Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

haben, ein Lebensprincip ist, er' für schwache Wesen/ deren 'Körperbau
sich noch nicht vervollständigt hat, tödtlich ist. ^ '

- -- Es würde mir unmöglich sein, antwortete' Leopold Mozart,
genau die Zeit anzugeben, in welcher mein Sohn die erste Kenntniß der
Elemente der Musik erlangt hat. Indem er dem Unterricht beiwohnte,
den' ich seiner um drei Jcchr älteren Schwester gab, und indem er mich
selbst präludiren hörte, hat er'den Mechanismus einer sür so viele An¬
dre so schwierigen Kunst begriffen. Er sang Arien, die er gehört hatte,
ohne Fehler nach, ehe er noch^'die ersten Worte stammelte; und er suchte
Accorde auf dem Clavier, ehe er die Spielzeuge, mit denen man die
Kinder zu ergötzen pflegt, in seine kleinen Hände genommen. Ich habe
ihn nie zu einer Arbeit gezwungen, und Alles/ was er weiß, hat er
wie von selbst gefunden. ' , ' - >

-- Verzeihen Sie mir, fuhr Diderot fort, die Frage, die ich jetzt
an Sie richten will. Sind Sie fest überzeugt, daß Ihr Sohn im Au¬
genblick, da wir eingetreten sind, improvisirte ?. Spielte er nicht irgend
ein Stück auswendig?

Wolfgang hatte die Antwort seines Vaters nicht abgewartet. Er
hatte sich den Armen der Frau von Epinay, die ihn auf den Knieen
hielt, entschwungen,, war an's Clavier, geeilt und verlangte/ man solle
ihm ein Thema geben, worüber, er sofort improvisiren, wolle. DerAbbp
Galiani schrieb die ersten Tacte der Arie: Ich habe all,mein Glück
verloren aus Rousseau's Dorsprophet auf, und legte ihm diese
aus's Notenpult. Wolfgang von dem Wunsche angefeuert/ DiderofS
Zweifel zu zerstreuen, las das gegebene Thema einmal durch, und schlug
,die, ersten Accorde seiner Einleitung an. . Seine^ Hände, die kaum groß
genug waren, um die Serie zu greifen, durchliefen dasClavier, mit
unglaublicher Leichtigkeit und überstiegen, ohne irgend einen Anschein von
Anstrengung, die durch seinen Gedanken angehäuften Schwierigkeiten;
eine Menge reizender Stellen, die alle zu dem gegebenen ,Thema inBe-
Ziehung standen, folgten einander ohne Verwirrung. Wenn, man ihn
hörte, IMe man ihn für, einen alten, in der Wissenschaft der Harmo¬
nie ^Md Modulation vollendeten Kapellmeister gehalten; nur mit dem
Unterschied, daß er Spielweisen erfand, die, den.gewöhnlichen Musikern
unbekannt, waren. Kaum fand man - Kraft - genug, ihm Beifall^ zu klat¬
schen, als. er./geendet hatte ; so sehr war, man- Äep M WA Minder
außer sich, gerathen.,. ",, ,',,-, ! >,, ', - > >-/, >>,,


haben, ein Lebensprincip ist, er' für schwache Wesen/ deren 'Körperbau
sich noch nicht vervollständigt hat, tödtlich ist. ^ '

- — Es würde mir unmöglich sein, antwortete' Leopold Mozart,
genau die Zeit anzugeben, in welcher mein Sohn die erste Kenntniß der
Elemente der Musik erlangt hat. Indem er dem Unterricht beiwohnte,
den' ich seiner um drei Jcchr älteren Schwester gab, und indem er mich
selbst präludiren hörte, hat er'den Mechanismus einer sür so viele An¬
dre so schwierigen Kunst begriffen. Er sang Arien, die er gehört hatte,
ohne Fehler nach, ehe er noch^'die ersten Worte stammelte; und er suchte
Accorde auf dem Clavier, ehe er die Spielzeuge, mit denen man die
Kinder zu ergötzen pflegt, in seine kleinen Hände genommen. Ich habe
ihn nie zu einer Arbeit gezwungen, und Alles/ was er weiß, hat er
wie von selbst gefunden. ' , ' - >

— Verzeihen Sie mir, fuhr Diderot fort, die Frage, die ich jetzt
an Sie richten will. Sind Sie fest überzeugt, daß Ihr Sohn im Au¬
genblick, da wir eingetreten sind, improvisirte ?. Spielte er nicht irgend
ein Stück auswendig?

