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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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stimm SchützUng keine großen Complimente gemacht; sein Ideengang glich un¬
gefähr den Vertheidigungen, die man für eilte die Wirthshaus-Patrioten zu hören
pflegt. Die Advokaten dieser Leute Pflegen zu sagen: "Meine Herren Richter,
sehen Sie meinen Clienten und sagen Sie mir, auf Ihr Gewissen, ob er der Ge¬
sellschaft gefährlich sein kann,? Er, das Land umwälzen? Aber er ist ja stupid
dumm! Er, Revolutionen herbeiführen? Er ist ja geistlos wie ein Cretin. Haben
Sie also keine Furcht." Herr Cr>!micur sprach ungefähr ebenso, und das muß den
Redakteurs des Charivari unendlich schmeichelhaft gewesen sein; er sagte in seiner
Vertheidigung: "Und weßhalb um all dieser Lärm? Ist es um des National willen?
nein; um des Courier allein? eben so wenig; wegen des Si^cle? keinesweges; oder
des Constitutionel halber? Auch nicht; eS ist nur um des Charivari willen. Nun
wahrhaftig, das lohnt der Mühe; das ist ja ein unbedeutendes Journal, ohne die
mindeste Wichtigkeit, das nicht die mindeste Aufmerksamkeit verdient und dem ver¬
nünftige Leute Unrecht thun einige Achtsamkeit zu widmen. Ein solches Journal ist
außer Stand irgend Böses zu thun, so niedrig steht es, so erbärmlich ist es. Es
beleidigt Jemanden? Mein Gott! Man höre gar nicht darauf! Es schmäht und
verläumdet? Man lache darüber. Man behandle es wie ein Kind das stammelt,
aber nicht spricht, oder wenn es auch spricht, nichts dabei denkt! Dies ist ungefähr
der summarische Inhalt der Vertheidigungsrede die Herr Cit-mieur für den Charivari
hielt; in Folge dessen ist auch das arme Journal jetzt, wo wir dies schreiben, nicht
allein verurteilt, sondern auch noch lächerlich gemacht. Das ist um die Halse'
zu Viel!

In einem Briefe von A. Weilt in unsrer letzten Nummer ^ wurde eines Con-
zcrtes erwähnt, welches die Redaktion der musikalische!! Zeitung in Paris geben
wollte, und welches von Seiten des Gerichts verhindert wurde. Auch hierin spielt
das famose in der neuesten Zeit so vielbesprochene Stabat von Rossini die Haupt¬
rolle. Vielleicht einzig in den Jahrbüchern der Kunst sind die Vorgänge, die das
Stück Kirchenmusik herbeiführt, durch welches der Componist des Wilhelm Tell
seinen Feinden wie seinen Freunden einen Beweis seines Daseins gab. Man weiß,
daß sich zwei Musikalienhändler, TroupenaS und Schlcsinger, als Eigenthümer des
Le"1>le ausgeben, und einander das Recht der Herausgabe streitig machen. Der
Gerichtshof, vor dem die Sache anhängig geworden, findet, daß beide ziemlich
ernsthafte Ansprüche haben, und verschiebt seinen Urtheilsspruch von Woche zu
Woche. Es scheint uns, daß ein salomonisches Urtheil allein die Schwierig¬
keit heben kann, und daß eine Theilung des strittigen Eigenthums in zwei
gleiche Hälften das beste Mittel wäre, um beiden Bewerbern zu helfen. Und zwar
müßte das rasch geschehen; denn wenn wir gut unterrichtet find, besitzen beide serai.
deuten arteien nur eine Co in des berüchtigten 8t"I>->t, die man, wenn man will


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stimm SchützUng keine großen Complimente gemacht; sein Ideengang glich un¬
gefähr den Vertheidigungen, die man für eilte die Wirthshaus-Patrioten zu hören
pflegt. Die Advokaten dieser Leute Pflegen zu sagen: „Meine Herren Richter,
sehen Sie meinen Clienten und sagen Sie mir, auf Ihr Gewissen, ob er der Ge¬
sellschaft gefährlich sein kann,? Er, das Land umwälzen? Aber er ist ja stupid
dumm! Er, Revolutionen herbeiführen? Er ist ja geistlos wie ein Cretin. Haben
Sie also keine Furcht." Herr Cr>!micur sprach ungefähr ebenso, und das muß den
Redakteurs des Charivari unendlich schmeichelhaft gewesen sein; er sagte in seiner
Vertheidigung: „Und weßhalb um all dieser Lärm? Ist es um des National willen?
nein; um des Courier allein? eben so wenig; wegen des Si^cle? keinesweges; oder
des Constitutionel halber? Auch nicht; eS ist nur um des Charivari willen. Nun
wahrhaftig, das lohnt der Mühe; das ist ja ein unbedeutendes Journal, ohne die
mindeste Wichtigkeit, das nicht die mindeste Aufmerksamkeit verdient und dem ver¬
nünftige Leute Unrecht thun einige Achtsamkeit zu widmen. Ein solches Journal ist
außer Stand irgend Böses zu thun, so niedrig steht es, so erbärmlich ist es. Es
beleidigt Jemanden? Mein Gott! Man höre gar nicht darauf! Es schmäht und
verläumdet? Man lache darüber. Man behandle es wie ein Kind das stammelt,
aber nicht spricht, oder wenn es auch spricht, nichts dabei denkt! Dies ist ungefähr
der summarische Inhalt der Vertheidigungsrede die Herr Cit-mieur für den Charivari
hielt; in Folge dessen ist auch das arme Journal jetzt, wo wir dies schreiben, nicht
allein verurteilt, sondern auch noch lächerlich gemacht. Das ist um die Halse'
zu Viel!

