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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Europa oder wenigstens von Deutschland, den man bei dieser Ge¬
legenheit erwarten durfte und der sich dadurch nur selbst geehrt
hätte, denn Mozart steht viel zu hoch, um von Leuten wie Beriot,
Thalberg und dergleichen erst die Weihe der Anerkennung zu er¬
halten. Allein zum Theil steckten sich die hohen Geister der Mu¬
sikwelt hinter dringende Geschäfte. Sie, die in ihrem ganzen Leben
nichts zu thun haben als "den Interessen der Kunst (!)" zu leben
und den Erdball mit Siebenmeilenstiefeln zu durchrennen, fanden
nicht Zeit genug, um dreißig oder vierzig Meilen zu einem echten,
weihevollen Kunstfeste zu pilgern, zu der Ehrensäule eines unver¬
gänglichen Meisters, dein so zu sagen alle diese zwerghaften Epigo¬
nen ihren Ruf und ihr Brod verdanken! Auf der andern Seite ließ
es aber auch daS Comite an Aufmerksamkeit mangeln und über¬
haupt ist Salzburg zu sehr vom spießbürgerlichen Kleingeist beherrscht,
um sich in dem genannten Fall mit all jener Zuvorkommlichkeit und
urbaren Politesse benehmen zu können, die man an andern Orten
bei dergleichen Gelegenheiten gefunden hat. Die Bürger thaten
nichts für die erwarteten Fremden, deren Börse ihr alleiniges Ziel
blieb und es gab Menschen, welche für ein Zimmer l5 Gulden
täglich verlangten K), doch zum Glück war die Geldgier der Salz-
burger größer gewesen, als der Zudrang der Ankömmlinge, und da
über 300 Zimmer und Betten leer blieben, so ließen die ehrlichen
Leute halv mit sich handeln. Reisende, welche die Gutenbergsfeier
in Mainz oder nur das Musikfest in der Heidelberger Schloßruine
gesehen, versicherten einstimmig, es habe in Salzburg an jeder lau¬
ten echten Volkölust gefehlt,, wie man sie am Rhein so schön und,
erhebend finde, und die Leute hätten sich zwar streng polizeilich, aber
auch und eben deshalb sehr albern benommen. Für die Unterhal¬
tung der Fremden, unter welchen das musikliebende Prag am stärk¬
sten und das musikprunkende Wien am spärlichsten vertreten war,
hatte man sehr wenig gesorgt und ich kenne Personen, die sich an
den langen Vormittagen herzlich gelangweilt haben. Die geringe



D. Red.
Was das letztere betrifft, so könnten die frommen Cölner sich behaglich
den Bauch streicheln und mit gottseliger Blicken ausrufen: So haben wir es
auch gemacht!

Europa oder wenigstens von Deutschland, den man bei dieser Ge¬
legenheit erwarten durfte und der sich dadurch nur selbst geehrt
hätte, denn Mozart steht viel zu hoch, um von Leuten wie Beriot,
Thalberg und dergleichen erst die Weihe der Anerkennung zu er¬
halten. Allein zum Theil steckten sich die hohen Geister der Mu¬
sikwelt hinter dringende Geschäfte. Sie, die in ihrem ganzen Leben
nichts zu thun haben als „den Interessen der Kunst (!)" zu leben
und den Erdball mit Siebenmeilenstiefeln zu durchrennen, fanden
nicht Zeit genug, um dreißig oder vierzig Meilen zu einem echten,
weihevollen Kunstfeste zu pilgern, zu der Ehrensäule eines unver¬
gänglichen Meisters, dein so zu sagen alle diese zwerghaften Epigo¬
nen ihren Ruf und ihr Brod verdanken! Auf der andern Seite ließ
es aber auch daS Comite an Aufmerksamkeit mangeln und über¬
haupt ist Salzburg zu sehr vom spießbürgerlichen Kleingeist beherrscht,
um sich in dem genannten Fall mit all jener Zuvorkommlichkeit und
urbaren Politesse benehmen zu können, die man an andern Orten
bei dergleichen Gelegenheiten gefunden hat. Die Bürger thaten
nichts für die erwarteten Fremden, deren Börse ihr alleiniges Ziel
blieb und es gab Menschen, welche für ein Zimmer l5 Gulden
täglich verlangten K), doch zum Glück war die Geldgier der Salz-
burger größer gewesen, als der Zudrang der Ankömmlinge, und da
über 300 Zimmer und Betten leer blieben, so ließen die ehrlichen
Leute halv mit sich handeln. Reisende, welche die Gutenbergsfeier
in Mainz oder nur das Musikfest in der Heidelberger Schloßruine
gesehen, versicherten einstimmig, es habe in Salzburg an jeder lau¬
ten echten Volkölust gefehlt,, wie man sie am Rhein so schön und,
erhebend finde, und die Leute hätten sich zwar streng polizeilich, aber
auch und eben deshalb sehr albern benommen. Für die Unterhal¬
tung der Fremden, unter welchen das musikliebende Prag am stärk¬
sten und das musikprunkende Wien am spärlichsten vertreten war,
hatte man sehr wenig gesorgt und ich kenne Personen, die sich an
den langen Vormittagen herzlich gelangweilt haben. Die geringe



