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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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heraus, und das bisher Errathene erhält documcntirte Bestätigung. Die deutschen
Schauspieler, welche den König in Schillers ,Don Carlos zu spielen Haben, würden
hier gute Studien machen können. Zum Beispiel ans folgendem Brief, den Phi¬
lipp kurz nach der Hinrichtung deö Prinzen an den Herzog von Alba adressirt:
"Mein Vetter! Da es Gott wohlgefällig war, meinen sehr theuren und vielgelieb¬
ten Sohn zu sich zu nehmen, so könnt Ihr Euch fürstcllen, in welchem Schmerz
und in welcher Traurigkeit ich mich befinde. Sein Hinscheiden geschah am 24 die¬
ses Monats, nachdem er drei Tage vorher mit großer Ergebung seine Sacramente
empfangen hatte; sein Ende war sehr christlich und voll Reue und Zerknirschung,
was mir zu vielem Troste und zur großen Erleichterung in dieser Arbeit gewesen
ist; denn ich hoffe zu der Barmherzigkeit Gottes, da? sie ihn deßwegen zu sich ge¬
rufen hat, um sich für immer seiner zu erfreuen, und daß er mir mit seiner Gnade
beistehen werde, damit ich in Hingebung an seinen göttlichen Willen diese Trau¬
rigkeit mit Geduld und Muth ertrage, wie es sich gebührt." Ist dieses nicht ein
Prachtstück von Hvpocrisie? -- Eine werthvolle Beigabe des Buches ist auch das
vollständige Verhör des Grafen Egmont', wie es im Original zu Protocoll ge¬
bracht wurde. Ist in diesem Aktenstück nichts verfälscht worden, und sind die
' Schreiber desselben gewissenhaft zu Werke gegangen, dann ist der Richterspruch, der
den Egmont getroffen, nach göttlichen wie nach menschlichen Gesetzen gerecht und
billig, -- Das Buch sollte in keiner bedeutenden Bilbliothek fehlen, Leider sind
nur 200 Exemplare dein Buchhandel übergeben worden.




FeciNgrath,

Von Freiligraths Gedichten erscheint die fünfte Ausgabe, Dieses'ist ein Trost
fijr alle Freunde seiner Muse. Das materielle Leben eines Dichters will auch ge¬
sichert sein. Freiligrath ist ein noch junger Mann; mit welchen Hoffnungen sieht ihn
die Zukunft an? , Er versteht es nicht, mit der Pflugschaar der Prosa, das täg¬
liche Brod - versteht sich Schwarzbrod - zu gewinnen. Der Plan mit der "Bri-
tania" ist gescheitert, vielleicht zu seinem Glücke, denn im TageSwimmel des journa¬
listischen Geschäfts hätte der Poet sich vielleicht aufgezehrt und seinen Ruhm wieder
verspielt. In Frankreich thut die Negierung etwas für den Dichter, dessen Hände zu
weich sind, um mit Elle und Scheere das Leben zu gewinnen. In Deutschland setzt
man Monumente, aber nur nachdem der Dichter verhungert ist. Bei uns muß der
Buchhändler,die Stelle der Regierung übernehmen und den Dichter zu versorgen
trachten. , . , , , >




heraus, und das bisher Errathene erhält documcntirte Bestätigung. Die deutschen
Schauspieler, welche den König in Schillers ,Don Carlos zu spielen Haben, würden
hier gute Studien machen können. Zum Beispiel ans folgendem Brief, den Phi¬
lipp kurz nach der Hinrichtung deö Prinzen an den Herzog von Alba adressirt:
„Mein Vetter! Da es Gott wohlgefällig war, meinen sehr theuren und vielgelieb¬
ten Sohn zu sich zu nehmen, so könnt Ihr Euch fürstcllen, in welchem Schmerz
und in welcher Traurigkeit ich mich befinde. Sein Hinscheiden geschah am 24 die¬
ses Monats, nachdem er drei Tage vorher mit großer Ergebung seine Sacramente
empfangen hatte; sein Ende war sehr christlich und voll Reue und Zerknirschung,
was mir zu vielem Troste und zur großen Erleichterung in dieser Arbeit gewesen
ist; denn ich hoffe zu der Barmherzigkeit Gottes, da? sie ihn deßwegen zu sich ge¬
rufen hat, um sich für immer seiner zu erfreuen, und daß er mir mit seiner Gnade
beistehen werde, damit ich in Hingebung an seinen göttlichen Willen diese Trau¬
rigkeit mit Geduld und Muth ertrage, wie es sich gebührt." Ist dieses nicht ein
Prachtstück von Hvpocrisie? — Eine werthvolle Beigabe des Buches ist auch das
vollständige Verhör des Grafen Egmont', wie es im Original zu Protocoll ge¬
bracht wurde. Ist in diesem Aktenstück nichts verfälscht worden, und sind die
' Schreiber desselben gewissenhaft zu Werke gegangen, dann ist der Richterspruch, der
den Egmont getroffen, nach göttlichen wie nach menschlichen Gesetzen gerecht und
billig, — Das Buch sollte in keiner bedeutenden Bilbliothek fehlen, Leider sind
nur 200 Exemplare dein Buchhandel übergeben worden.




