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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Wünscht der Kaufmann auch eine Erweiterung des österreichi¬
schen Handclsgebieteö um jeden Preis, so muß dagegen der Fabri¬
kant, der von der Concurrenz der deutschen Industrie Alles zu fürcht
den hat, ganz Entgegengesetztes wünschen uns die Regierung muß
daher ohne Zweifel ihre Entschlüsse solchergestalt fassen, daß die
widerstrebenden Ansichten der Betheiligten vermittelt werden, und
eine wesentliche Erleichterung in Handelsbeziehungen eintreten, ohne sich
deshalb dem Zollverein ganz hinzugeben"). Auf diese neue Phase
im Verkehr weisen auch schon die Veränderungen im Postwesen hin,
die man wahre Verbesserungen nennen kann, was nicht immer der
Fall ist. Handel und Post bedingen sich wechselweise und die Re¬
form der letztern muß den Veränderungen im Erstem jedesmal
vorangehen. Hofrath Ottenfeld hat bekanntlich in München mit
der königlich baierischen Regierung einen vortheilhaften PostVertrag
abgeschlossen, welcher die Nothwendigkeit des Frankirenö aufhebt
und dem correspondirenden Publicum vielfach zu Statten kommt;
dieser Vertrag ist den mit Baden, Würtemberg, Sachsen und Preu¬
ßen angeknüpften Unterhandlungen zu Grunde gelegt und dürfte
sonach der Anfang einer neuorganisirten Postverbindung mit ganz
Deutschland werden.

Nachdem sich das Gerücht lange genug mit dem ersten Wie¬
deraustritt der Fanny Elster beschäftigt hatte, erscholl endlich in al¬
len Zeitungen und ni allen Ecken der Straßen die Jubelkunde:
Fanny Elster wird tanzen, nemlich im Hofoperntheater und noch
dazu zum Vortheil einer Kinderwarteschule, welche sich zwar ein
Haus gekauft, aber eS nicht bezahlt hatte. Der wohlthätige Zweck:
für eine Kinderwarteschule, entwaffnete selbst den moralischen Zorn
der tugendstrengen Frauen, die es sonst der freundlichen Tänzerin
niemals verzeihen konnten, durch ein leichtes Lächeln -- und Elster
lächelt immer -- Eroberungen gemacht zu haben, um die sie sich
.jahrelang bemüht hatten. Der Zudrang um die Billete zur Vor¬
stellung war beispiellos; die Logen waren im Nu vergeben und ein



*) Ein in ganz entgegengesetztem Sinne sich aussprechender Aufsatz, den
die Grenzboten in einer ihrer nächsten Lieferungen bringen werden, weist mit
überwiegenden Gründen die Vortheile nach, die Oesterreich ftrbst on6 einem
D. Red. Anschlusse an den Zollverein erwachsen würden. --

Wünscht der Kaufmann auch eine Erweiterung des österreichi¬
schen Handclsgebieteö um jeden Preis, so muß dagegen der Fabri¬
kant, der von der Concurrenz der deutschen Industrie Alles zu fürcht
den hat, ganz Entgegengesetztes wünschen uns die Regierung muß
daher ohne Zweifel ihre Entschlüsse solchergestalt fassen, daß die
widerstrebenden Ansichten der Betheiligten vermittelt werden, und
eine wesentliche Erleichterung in Handelsbeziehungen eintreten, ohne sich
deshalb dem Zollverein ganz hinzugeben»). Auf diese neue Phase
im Verkehr weisen auch schon die Veränderungen im Postwesen hin,
die man wahre Verbesserungen nennen kann, was nicht immer der
Fall ist. Handel und Post bedingen sich wechselweise und die Re¬
form der letztern muß den Veränderungen im Erstem jedesmal
vorangehen. Hofrath Ottenfeld hat bekanntlich in München mit
der königlich baierischen Regierung einen vortheilhaften PostVertrag
abgeschlossen, welcher die Nothwendigkeit des Frankirenö aufhebt
und dem correspondirenden Publicum vielfach zu Statten kommt;
dieser Vertrag ist den mit Baden, Würtemberg, Sachsen und Preu¬
ßen angeknüpften Unterhandlungen zu Grunde gelegt und dürfte
sonach der Anfang einer neuorganisirten Postverbindung mit ganz
Deutschland werden.