Wolfgang hatte die Antwort seines Vaters nicht abgewartet. Er
hatte sich den Armen der Frau von Epinay, die ihn auf den Knieen
hielt, entschwungen,, war an's Clavier, geeilt und verlangte/ man solle
ihm ein Thema geben, worüber, er sofort improvisiren, wolle. DerAbbp
Galiani schrieb die ersten Tacte der Arie: Ich habe all,mein Glück
verloren aus Rousseau's Dorsprophet auf, und legte ihm diese
aus's Notenpult. Wolfgang von dem Wunsche angefeuert/ DiderofS
Zweifel zu zerstreuen, las das gegebene Thema einmal durch, und schlug
,die, ersten Accorde seiner Einleitung an. . Seine^ Hände, die kaum groß
genug waren, um die Serie zu greifen, durchliefen dasClavier, mit
unglaublicher Leichtigkeit und überstiegen, ohne irgend einen Anschein von
Anstrengung, die durch seinen Gedanken angehäuften Schwierigkeiten;
eine Menge reizender Stellen, die alle zu dem gegebenen ,Thema inBe-
Ziehung standen, folgten einander ohne Verwirrung. Wenn, man ihn
hörte, IMe man ihn für, einen alten, in der Wissenschaft der Harmo¬
nie ^Md Modulation vollendeten Kapellmeister gehalten; nur mit dem
Unterschied, daß er Spielweisen erfand, die, den.gewöhnlichen Musikern
unbekannt, waren. Kaum fand man - Kraft - genug, ihm Beifall^ zu klat¬
schen, als. er./geendet hatte ; so sehr war, man- Äep M WA Minder
außer sich, gerathen.,. „,, ,',,-, ! >,, ', - > >-/, >>,,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267677"/>
          <p xml:id="ID_1646" prev="#ID_1645"> haben, ein Lebensprincip ist, er' für schwache Wesen/ deren 'Körperbau<lb/>
sich noch nicht vervollständigt hat, tödtlich ist. ^ '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1647"> - &#x2014; Es würde mir unmöglich sein, antwortete' Leopold Mozart,<lb/>
genau die Zeit anzugeben, in welcher mein Sohn die erste Kenntniß der<lb/>
Elemente der Musik erlangt hat. Indem er dem Unterricht beiwohnte,<lb/>
den' ich seiner um drei Jcchr älteren Schwester gab, und indem er mich<lb/>
selbst präludiren hörte, hat er'den Mechanismus einer sür so viele An¬<lb/>
dre so schwierigen Kunst begriffen. Er sang Arien, die er gehört hatte,<lb/>
ohne Fehler nach, ehe er noch^'die ersten Worte stammelte; und er suchte<lb/>
Accorde auf dem Clavier, ehe er die Spielzeuge, mit denen man die<lb/>
Kinder zu ergötzen pflegt, in seine kleinen Hände genommen. Ich habe<lb/>
ihn nie zu einer Arbeit gezwungen, und Alles/ was er weiß, hat er<lb/>
wie von selbst gefunden. ' , ' - &gt;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1648"> &#x2014; Verzeihen Sie mir, fuhr Diderot fort, die Frage, die ich jetzt<lb/>
an Sie richten will. Sind Sie fest überzeugt, daß Ihr Sohn im Au¬<lb/>
genblick, da wir eingetreten sind, improvisirte ?. Spielte er nicht irgend<lb/>
ein Stück auswendig?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1649"> Wolfgang hatte die Antwort seines Vaters nicht abgewartet. Er<lb/>
hatte sich den Armen der Frau von Epinay, die ihn auf den Knieen<lb/>
hielt, entschwungen,, war an's Clavier, geeilt und verlangte/ man solle<lb/>
ihm ein Thema geben, worüber, er sofort improvisiren, wolle. DerAbbp<lb/>
Galiani schrieb die ersten Tacte der Arie: Ich habe all,mein Glück<lb/>
verloren aus Rousseau's Dorsprophet auf, und legte ihm diese<lb/>
aus's Notenpult. Wolfgang von dem Wunsche angefeuert/ DiderofS<lb/>
Zweifel zu zerstreuen, las das gegebene Thema einmal durch, und schlug<lb/>
,die, ersten Accorde seiner Einleitung an. . Seine^ Hände, die kaum groß<lb/>
