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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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"So ward am Ende denn der Tanz verstört:^
Denn wer ist's, der dagegen sich noch wehrt !"

Nur muß man fürchten, daß der Refrain bald von einigen
hunderttausend Feuerschlünden wird begleitet werden." v

"Diese Nachricht," fuhr er fort, "die mit all ihrem Schreckens¬
gefolge, wie die Schrift der unsichtbaren Hand in BelsazarS Fest,
in unsern Ball störend hineinfiel, erinnert Sie gewiß auch daran,
daß während der Aufführung eines Balletes, wo Heinrich IV. und
Sülly tanzten, obgleich man letzteren gewiß nie unter die guten
Tänzer mitgerechnet hätte, dein König gemeldet wurde, die Spanier
hätten Amiens erobert."

"Meine Herrin," sagte Heinrich zu der schönen Gabriele, indem
er ihre Hand ergriff, "jetzt müssen wir unsere Tänze und Spiele
verlassen, zu Rosse steigen und einen frischen Kriegestanz beginnen.
Genug für jetzt der Liebesfreuden!"

Das ist eine Phrase, die jetzt hier in mancherlei Sprachen wird
übersetzt werden.

Unmöglich ist eS, die Physiognomie zu schildern, welche die öster¬
reichische Hauptstadt von diesem Augenblick annahm. Wien glich
einem Manne, der von Träumen der Liebe und des Ehrgeizes in
süßen Schlummer eingewiegt, plötzlich durch den grellen Ton der
Nachtwächtervfeise und dem Läuten der Sturmglocken erweckt wird,
die ihm kund thun, daß sein Haus im Feuer steht.

Diese verschiedenen Gäste, die hier aus allen Ländern Europas
zusammengeflossen waren , konnten sich nicht ohne Schrecken an die
-Phasen der eben abgelaufenen Epoche erinnern.

Die unaufhörlich sich erneuernden Unglücksfälle von fünf und
zwanzig Kriegsjahren, die Eroberungen der Hauptstädte, die mit Todten
übersäeten Schlachtfelder, die gänzliche Stockung des Handels und
der Industrie, die Familien und die Nationen in gleicher Trauer,
das waren die jammervollen Bilder, die plötzlich aus ihren Geist
einstürmten, und welche von dem gräßlichen Flammenschein des bren¬
nenden Moskau eine düstere Beleuchtung erhielten.

Freilich konnte man all dem noch frische Repressalien entgegen¬
halten; die Gegenwart der Truppen der alliirten Mächte in Paris
war ein hinlänglicher Beweis davon gewesen, daß selbst der so
lange Unbesiegte darum doch noch nicht zum Unbesiegbaren gewor-


„So ward am Ende denn der Tanz verstört:^
Denn wer ist's, der dagegen sich noch wehrt !"

Nur muß man fürchten, daß der Refrain bald von einigen
hunderttausend Feuerschlünden wird begleitet werden." v

„Diese Nachricht," fuhr er fort, „die mit all ihrem Schreckens¬
gefolge, wie die Schrift der unsichtbaren Hand in BelsazarS Fest,
in unsern Ball störend hineinfiel, erinnert Sie gewiß auch daran,
daß während der Aufführung eines Balletes, wo Heinrich IV. und
Sülly tanzten, obgleich man letzteren gewiß nie unter die guten
Tänzer mitgerechnet hätte, dein König gemeldet wurde, die Spanier
hätten Amiens erobert."

„Meine Herrin," sagte Heinrich zu der schönen Gabriele, indem
er ihre Hand ergriff, „jetzt müssen wir unsere Tänze und Spiele
verlassen, zu Rosse steigen und einen frischen Kriegestanz beginnen.
Genug für jetzt der Liebesfreuden!"

Das ist eine Phrase, die jetzt hier in mancherlei Sprachen wird
übersetzt werden.

