M Jugend,,--no diese begeistert, nur diese-reift hin, im Geistigen gliche, minder als im Physischen: »Nichts hat, wer nicht Jugend hat," sagt'er -selbst und wunderreich schildert erste in einem der schönsten deutschen Gedichte: »Des Dichters Spruch." Nun'/freut sich der Leser aus die Schilderung.von: //Jugend', -Jugendlust, und Jugeiwglück,» und findet einen durchlebten Weisen, der sich zuweilen der iZugendHwärckerei, - er¬ innert; und,noch got, weM .er 5e nicht ironisch-beKichett. . ..... --' . Immermann war ,vie>mais Jüngling, er,sprang.als;,Mann gewappnet dein Gehirne seines Vaterlandes, Shakspeare weiß aber-dein Cäsar kein schöneres Epitaph nachsprechen zu lassen, als das,gußeiserne: , »ErÄar ein Mami'!» > -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/580>, abgerufen am 22.12.2024.