Nachdem sich das Gerücht lange genug mit dem ersten Wie¬
deraustritt der Fanny Elster beschäftigt hatte, erscholl endlich in al¬
len Zeitungen und ni allen Ecken der Straßen die Jubelkunde:
Fanny Elster wird tanzen, nemlich im Hofoperntheater und noch
dazu zum Vortheil einer Kinderwarteschule, welche sich zwar ein
Haus gekauft, aber eS nicht bezahlt hatte. Der wohlthätige Zweck:
für eine Kinderwarteschule, entwaffnete selbst den moralischen Zorn
der tugendstrengen Frauen, die es sonst der freundlichen Tänzerin
niemals verzeihen konnten, durch ein leichtes Lächeln — und Elster
lächelt immer — Eroberungen gemacht zu haben, um die sie sich
.jahrelang bemüht hatten. Der Zudrang um die Billete zur Vor¬
stellung war beispiellos; die Logen waren im Nu vergeben und ein



*) Ein in ganz entgegengesetztem Sinne sich aussprechender Aufsatz, den
die Grenzboten in einer ihrer nächsten Lieferungen bringen werden, weist mit
überwiegenden Gründen die Vortheile nach, die Oesterreich ftrbst on6 einem
D. Red. Anschlusse an den Zollverein erwachsen würden. —
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[0530] Wünscht der Kaufmann auch eine Erweiterung des österreichi¬ schen Handclsgebieteö um jeden Preis, so muß dagegen der Fabri¬ kant, der von der Concurrenz der deutschen Industrie Alles zu fürcht den hat, ganz Entgegengesetztes wünschen uns die Regierung muß daher ohne Zweifel ihre Entschlüsse solchergestalt fassen, daß die widerstrebenden Ansichten der Betheiligten vermittelt werden, und eine wesentliche Erleichterung in Handelsbeziehungen eintreten, ohne sich deshalb dem Zollverein ganz hinzugeben»). Auf diese neue Phase im Verkehr weisen auch schon die Veränderungen im Postwesen hin, die man wahre Verbesserungen nennen kann, was nicht immer der Fall ist. Handel und Post bedingen sich wechselweise und die Re¬ form der letztern muß den Veränderungen im Erstem jedesmal vorangehen. Hofrath Ottenfeld hat bekanntlich in München mit der königlich baierischen Regierung einen vortheilhaften PostVertrag abgeschlossen, welcher die Nothwendigkeit des Frankirenö aufhebt und dem correspondirenden Publicum vielfach zu Statten kommt; dieser Vertrag ist den mit Baden, Würtemberg, Sachsen und Preu¬ ßen angeknüpften Unterhandlungen zu Grunde gelegt und dürfte sonach der Anfang einer neuorganisirten Postverbindung mit ganz Deutschland werden. Nachdem sich das Gerücht lange genug mit dem ersten Wie¬ deraustritt der Fanny Elster beschäftigt hatte, erscholl endlich in al¬ len Zeitungen und ni allen Ecken der Straßen die Jubelkunde: Fanny Elster wird tanzen, nemlich im Hofoperntheater und noch dazu zum Vortheil einer Kinderwarteschule, welche sich zwar ein Haus gekauft, aber eS nicht bezahlt hatte. Der wohlthätige Zweck: für eine Kinderwarteschule, entwaffnete selbst den moralischen Zorn der tugendstrengen Frauen, die es sonst der freundlichen Tänzerin niemals verzeihen konnten, durch ein leichtes Lächeln — und Elster lächelt immer — Eroberungen gemacht zu haben, um die sie sich .jahrelang bemüht hatten. Der Zudrang um die Billete zur Vor¬ stellung war beispiellos; die Logen waren im Nu vergeben und ein *) Ein in ganz entgegengesetztem Sinne sich aussprechender Aufsatz, den die Grenzboten in einer ihrer nächsten Lieferungen bringen werden, weist mit überwiegenden Gründen die Vortheile nach, die Oesterreich ftrbst on6 einem D. Red. Anschlusse an den Zollverein erwachsen würden. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/530>, abgerufen am 29.09.2024.