genug waren, um die Serie zu greifen, durchliefen dasClavier, mit<lb/>
unglaublicher Leichtigkeit und überstiegen, ohne irgend einen Anschein von<lb/>
Anstrengung, die durch seinen Gedanken angehäuften Schwierigkeiten;<lb/>
eine Menge reizender Stellen, die alle zu dem gegebenen ,Thema inBe-<lb/>
Ziehung standen, folgten einander ohne Verwirrung. Wenn, man ihn<lb/>
hörte, IMe man ihn für, einen alten, in der Wissenschaft der Harmo¬<lb/>
nie ^Md Modulation vollendeten Kapellmeister gehalten; nur mit dem<lb/>
Unterschied, daß er Spielweisen erfand, die, den.gewöhnlichen Musikern<lb/>
unbekannt, waren. Kaum fand man - Kraft - genug, ihm Beifall^ zu klat¬<lb/>
schen, als. er./geendet hatte ; so sehr war, man- Äep M WA Minder<lb/>
außer sich, gerathen.,.   &#x201E;,, ,',,-, ! &gt;,,  ', - &gt;   &gt;-/, &gt;&gt;,,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0464] haben, ein Lebensprincip ist, er' für schwache Wesen/ deren 'Körperbau sich noch nicht vervollständigt hat, tödtlich ist. ^ ' - — Es würde mir unmöglich sein, antwortete' Leopold Mozart, genau die Zeit anzugeben, in welcher mein Sohn die erste Kenntniß der Elemente der Musik erlangt hat. Indem er dem Unterricht beiwohnte, den' ich seiner um drei Jcchr älteren Schwester gab, und indem er mich selbst präludiren hörte, hat er'den Mechanismus einer sür so viele An¬ dre so schwierigen Kunst begriffen. Er sang Arien, die er gehört hatte, ohne Fehler nach, ehe er noch^'die ersten Worte stammelte; und er suchte Accorde auf dem Clavier, ehe er die Spielzeuge, mit denen man die Kinder zu ergötzen pflegt, in seine kleinen Hände genommen. Ich habe ihn nie zu einer Arbeit gezwungen, und Alles/ was er weiß, hat er wie von selbst gefunden. ' , ' - > — Verzeihen Sie mir, fuhr Diderot fort, die Frage, die ich jetzt an Sie richten will. Sind Sie fest überzeugt, daß Ihr Sohn im Au¬ genblick, da wir eingetreten sind, improvisirte ?. Spielte er nicht irgend ein Stück auswendig? Wolfgang hatte die Antwort seines Vaters nicht abgewartet. Er hatte sich den Armen der Frau von Epinay, die ihn auf den Knieen hielt, entschwungen,, war an's Clavier, geeilt und verlangte/ man solle ihm ein Thema geben, worüber, er sofort improvisiren, wolle. DerAbbp Galiani schrieb die ersten Tacte der Arie: Ich habe all,mein Glück verloren aus Rousseau's Dorsprophet auf, und legte ihm diese aus's Notenpult. Wolfgang von dem Wunsche angefeuert/ DiderofS Zweifel zu zerstreuen, las das gegebene Thema einmal durch, und schlug ,die, ersten Accorde seiner Einleitung an. . Seine^ Hände, die kaum groß genug waren, um die Serie zu greifen, durchliefen dasClavier, mit unglaublicher Leichtigkeit und überstiegen, ohne irgend einen Anschein von Anstrengung, die durch seinen Gedanken angehäuften Schwierigkeiten; eine Menge reizender Stellen, die alle zu dem gegebenen ,Thema inBe- Ziehung standen, folgten einander ohne Verwirrung. Wenn, man ihn hörte, IMe man ihn für, einen alten, in der Wissenschaft der Harmo¬ nie ^Md Modulation vollendeten Kapellmeister gehalten; nur mit dem Unterschied, daß er Spielweisen erfand, die, den.gewöhnlichen Musikern unbekannt, waren. Kaum fand man - Kraft - genug, ihm Beifall^ zu klat¬ schen, als. er./geendet hatte ; so sehr war, man- Äep M WA Minder außer sich, gerathen.,. „,, ,',,-, ! >,, ', - > >-/, >>,,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/464
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/464>, abgerufen am 22.12.2024.