FeciNgrath,

Von Freiligraths Gedichten erscheint die fünfte Ausgabe, Dieses'ist ein Trost
fijr alle Freunde seiner Muse. Das materielle Leben eines Dichters will auch ge¬
sichert sein. Freiligrath ist ein noch junger Mann; mit welchen Hoffnungen sieht ihn
die Zukunft an? , Er versteht es nicht, mit der Pflugschaar der Prosa, das täg¬
liche Brod - versteht sich Schwarzbrod - zu gewinnen. Der Plan mit der „Bri-
tania" ist gescheitert, vielleicht zu seinem Glücke, denn im TageSwimmel des journa¬
listischen Geschäfts hätte der Poet sich vielleicht aufgezehrt und seinen Ruhm wieder
verspielt. In Frankreich thut die Negierung etwas für den Dichter, dessen Hände zu
weich sind, um mit Elle und Scheere das Leben zu gewinnen. In Deutschland setzt
man Monumente, aber nur nachdem der Dichter verhungert ist. Bei uns muß der
Buchhändler,die Stelle der Regierung übernehmen und den Dichter zu versorgen
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[0135] heraus, und das bisher Errathene erhält documcntirte Bestätigung. Die deutschen Schauspieler, welche den König in Schillers ,Don Carlos zu spielen Haben, würden hier gute Studien machen können. Zum Beispiel ans folgendem Brief, den Phi¬ lipp kurz nach der Hinrichtung deö Prinzen an den Herzog von Alba adressirt: „Mein Vetter! Da es Gott wohlgefällig war, meinen sehr theuren und vielgelieb¬ ten Sohn zu sich zu nehmen, so könnt Ihr Euch fürstcllen, in welchem Schmerz und in welcher Traurigkeit ich mich befinde. Sein Hinscheiden geschah am 24 die¬ ses Monats, nachdem er drei Tage vorher mit großer Ergebung seine Sacramente empfangen hatte; sein Ende war sehr christlich und voll Reue und Zerknirschung, was mir zu vielem Troste und zur großen Erleichterung in dieser Arbeit gewesen ist; denn ich hoffe zu der Barmherzigkeit Gottes, da? sie ihn deßwegen zu sich ge¬ rufen hat, um sich für immer seiner zu erfreuen, und daß er mir mit seiner Gnade beistehen werde, damit ich in Hingebung an seinen göttlichen Willen diese Trau¬ rigkeit mit Geduld und Muth ertrage, wie es sich gebührt." Ist dieses nicht ein Prachtstück von Hvpocrisie? — Eine werthvolle Beigabe des Buches ist auch das vollständige Verhör des Grafen Egmont', wie es im Original zu Protocoll ge¬ bracht wurde. Ist in diesem Aktenstück nichts verfälscht worden, und sind die ' Schreiber desselben gewissenhaft zu Werke gegangen, dann ist der Richterspruch, der den Egmont getroffen, nach göttlichen wie nach menschlichen Gesetzen gerecht und billig, — Das Buch sollte in keiner bedeutenden Bilbliothek fehlen, Leider sind nur 200 Exemplare dein Buchhandel übergeben worden. FeciNgrath, Von Freiligraths Gedichten erscheint die fünfte Ausgabe, Dieses'ist ein Trost fijr alle Freunde seiner Muse. Das materielle Leben eines Dichters will auch ge¬ sichert sein. Freiligrath ist ein noch junger Mann; mit welchen Hoffnungen sieht ihn die Zukunft an? , Er versteht es nicht, mit der Pflugschaar der Prosa, das täg¬ liche Brod - versteht sich Schwarzbrod - zu gewinnen. Der Plan mit der „Bri- tania" ist gescheitert, vielleicht zu seinem Glücke, denn im TageSwimmel des journa¬ listischen Geschäfts hätte der Poet sich vielleicht aufgezehrt und seinen Ruhm wieder verspielt. In Frankreich thut die Negierung etwas für den Dichter, dessen Hände zu weich sind, um mit Elle und Scheere das Leben zu gewinnen. In Deutschland setzt man Monumente, aber nur nachdem der Dichter verhungert ist. Bei uns muß der Buchhändler,die Stelle der Regierung übernehmen und den Dichter zu versorgen trachten. , . , , , >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/135>, abgerufen am 22.06.2024.