D. Red.
Was das letztere betrifft, so könnten die frommen Cölner sich behaglich
den Bauch streicheln und mit gottseliger Blicken ausrufen: So haben wir es
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[0532] Europa oder wenigstens von Deutschland, den man bei dieser Ge¬ legenheit erwarten durfte und der sich dadurch nur selbst geehrt hätte, denn Mozart steht viel zu hoch, um von Leuten wie Beriot, Thalberg und dergleichen erst die Weihe der Anerkennung zu er¬ halten. Allein zum Theil steckten sich die hohen Geister der Mu¬ sikwelt hinter dringende Geschäfte. Sie, die in ihrem ganzen Leben nichts zu thun haben als „den Interessen der Kunst (!)" zu leben und den Erdball mit Siebenmeilenstiefeln zu durchrennen, fanden nicht Zeit genug, um dreißig oder vierzig Meilen zu einem echten, weihevollen Kunstfeste zu pilgern, zu der Ehrensäule eines unver¬ gänglichen Meisters, dein so zu sagen alle diese zwerghaften Epigo¬ nen ihren Ruf und ihr Brod verdanken! Auf der andern Seite ließ es aber auch daS Comite an Aufmerksamkeit mangeln und über¬ haupt ist Salzburg zu sehr vom spießbürgerlichen Kleingeist beherrscht, um sich in dem genannten Fall mit all jener Zuvorkommlichkeit und urbaren Politesse benehmen zu können, die man an andern Orten bei dergleichen Gelegenheiten gefunden hat. Die Bürger thaten nichts für die erwarteten Fremden, deren Börse ihr alleiniges Ziel blieb und es gab Menschen, welche für ein Zimmer l5 Gulden täglich verlangten K), doch zum Glück war die Geldgier der Salz- burger größer gewesen, als der Zudrang der Ankömmlinge, und da über 300 Zimmer und Betten leer blieben, so ließen die ehrlichen Leute halv mit sich handeln. Reisende, welche die Gutenbergsfeier in Mainz oder nur das Musikfest in der Heidelberger Schloßruine gesehen, versicherten einstimmig, es habe in Salzburg an jeder lau¬ ten echten Volkölust gefehlt,, wie man sie am Rhein so schön und, erhebend finde, und die Leute hätten sich zwar streng polizeilich, aber auch und eben deshalb sehr albern benommen. Für die Unterhal¬ tung der Fremden, unter welchen das musikliebende Prag am stärk¬ sten und das musikprunkende Wien am spärlichsten vertreten war, hatte man sehr wenig gesorgt und ich kenne Personen, die sich an den langen Vormittagen herzlich gelangweilt haben. Die geringe D. Red. Was das letztere betrifft, so könnten die frommen Cölner sich behaglich den Bauch streicheln und mit gottseliger Blicken ausrufen: So haben wir es auch gemacht!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/532>, abgerufen am 23.07.2024.