Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.ungläubig lächeln, oder, wenn sie es ja glaubten, fest behaupten, wir Schwaben Sie wollen endlich noch Einiges über unser literarisches Leben hören. So viele 52*
ungläubig lächeln, oder, wenn sie es ja glaubten, fest behaupten, wir Schwaben Sie wollen endlich noch Einiges über unser literarisches Leben hören. So viele 52*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267602"/> <p xml:id="ID_1394" prev="#ID_1393"> ungläubig lächeln, oder, wenn sie es ja glaubten, fest behaupten, wir Schwaben<lb/> bewohnten ein stockdemokratisches Land. ,</p><lb/> <p xml:id="ID_1395"> Sie wollen endlich noch Einiges über unser literarisches Leben hören. So viele<lb/> Schriftsteller und Männer der Presse hier auch leben (unser Provinzialblatt, der<lb/> Schwäbische Merkur, zählte deren im Herbst v. I.,nicht weniger als 249 auf), so<lb/> fehlt es doch durchaus an einem geselligen Mittelpunkte für die Literatur. Das<lb/> zertheilt sich Alles in Parteien, Fractionen und Unterfractionen, in Cliquen und<lb/> »Vetterlcs>--Wesen, und fast Jeder geht kalt ein dem Andern vorüber. Straus be¬<lb/> wohnt ein Gartenhaus in der Stadt und sieht wenig Leute, arbeitet aber unauf¬<lb/> hörlich, während ein pietistischcs Blatt »der Christenbotc» ihn täglich angreift und<lb/> als den Antichrist bezeichnet. Die Ausdehnung der pietistischer Partei, Sekte oder<lb/> Schule in Wiirtemberg können Sie daran ermessen, daß das eben erwähnte Blatt<lb/> mehr als 10,000 Abonnenten hat. Menzels Vertrag mit Cotta über die Redaction<lb/> des »Literaturblatts" läuft, wie man hört, mit diesem Jahre ab.> ES heißt, er<lb/> habe , sich um Reinbecks Professur (der deutschen Sprache und Literatur) am<lb/> hiesigen Gymnasium beworben. Menzel selbst und auch Räthe des Ministeriums<lb/> bestreiten eS; die Stelle ist dem ehemaligen Professor zu Bern, Albert Schott, dem<lb/> Sohne des wackern Prokurators Schott, des ehemaligen Abgeordneten, gegeben<lb/> worden. Daß Gustav Schwab wieder bei uns wohnt, und seine Pfarrei auf der<lb/> Alb mit der Stadtpfarrei bei Se. Leonhard vertauschte, wissen Sie wohl. Ein un¬<lb/> glücklicher Fall, der den trefflichen Mann schon heimgesucht, und sein Vaterherz zer¬<lb/> reißt, hat seine Lyra verstimmt. Der erste Band von Stählin's Geschichte von<lb/> Wiirtemberg, welcher aber die Geschichte Schwabens und Deutschlands vor der Er¬<lb/> hebung des würtcnibcrgischen Fürstenhauses behandelt,, ist wohl die-wichtigste wis¬<lb/> senschaftliche Erscheinung des letzten Halbjahrs in Süddeutschland. Der literarische<lb/> Verein zur Herausgabe wichtiger und interessanter archivarischcr Schätze, der sich<lb/> bei seiner Gründung so großer Theilnahme und hoher Protection in ganz Deutsch¬<lb/> land und selbst im Auslande zu erfreuen hatte, bisher aber Nichts weiter von fei¬<lb/> ner Thätigkeit hören ließ, Wird endlich mit dem ersten Bande seiner Veröffentli¬<lb/> chungen hervortreten. Etwas seltsam will uns bedünken, daß die Herausgeber hie¬<lb/> für fremdländische Chroniken gewählt haben, während doch noch so reiche-Schätze<lb/> für die alte Geschichte und Literatur Deutschlands in den Archiven vergraben lie¬<lb/> gen. Für das Zutagefördern der erstem wird aber Hofrath Pertz in seinem neuen<lb/> Wirkungskreise zu Berlin gewiß eine glänzende Thätigkeit enthalten, und sein ko¬<lb/> lossales Werk der »deutschen Monumente» mit der bisherigen Gediegenheit fortfüh¬<lb/> ren. Doch könnte es Nichts schaden, wenn die Leute des hiesigen »literarischen<lb/> Vereins», wenigstens theilweise, und so weit es der Plan erlaubt, in PertzenS Fu߬<lb/> tapfen zu gehen versuchten.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 52*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