In einem Briefe von A. Weilt in unsrer letzten Nummer ^ wurde eines Con-
zcrtes erwähnt, welches die Redaktion der musikalische!! Zeitung in Paris geben
wollte, und welches von Seiten des Gerichts verhindert wurde. Auch hierin spielt
das famose in der neuesten Zeit so vielbesprochene Stabat von Rossini die Haupt¬
rolle. Vielleicht einzig in den Jahrbüchern der Kunst sind die Vorgänge, die das
Stück Kirchenmusik herbeiführt, durch welches der Componist des Wilhelm Tell
seinen Feinden wie seinen Freunden einen Beweis seines Daseins gab. Man weiß,
daß sich zwei Musikalienhändler, TroupenaS und Schlcsinger, als Eigenthümer des
Le»1>le ausgeben, und einander das Recht der Herausgabe streitig machen. Der
Gerichtshof, vor dem die Sache anhängig geworden, findet, daß beide ziemlich
ernsthafte Ansprüche haben, und verschiebt seinen Urtheilsspruch von Woche zu
Woche. Es scheint uns, daß ein salomonisches Urtheil allein die Schwierig¬
keit heben kann, und daß eine Theilung des strittigen Eigenthums in zwei
gleiche Hälften das beste Mittel wäre, um beiden Bewerbern zu helfen. Und zwar
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[0133] stimm SchützUng keine großen Complimente gemacht; sein Ideengang glich un¬ gefähr den Vertheidigungen, die man für eilte die Wirthshaus-Patrioten zu hören pflegt. Die Advokaten dieser Leute Pflegen zu sagen: „Meine Herren Richter, sehen Sie meinen Clienten und sagen Sie mir, auf Ihr Gewissen, ob er der Ge¬ sellschaft gefährlich sein kann,? Er, das Land umwälzen? Aber er ist ja stupid dumm! Er, Revolutionen herbeiführen? Er ist ja geistlos wie ein Cretin. Haben Sie also keine Furcht." Herr Cr>!micur sprach ungefähr ebenso, und das muß den Redakteurs des Charivari unendlich schmeichelhaft gewesen sein; er sagte in seiner Vertheidigung: „Und weßhalb um all dieser Lärm? Ist es um des National willen? nein; um des Courier allein? eben so wenig; wegen des Si^cle? keinesweges; oder des Constitutionel halber? Auch nicht; eS ist nur um des Charivari willen. Nun wahrhaftig, das lohnt der Mühe; das ist ja ein unbedeutendes Journal, ohne die mindeste Wichtigkeit, das nicht die mindeste Aufmerksamkeit verdient und dem ver¬ nünftige Leute Unrecht thun einige Achtsamkeit zu widmen. Ein solches Journal ist außer Stand irgend Böses zu thun, so niedrig steht es, so erbärmlich ist es. Es beleidigt Jemanden? Mein Gott! Man höre gar nicht darauf! Es schmäht und verläumdet? Man lache darüber. Man behandle es wie ein Kind das stammelt, aber nicht spricht, oder wenn es auch spricht, nichts dabei denkt! Dies ist ungefähr der summarische Inhalt der Vertheidigungsrede die Herr Cit-mieur für den Charivari hielt; in Folge dessen ist auch das arme Journal jetzt, wo wir dies schreiben, nicht allein verurteilt, sondern auch noch lächerlich gemacht. Das ist um die Halse' zu Viel! In einem Briefe von A. Weilt in unsrer letzten Nummer ^ wurde eines Con- zcrtes erwähnt, welches die Redaktion der musikalische!! Zeitung in Paris geben wollte, und welches von Seiten des Gerichts verhindert wurde. Auch hierin spielt das famose in der neuesten Zeit so vielbesprochene Stabat von Rossini die Haupt¬ rolle. Vielleicht einzig in den Jahrbüchern der Kunst sind die Vorgänge, die das Stück Kirchenmusik herbeiführt, durch welches der Componist des Wilhelm Tell seinen Feinden wie seinen Freunden einen Beweis seines Daseins gab. Man weiß, daß sich zwei Musikalienhändler, TroupenaS und Schlcsinger, als Eigenthümer des Le»1>le ausgeben, und einander das Recht der Herausgabe streitig machen. Der Gerichtshof, vor dem die Sache anhängig geworden, findet, daß beide ziemlich ernsthafte Ansprüche haben, und verschiebt seinen Urtheilsspruch von Woche zu Woche. Es scheint uns, daß ein salomonisches Urtheil allein die Schwierig¬ keit heben kann, und daß eine Theilung des strittigen Eigenthums in zwei gleiche Hälften das beste Mittel wäre, um beiden Bewerbern zu helfen. Und zwar müßte das rasch geschehen; denn wenn wir gut unterrichtet find, besitzen beide serai. deuten arteien nur eine Co in des berüchtigten 8t»I>->t, die man, wenn man will 2V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/133>, abgerufen am 30.06.2024.