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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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die zu bewundern, wir nicht ermüdeten. Während unsrer kurz.n Halte
biß er, statt aller Erfrischung, in eine Schnitte, und gab sich während
der Mittagshitze von: Reuen kräftig ein's Rudern. Am Abend unserer
Ankunft ließ er uns, diesmal von einem zweiten Ruderer unterstützt,
eine der sonderbarsten Promenaden machen, die man sich uur aussinnen
kann. Alle Montage bis zu einer mir im Augenblick aus dem Gedächt¬
niß gekommenen Epoche des Jahres ist ein Gondelwettfcchren in der
Vorstadt Santa-Martha. Später dient der Lido als Sammelplatz. So¬
bald die Nebel des Horizonts den Glanz der untergehenden Sonne um-
schleiert haben, sieht man aus dem großen Canal und einigen innern
Canälen fröhliche Gondeln, die sich zu diesem Corso in voller Lagune
begeben, Gondeln des Volks, Gondeln der Bürger, Gondeln der großen
Herrn hervorkommen. Diese erkennt man'an den geschmacklosen Livreen ihrer
Schisser. Einige junge Leute aus guten Familien, nett und aufgeputzt,
die schwarze Toque auf den Ohren, den Ledergurt um die Taille festge¬
schnürt, lenken selbst ihre Barken, die länglich, wie eine Schlange, und
sein, wie eine Rasirmesserklinge sind, indem sie in dieser Uebung (die
Gondoliere rudern stets aufrechtstehend) die Gelegenheit finden, vor den
Augen der schönen Venetianerinnen Beweise ihrer Anmuth und Kraft ab¬
zulegen. Diese, halb liegend in ihren offenen Gondeln, betrachten diese
ganze Scene mit eine^ orientalischen Unbeweglichkeit; Einige, noch trä¬
ger, sind zu Haus geblieben und betrachten die Spazierfahrer beim Vor¬
überkommen von der Höhe ihres maurischen Balkons herab, und wenn
man die lebhaften Blicke bemerkt, die sie unter ihren schwar¬
zen Augenwimpern, hervorschleudern, so möchte man fast glau¬
ben, es seien noch die Venetianerinnen von ehemals, deren ganze Seele
und Schönheit, zum Verdruß aller Eifersüchtigen, aus den Oeffnungen
der Larven hervorleuchtete. An der Lagune angelangt, sangen alle
Gondeln an, in derselben einen ungeheuren Bogen zu beschreiben, und
da gilt es nun, gedrängt, aufeinander gehäuft, gestoßen, einander zu
übertreffen. Diese lärmende, betäubende Runde ist die närrischste Sache,
die man sehen kann. Die Barken, gleich Rossen eines Wettmmms ge¬
schleudert, scheinen wie diese lebendig zu sein; ihre stählernen Sporen
stoßen aneinander; ihre Seiten berühren einander, aber ohne daß je ein
Unfalldaraus entstehen kann; soschlanknnd entschlüpfend sind sie. Die Gondo¬
liere mit ihrer südlichen Lebhaftigkeit, schreien, bewegen sich heftig hin
und her, fordern einander heraus, ohne sich um ihre Herrn zu küm¬
mern, deren durchaus sinnliche Ruhe mit ihrer Lebhaftigkeit contrastirt.


die zu bewundern, wir nicht ermüdeten. Während unsrer kurz.n Halte
biß er, statt aller Erfrischung, in eine Schnitte, und gab sich während
der Mittagshitze von: Reuen kräftig ein's Rudern. Am Abend unserer
Ankunft ließ er uns, diesmal von einem zweiten Ruderer unterstützt,
eine der sonderbarsten Promenaden machen, die man sich uur aussinnen
kann. Alle Montage bis zu einer mir im Augenblick aus dem Gedächt¬
niß gekommenen Epoche des Jahres ist ein Gondelwettfcchren in der
Vorstadt Santa-Martha. Später dient der Lido als Sammelplatz. So¬
bald die Nebel des Horizonts den Glanz der untergehenden Sonne um-
schleiert haben, sieht man aus dem großen Canal und einigen innern
Canälen fröhliche Gondeln, die sich zu diesem Corso in voller Lagune
begeben, Gondeln des Volks, Gondeln der Bürger, Gondeln der großen
Herrn hervorkommen. Diese erkennt man'an den geschmacklosen Livreen ihrer
Schisser. Einige junge Leute aus guten Familien, nett und aufgeputzt,
die schwarze Toque auf den Ohren, den Ledergurt um die Taille festge¬
schnürt, lenken selbst ihre Barken, die länglich, wie eine Schlange, und
sein, wie eine Rasirmesserklinge sind, indem sie in dieser Uebung (die
Gondoliere rudern stets aufrechtstehend) die Gelegenheit finden, vor den
Augen der schönen Venetianerinnen Beweise ihrer Anmuth und Kraft ab¬
zulegen. Diese, halb liegend in ihren offenen Gondeln, betrachten diese
ganze Scene mit eine^ orientalischen Unbeweglichkeit; Einige, noch trä¬
ger, sind zu Haus geblieben und betrachten die Spazierfahrer beim Vor¬
überkommen von der Höhe ihres maurischen Balkons herab, und wenn
man die lebhaften Blicke bemerkt, die sie unter ihren schwar¬
zen Augenwimpern, hervorschleudern, so möchte man fast glau¬
ben, es seien noch die Venetianerinnen von ehemals, deren ganze Seele
und Schönheit, zum Verdruß aller Eifersüchtigen, aus den Oeffnungen
der Larven hervorleuchtete. An der Lagune angelangt, sangen alle
Gondeln an, in derselben einen ungeheuren Bogen zu beschreiben, und
da gilt es nun, gedrängt, aufeinander gehäuft, gestoßen, einander zu
übertreffen. Diese lärmende, betäubende Runde ist die närrischste Sache,
die man sehen kann. Die Barken, gleich Rossen eines Wettmmms ge¬
schleudert, scheinen wie diese lebendig zu sein; ihre stählernen Sporen
stoßen aneinander; ihre Seiten berühren einander, aber ohne daß je ein
Unfalldaraus entstehen kann; soschlanknnd entschlüpfend sind sie. Die Gondo¬
liere mit ihrer südlichen Lebhaftigkeit, schreien, bewegen sich heftig hin
und her, fordern einander heraus, ohne sich um ihre Herrn zu küm¬
mern, deren durchaus sinnliche Ruhe mit ihrer Lebhaftigkeit contrastirt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/345>, abgerufen am 04.07.2024.