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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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der Armada zugekommen ist. Die Mittheilung, welche ihm nun Quinola macht,
bringt ihn zum Entzücken; denn, wie gesagt, es ist eine schändliche Verleumdung,
daß Philipp II. ein argwöhnischer Mensch war, im Gegentheil er glaubt Alles,
was man ihm erzählt, auss erste Wort. Er verspricht dem Quinola allsogleich,
seinen Herrn zum Herzog und Grand von Spanien zu machen, sobald er mit sei¬
nem Dampfschiff das erste Mal unter Segel geht. Quinola kömmt zurück, dringt
mit dem königlichen Befehl in die Gefängnisse der Inquisition, wo sein Herr eben
von dem Inquisitor mit Folter und Tod bedroht wird, wenn er sein Geheimniß
ihm nicht entdecket Damit endet das Vorspiel. Nun erst beginnen die 6 Acte
des eigentlichen Lustspiels. Philipp in. hat dem Genie Fontanares allen möglichen
Glauben, aber keinen Pfennig Geld geschenkt, und doch sollen Dampfmaschinen ge¬
baut werden, und dazu im Jahre 15SS, wo die Mechanik um einige Kleinigkeiten
noch zurück ist. Da kommen Arbeiter, Wucherer, Liebe Vormünder, Verlegenheiten,
Gemeinheiten und endlich die allgemeine Ermüdung des Publicums und der Unter¬
gang des Stücks, grade wie bei dem Vautrin unseligen Andenkens. Vautrin und
Quinola sind so ziemlich aus einer Familie. Ich empfehle Ihnen die Kritik Za-
nins über dieses Stück zu lesen. Es kömmt im Vautrin -- sagt Janin -- eine
sonderbare Stelle vor: "Man hört einen Augenblick den Ausruf
Prrrrrr!" Nun wohl dieses prrrrrr! zeigt den ganzen Sept des Quinola an.
Man macht prrrrrr durch 6 Acte, dieses prrrrrr, kömmt in allen Tonarten vor bei
dem König, bei dem Großinquisitor, bei den Dieben, bei den Arbeitern, überall
Prrrrrr I

Ein neuer Tenor Delahape ist in der großen Oper aufgetreten und macht
die ohnehin bereits welken Lorbeern des Duprez vollständig erbleichen. Der junge
Mann hat neben der Kunst zu singen und seine Stimme in'S glanzvolle Licht zu stel¬
len auch noch eine andere, nicht minder wichtige Kunst gelernt, nämlich die, die
Stimmen der Journale volltönend hören zu lassen. Herr Berlioz, der famose Re¬
censent, geht in seinem Eifer gar so weit, daß er von dem jungen Künstur rühmt:
daß er im Tact singt! -- Sie können denken, wie hier die andern Ovcristen
bestellt sind, wenn, man das einem ersten Sänger der großen Oper als Ruhm
nachsagt, was in Deutschland die erste Bedingung eines Anfängers ist, der in einer
kleinen Stadtkirche seinen schüchternen Tenor in einer Messe hören läßt. Ueberhaupt
ist die musicalisch c Bildung trotz der vielen Celebritäten, die hier leben, doch im
Ganzen erbärmlich. Es giebt in der Musik, wie in der Wissenschaft, hier blos
Millionäre und Bettler, jener Mittelstand, der in Deutschland herrscht, nicht glän¬
zend, aber wohlhabend, kurz eine DurchschnittökÄdung ist hier nicht zu finden. Der
Franzose ist in der Kunst, wie in der Politik, entweder heiß oder kalt. Die Wärme
ist eine deutsche Temperatur.


der Armada zugekommen ist. Die Mittheilung, welche ihm nun Quinola macht,
bringt ihn zum Entzücken; denn, wie gesagt, es ist eine schändliche Verleumdung,
daß Philipp II. ein argwöhnischer Mensch war, im Gegentheil er glaubt Alles,
was man ihm erzählt, auss erste Wort. Er verspricht dem Quinola allsogleich,
seinen Herrn zum Herzog und Grand von Spanien zu machen, sobald er mit sei¬
nem Dampfschiff das erste Mal unter Segel geht. Quinola kömmt zurück, dringt
mit dem königlichen Befehl in die Gefängnisse der Inquisition, wo sein Herr eben
von dem Inquisitor mit Folter und Tod bedroht wird, wenn er sein Geheimniß
ihm nicht entdecket Damit endet das Vorspiel. Nun erst beginnen die 6 Acte
des eigentlichen Lustspiels. Philipp in. hat dem Genie Fontanares allen möglichen
Glauben, aber keinen Pfennig Geld geschenkt, und doch sollen Dampfmaschinen ge¬
baut werden, und dazu im Jahre 15SS, wo die Mechanik um einige Kleinigkeiten
noch zurück ist. Da kommen Arbeiter, Wucherer, Liebe Vormünder, Verlegenheiten,
Gemeinheiten und endlich die allgemeine Ermüdung des Publicums und der Unter¬
gang des Stücks, grade wie bei dem Vautrin unseligen Andenkens. Vautrin und
Quinola sind so ziemlich aus einer Familie. Ich empfehle Ihnen die Kritik Za-
nins über dieses Stück zu lesen. Es kömmt im Vautrin — sagt Janin — eine
sonderbare Stelle vor: »Man hört einen Augenblick den Ausruf
Prrrrrr!" Nun wohl dieses prrrrrr! zeigt den ganzen Sept des Quinola an.
Man macht prrrrrr durch 6 Acte, dieses prrrrrr, kömmt in allen Tonarten vor bei
dem König, bei dem Großinquisitor, bei den Dieben, bei den Arbeitern, überall
Prrrrrr I

