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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Wenn man liest, daß die Rcrchcl am Tage ihrer Volljährigkeit einen Contract
mit dem Theatre frau?ais abgeschlossen hat, worin ihr ein jährlicher Gehalt von
42,000 Franken zugesichert wird, so schlägt man in Deutschland die Hände über
dem Kopfe zusammen. Ja, in Paris -- ruft man aus -- da wird die Kunst be¬
lohnt, da ist es eine Lust, Schauspieler zu sein! Und doch giebt es deutsche Sän-
gerinnen und Schauspieler, deren jährliche Einnahme jener Summe nicht viel nach"
steht, besonders wenn man bedenkt, daß die französischen Bühnenkünstler die Kosten
ihrer Garderobe aus ihren eigenen Mitteln bestreiten müssen, während die deutschen
hierin von der Direction versehen werden. Man versichert, daß die jährliche Ein¬
nahme Emil Devrients, Gastspiele und feste Gage ineinander gerechnet, nicht viel
weniger als 13,000 Franken betragen soll. Freilich ist dieser Schauspieler stets auf
der Wanderschaft begriffen. Herr Emil Devrient gebraucht übrigens bei seinen
Gastspielen einen ganz eigenthümlichen Kunstgriff. Um sich die bedeutendsten Stim¬
men der Journalistik zu sichern, studirt er jedesmal, bevor er eine Reise antritt,
das Drama eines Schriftstellers ein, von dem er weiß, daß er in der Presse einen
zahlreichen Anhang besitzt. Vor zwei Jahren war es der Richard Savage von Gutz-
kow, diesmal Laubes MonaldeSchi. Auf diese Weise ist er sicher, daß überall, wo¬
hin er kömmt und das Stück zum ersten Male zur Aufführung bringt, allsogleich ein
ganzer Stoß von Correspondenzen nach allen Richtungen ausgesendet wird, welche
das Stück analvsircn, kritisiren, cidmiriren und collportiren. Bei dieser Gelegen¬
heit kann er sicher sein, nicht leer auszugehen, denn nach deutscher Manier folgt
stets nach jeder Recension der stereotype Schweif: die Aufführung ist der Dichtung
würdig. Namentlich war Herr Devrient in jeden? Zoll -- u. s. w.--

-- Ein neues Preßvergehen -- sagt Alphons Karr -- ergab sich dieser Tage,
welches Frankreich leicht mit Rußland undDeulschland entzweienkönnte. DcrDrucker
des Gloüe hat in diesem Journale folgende gefährliche Stelle stehen lassen: "Herr
Dupont hat Mittel gefunden, in Deutschland und Rußland alte Shawls zu ver--'
kaufen; er ladet somit die Damen von Paris, welche Lust bezeigen, solche gegen
neue zu vertauschen, hiermit ein, in seinem Magazine, Chaussee d'Artim, arm"
sprechen." -- Wie! glaubt man etwa, daß die Deutschen und die Russen es ruhig
mit ansehen werden, wenn die französische Presse Europa glauben machen will,
daß ihre Damen mit alten Shawls sich pichen, welche die Französinnen nicht mehr
tragen wollen? Es ist von dem Drucker des Globe schlecht gehandelt, daß er auf
diese Weise die Abwesenheit des russischen Gesandten von Paris mißbraucht, da
dieser sonst gewiß auf eine Ehrenerklärung gedrungen hätte. Ist es etwa nicht
genug, daß Rußland uns unsere alten Sängerinnen und Tänzerinnen abnimmt?




Druck und Vettag de" deutschen V-rlagScomvtolrö in Brüssel,

Wenn man liest, daß die Rcrchcl am Tage ihrer Volljährigkeit einen Contract
mit dem Theatre frau?ais abgeschlossen hat, worin ihr ein jährlicher Gehalt von
42,000 Franken zugesichert wird, so schlägt man in Deutschland die Hände über
dem Kopfe zusammen. Ja, in Paris — ruft man aus — da wird die Kunst be¬
lohnt, da ist es eine Lust, Schauspieler zu sein! Und doch giebt es deutsche Sän-
gerinnen und Schauspieler, deren jährliche Einnahme jener Summe nicht viel nach»
steht, besonders wenn man bedenkt, daß die französischen Bühnenkünstler die Kosten
ihrer Garderobe aus ihren eigenen Mitteln bestreiten müssen, während die deutschen
hierin von der Direction versehen werden. Man versichert, daß die jährliche Ein¬
nahme Emil Devrients, Gastspiele und feste Gage ineinander gerechnet, nicht viel
weniger als 13,000 Franken betragen soll. Freilich ist dieser Schauspieler stets auf
der Wanderschaft begriffen. Herr Emil Devrient gebraucht übrigens bei seinen
Gastspielen einen ganz eigenthümlichen Kunstgriff. Um sich die bedeutendsten Stim¬
men der Journalistik zu sichern, studirt er jedesmal, bevor er eine Reise antritt,
das Drama eines Schriftstellers ein, von dem er weiß, daß er in der Presse einen
zahlreichen Anhang besitzt. Vor zwei Jahren war es der Richard Savage von Gutz-
kow, diesmal Laubes MonaldeSchi. Auf diese Weise ist er sicher, daß überall, wo¬
hin er kömmt und das Stück zum ersten Male zur Aufführung bringt, allsogleich ein
ganzer Stoß von Correspondenzen nach allen Richtungen ausgesendet wird, welche
das Stück analvsircn, kritisiren, cidmiriren und collportiren. Bei dieser Gelegen¬
heit kann er sicher sein, nicht leer auszugehen, denn nach deutscher Manier folgt
stets nach jeder Recension der stereotype Schweif: die Aufführung ist der Dichtung
würdig. Namentlich war Herr Devrient in jeden? Zoll — u. s. w.--

— Ein neues Preßvergehen — sagt Alphons Karr — ergab sich dieser Tage,
welches Frankreich leicht mit Rußland undDeulschland entzweienkönnte. DcrDrucker
des Gloüe hat in diesem Journale folgende gefährliche Stelle stehen lassen: „Herr
Dupont hat Mittel gefunden, in Deutschland und Rußland alte Shawls zu ver--'
kaufen; er ladet somit die Damen von Paris, welche Lust bezeigen, solche gegen
neue zu vertauschen, hiermit ein, in seinem Magazine, Chaussee d'Artim, arm«
sprechen." — Wie! glaubt man etwa, daß die Deutschen und die Russen es ruhig
mit ansehen werden, wenn die französische Presse Europa glauben machen will,
daß ihre Damen mit alten Shawls sich pichen, welche die Französinnen nicht mehr
tragen wollen? Es ist von dem Drucker des Globe schlecht gehandelt, daß er auf
diese Weise die Abwesenheit des russischen Gesandten von Paris mißbraucht, da
dieser sonst gewiß auf eine Ehrenerklärung gedrungen hätte. Ist es etwa nicht
genug, daß Rußland uns unsere alten Sängerinnen und Tänzerinnen abnimmt?




Druck und Vettag de» deutschen V-rlagScomvtolrö in Brüssel,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/330>, abgerufen am 30.06.2024.