ungläubig lächeln, oder, wenn sie es ja glaubten, fest behaupten, wir Schwaben
bewohnten ein stockdemokratisches Land. ,
Sie wollen endlich noch Einiges über unser literarisches Leben hören. So viele
Schriftsteller und Männer der Presse hier auch leben (unser Provinzialblatt, der
Schwäbische Merkur, zählte deren im Herbst v. I.,nicht weniger als 249 auf), so
fehlt es doch durchaus an einem geselligen Mittelpunkte für die Literatur. Das
zertheilt sich Alles in Parteien, Fractionen und Unterfractionen, in Cliquen und
»Vetterlcs>--Wesen, und fast Jeder geht kalt ein dem Andern vorüber. Straus be¬
wohnt ein Gartenhaus in der Stadt und sieht wenig Leute, arbeitet aber unauf¬
hörlich, während ein pietistischcs Blatt »der Christenbotc» ihn täglich angreift und
als den Antichrist bezeichnet. Die Ausdehnung der pietistischer Partei, Sekte oder
Schule in Wiirtemberg können Sie daran ermessen, daß das eben erwähnte Blatt
mehr als 10,000 Abonnenten hat. Menzels Vertrag mit Cotta über die Redaction
des »Literaturblatts" läuft, wie man hört, mit diesem Jahre ab.> ES heißt, er
habe , sich um Reinbecks Professur (der deutschen Sprache und Literatur) am
hiesigen Gymnasium beworben. Menzel selbst und auch Räthe des Ministeriums
bestreiten eS; die Stelle ist dem ehemaligen Professor zu Bern, Albert Schott, dem
Sohne des wackern Prokurators Schott, des ehemaligen Abgeordneten, gegeben
worden. Daß Gustav Schwab wieder bei uns wohnt, und seine Pfarrei auf der
Alb mit der Stadtpfarrei bei Se. Leonhard vertauschte, wissen Sie wohl. Ein un¬
glücklicher Fall, der den trefflichen Mann schon heimgesucht, und sein Vaterherz zer¬
reißt, hat seine Lyra verstimmt. Der erste Band von Stählin's Geschichte von
Wiirtemberg, welcher aber die Geschichte Schwabens und Deutschlands vor der Er¬
hebung des würtcnibcrgischen Fürstenhauses behandelt,, ist wohl die-wichtigste wis¬
senschaftliche Erscheinung des letzten Halbjahrs in Süddeutschland. Der literarische
Verein zur Herausgabe wichtiger und interessanter archivarischcr Schätze, der sich
bei seiner Gründung so großer Theilnahme und hoher Protection in ganz Deutsch¬
land und selbst im Auslande zu erfreuen hatte, bisher aber Nichts weiter von fei¬
ner Thätigkeit hören ließ, Wird endlich mit dem ersten Bande seiner Veröffentli¬
chungen hervortreten. Etwas seltsam will uns bedünken, daß die Herausgeber hie¬
für fremdländische Chroniken gewählt haben, während doch noch so reiche-Schätze
für die alte Geschichte und Literatur Deutschlands in den Archiven vergraben lie¬
gen. Für das Zutagefördern der erstem wird aber Hofrath Pertz in seinem neuen
Wirkungskreise zu Berlin gewiß eine glänzende Thätigkeit enthalten, und sein ko¬
lossales Werk der »deutschen Monumente» mit der bisherigen Gediegenheit fortfüh¬
ren. Doch könnte es Nichts schaden, wenn die Leute des hiesigen »literarischen
Vereins», wenigstens theilweise, und so weit es der Plan erlaubt, in PertzenS Fu߬
tapfen zu gehen versuchten.
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