Ein neuer Tenor Delahape ist in der großen Oper aufgetreten und macht
die ohnehin bereits welken Lorbeern des Duprez vollständig erbleichen. Der junge
Mann hat neben der Kunst zu singen und seine Stimme in'S glanzvolle Licht zu stel¬
len auch noch eine andere, nicht minder wichtige Kunst gelernt, nämlich die, die
Stimmen der Journale volltönend hören zu lassen. Herr Berlioz, der famose Re¬
censent, geht in seinem Eifer gar so weit, daß er von dem jungen Künstur rühmt:
daß er im Tact singt! — Sie können denken, wie hier die andern Ovcristen
bestellt sind, wenn, man das einem ersten Sänger der großen Oper als Ruhm
nachsagt, was in Deutschland die erste Bedingung eines Anfängers ist, der in einer
kleinen Stadtkirche seinen schüchternen Tenor in einer Messe hören läßt. Ueberhaupt
ist die musicalisch c Bildung trotz der vielen Celebritäten, die hier leben, doch im
Ganzen erbärmlich. Es giebt in der Musik, wie in der Wissenschaft, hier blos
Millionäre und Bettler, jener Mittelstand, der in Deutschland herrscht, nicht glän¬
zend, aber wohlhabend, kurz eine DurchschnittökÄdung ist hier nicht zu finden. Der
Franzose ist in der Kunst, wie in der Politik, entweder heiß oder kalt. Die Wärme
ist eine deutsche Temperatur.


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[0323] der Armada zugekommen ist. Die Mittheilung, welche ihm nun Quinola macht, bringt ihn zum Entzücken; denn, wie gesagt, es ist eine schändliche Verleumdung, daß Philipp II. ein argwöhnischer Mensch war, im Gegentheil er glaubt Alles, was man ihm erzählt, auss erste Wort. Er verspricht dem Quinola allsogleich, seinen Herrn zum Herzog und Grand von Spanien zu machen, sobald er mit sei¬ nem Dampfschiff das erste Mal unter Segel geht. Quinola kömmt zurück, dringt mit dem königlichen Befehl in die Gefängnisse der Inquisition, wo sein Herr eben von dem Inquisitor mit Folter und Tod bedroht wird, wenn er sein Geheimniß ihm nicht entdecket Damit endet das Vorspiel. Nun erst beginnen die 6 Acte des eigentlichen Lustspiels. Philipp in. hat dem Genie Fontanares allen möglichen Glauben, aber keinen Pfennig Geld geschenkt, und doch sollen Dampfmaschinen ge¬ baut werden, und dazu im Jahre 15SS, wo die Mechanik um einige Kleinigkeiten noch zurück ist. Da kommen Arbeiter, Wucherer, Liebe Vormünder, Verlegenheiten, Gemeinheiten und endlich die allgemeine Ermüdung des Publicums und der Unter¬ gang des Stücks, grade wie bei dem Vautrin unseligen Andenkens. Vautrin und Quinola sind so ziemlich aus einer Familie. Ich empfehle Ihnen die Kritik Za- nins über dieses Stück zu lesen. Es kömmt im Vautrin — sagt Janin — eine sonderbare Stelle vor: »Man hört einen Augenblick den Ausruf Prrrrrr!" Nun wohl dieses prrrrrr! zeigt den ganzen Sept des Quinola an. Man macht prrrrrr durch 6 Acte, dieses prrrrrr, kömmt in allen Tonarten vor bei dem König, bei dem Großinquisitor, bei den Dieben, bei den Arbeitern, überall Prrrrrr I Ein neuer Tenor Delahape ist in der großen Oper aufgetreten und macht die ohnehin bereits welken Lorbeern des Duprez vollständig erbleichen. Der junge Mann hat neben der Kunst zu singen und seine Stimme in'S glanzvolle Licht zu stel¬ len auch noch eine andere, nicht minder wichtige Kunst gelernt, nämlich die, die Stimmen der Journale volltönend hören zu lassen. Herr Berlioz, der famose Re¬ censent, geht in seinem Eifer gar so weit, daß er von dem jungen Künstur rühmt: daß er im Tact singt! — Sie können denken, wie hier die andern Ovcristen bestellt sind, wenn, man das einem ersten Sänger der großen Oper als Ruhm nachsagt, was in Deutschland die erste Bedingung eines Anfängers ist, der in einer kleinen Stadtkirche seinen schüchternen Tenor in einer Messe hören läßt. Ueberhaupt ist die musicalisch c Bildung trotz der vielen Celebritäten, die hier leben, doch im Ganzen erbärmlich. Es giebt in der Musik, wie in der Wissenschaft, hier blos Millionäre und Bettler, jener Mittelstand, der in Deutschland herrscht, nicht glän¬ zend, aber wohlhabend, kurz eine DurchschnittökÄdung ist hier nicht zu finden. Der Franzose ist in der Kunst, wie in der Politik, entweder heiß oder kalt. Die Wärme ist eine deutsche Temperatur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/323>, abgerufen am 22.12.2024.