Unmöglich ist eS, die Physiognomie zu schildern, welche die öster¬
reichische Hauptstadt von diesem Augenblick annahm. Wien glich
einem Manne, der von Träumen der Liebe und des Ehrgeizes in
süßen Schlummer eingewiegt, plötzlich durch den grellen Ton der
Nachtwächtervfeise und dem Läuten der Sturmglocken erweckt wird,
die ihm kund thun, daß sein Haus im Feuer steht.

Diese verschiedenen Gäste, die hier aus allen Ländern Europas
zusammengeflossen waren , konnten sich nicht ohne Schrecken an die
-Phasen der eben abgelaufenen Epoche erinnern.

Die unaufhörlich sich erneuernden Unglücksfälle von fünf und
zwanzig Kriegsjahren, die Eroberungen der Hauptstädte, die mit Todten
übersäeten Schlachtfelder, die gänzliche Stockung des Handels und
der Industrie, die Familien und die Nationen in gleicher Trauer,
das waren die jammervollen Bilder, die plötzlich aus ihren Geist
einstürmten, und welche von dem gräßlichen Flammenschein des bren¬
nenden Moskau eine düstere Beleuchtung erhielten.

Freilich konnte man all dem noch frische Repressalien entgegen¬
halten; die Gegenwart der Truppen der alliirten Mächte in Paris
war ein hinlänglicher Beweis davon gewesen, daß selbst der so
lange Unbesiegte darum doch noch nicht zum Unbesiegbaren gewor-


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[0524] „So ward am Ende denn der Tanz verstört:^ Denn wer ist's, der dagegen sich noch wehrt !" Nur muß man fürchten, daß der Refrain bald von einigen hunderttausend Feuerschlünden wird begleitet werden." v „Diese Nachricht," fuhr er fort, „die mit all ihrem Schreckens¬ gefolge, wie die Schrift der unsichtbaren Hand in BelsazarS Fest, in unsern Ball störend hineinfiel, erinnert Sie gewiß auch daran, daß während der Aufführung eines Balletes, wo Heinrich IV. und Sülly tanzten, obgleich man letzteren gewiß nie unter die guten Tänzer mitgerechnet hätte, dein König gemeldet wurde, die Spanier hätten Amiens erobert." „Meine Herrin," sagte Heinrich zu der schönen Gabriele, indem er ihre Hand ergriff, „jetzt müssen wir unsere Tänze und Spiele verlassen, zu Rosse steigen und einen frischen Kriegestanz beginnen. Genug für jetzt der Liebesfreuden!" Das ist eine Phrase, die jetzt hier in mancherlei Sprachen wird übersetzt werden. Unmöglich ist eS, die Physiognomie zu schildern, welche die öster¬ reichische Hauptstadt von diesem Augenblick annahm. Wien glich einem Manne, der von Träumen der Liebe und des Ehrgeizes in süßen Schlummer eingewiegt, plötzlich durch den grellen Ton der Nachtwächtervfeise und dem Läuten der Sturmglocken erweckt wird, die ihm kund thun, daß sein Haus im Feuer steht. Diese verschiedenen Gäste, die hier aus allen Ländern Europas zusammengeflossen waren , konnten sich nicht ohne Schrecken an die -Phasen der eben abgelaufenen Epoche erinnern. Die unaufhörlich sich erneuernden Unglücksfälle von fünf und zwanzig Kriegsjahren, die Eroberungen der Hauptstädte, die mit Todten übersäeten Schlachtfelder, die gänzliche Stockung des Handels und der Industrie, die Familien und die Nationen in gleicher Trauer, das waren die jammervollen Bilder, die plötzlich aus ihren Geist einstürmten, und welche von dem gräßlichen Flammenschein des bren¬ nenden Moskau eine düstere Beleuchtung erhielten. Freilich konnte man all dem noch frische Repressalien entgegen¬ halten; die Gegenwart der Truppen der alliirten Mächte in Paris war ein hinlänglicher Beweis davon gewesen, daß selbst der so lange Unbesiegte darum doch noch nicht zum Unbesiegbaren gewor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/524>, abgerufen am 26.08.2024.