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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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daS würde mammuthartig aussehen, es würde sich auch nicht schicken.
Denn unsre Zeit ist eine kokette junge Dame, wir erscheinen vor
ihr fein geschniegelt in Frack und EScarpins, nicht wie die Zeit¬
genossen deiner Jugend in Eisen und Stahl; wir kommen auch
überhaupt nicht in Harnisch, denn wir dürfen eS nicht; -- die hohe
Obrigkeit hat es verboten.

Wieder auf dem Rückwege nach der Stadt, fängt es zu regnen
an; und ich habe keinen Regenschirm. Ich werde also nach Hause
laufen, mich wieder in Schlafrock und Pantoffeln werfen, mir eine
Pfeife anzünden und mecklenburgische Brochüren/ oder übriggebliebene
Predigten über den Tod des Höchstseligen Großherzogs lesen; lauter
feuchte, weinerliche Sachen, aber doch immer besser als ein Platzregen.




Den heutigen Abend hatte ich eigentlich dem Theater bestimmt,
mich aber vergebens gefreut, einer oder der andern hier engagirten
Bretterheldinnen, wie die Schlegel oder die Klara Stich, wie¬
der zu begegnen. -- Die Bühne ist jetzt in Wismar, wo sie sich
acht bis zehn Wochen aufhalten will, um das dort neu erbaute
Schauspielhaus zu Probiren. Eine großherzogliche Bühne ambu-
lirend! -- Nun, es ist erklärlich, sie ist aus dem Bade Doberan
zurückgekommen, wohin sie der Hof mitgenommen hatte, und da ist
sie denn bei guter Gelegenheit dort in Wismar stecken geblieben. --
Da ich also nicht in's Theater gehen konnte, ging ich wo anders
hin. Aber, die Leute hier denken, einem Fremden müsse man die
Ohren recht voll von ihrem Lande blasen! Diese Musik hat denn
zum Hauptthema den mecklenburger Zollverein, eigentlich
sollte ich sagen den deutschen, an dem dies Land Theil nehmen
soll. Der merkantilische Theil des Letzteren sträubt sich nun mit
Hand und Fuß dagegen, auch die Gutsbesitzer, die meistentheils
ihren Waarenbedarf von Hamburg her unter sehr vortheilhaften
Einfuhrsbedtngungen beziehen, was ihnen durch den Zollverein be¬
nommen werden muß. Zu ihrem Aerger aber hat ein junger Pu-
blictst in Hamburg, W. Lüders, sich der Mühe unterzogen, ihnen
plausibel zu machen, wie vortheilhaft der Zollverein sei, und da schimpft


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daS würde mammuthartig aussehen, es würde sich auch nicht schicken.
Denn unsre Zeit ist eine kokette junge Dame, wir erscheinen vor
ihr fein geschniegelt in Frack und EScarpins, nicht wie die Zeit¬
genossen deiner Jugend in Eisen und Stahl; wir kommen auch
überhaupt nicht in Harnisch, denn wir dürfen eS nicht; — die hohe
Obrigkeit hat es verboten.

Wieder auf dem Rückwege nach der Stadt, fängt es zu regnen
an; und ich habe keinen Regenschirm. Ich werde also nach Hause
laufen, mich wieder in Schlafrock und Pantoffeln werfen, mir eine
Pfeife anzünden und mecklenburgische Brochüren/ oder übriggebliebene
Predigten über den Tod des Höchstseligen Großherzogs lesen; lauter
feuchte, weinerliche Sachen, aber doch immer besser als ein Platzregen.




Den heutigen Abend hatte ich eigentlich dem Theater bestimmt,
mich aber vergebens gefreut, einer oder der andern hier engagirten
Bretterheldinnen, wie die Schlegel oder die Klara Stich, wie¬
der zu begegnen. — Die Bühne ist jetzt in Wismar, wo sie sich
acht bis zehn Wochen aufhalten will, um das dort neu erbaute
Schauspielhaus zu Probiren. Eine großherzogliche Bühne ambu-
lirend! — Nun, es ist erklärlich, sie ist aus dem Bade Doberan
zurückgekommen, wohin sie der Hof mitgenommen hatte, und da ist
sie denn bei guter Gelegenheit dort in Wismar stecken geblieben. —
Da ich also nicht in's Theater gehen konnte, ging ich wo anders
hin. Aber, die Leute hier denken, einem Fremden müsse man die
Ohren recht voll von ihrem Lande blasen! Diese Musik hat denn
zum Hauptthema den mecklenburger Zollverein, eigentlich
sollte ich sagen den deutschen, an dem dies Land Theil nehmen
soll. Der merkantilische Theil des Letzteren sträubt sich nun mit
Hand und Fuß dagegen, auch die Gutsbesitzer, die meistentheils
ihren Waarenbedarf von Hamburg her unter sehr vortheilhaften
Einfuhrsbedtngungen beziehen, was ihnen durch den Zollverein be¬
nommen werden muß. Zu ihrem Aerger aber hat ein junger Pu-
blictst in Hamburg, W. Lüders, sich der Mühe unterzogen, ihnen
plausibel zu machen, wie vortheilhaft der Zollverein sei, und da schimpft


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[0513] daS würde mammuthartig aussehen, es würde sich auch nicht schicken. Denn unsre Zeit ist eine kokette junge Dame, wir erscheinen vor ihr fein geschniegelt in Frack und EScarpins, nicht wie die Zeit¬ genossen deiner Jugend in Eisen und Stahl; wir kommen auch überhaupt nicht in Harnisch, denn wir dürfen eS nicht; — die hohe Obrigkeit hat es verboten. Wieder auf dem Rückwege nach der Stadt, fängt es zu regnen an; und ich habe keinen Regenschirm. Ich werde also nach Hause laufen, mich wieder in Schlafrock und Pantoffeln werfen, mir eine Pfeife anzünden und mecklenburgische Brochüren/ oder übriggebliebene Predigten über den Tod des Höchstseligen Großherzogs lesen; lauter feuchte, weinerliche Sachen, aber doch immer besser als ein Platzregen. Den heutigen Abend hatte ich eigentlich dem Theater bestimmt, mich aber vergebens gefreut, einer oder der andern hier engagirten Bretterheldinnen, wie die Schlegel oder die Klara Stich, wie¬ der zu begegnen. — Die Bühne ist jetzt in Wismar, wo sie sich acht bis zehn Wochen aufhalten will, um das dort neu erbaute Schauspielhaus zu Probiren. Eine großherzogliche Bühne ambu- lirend! — Nun, es ist erklärlich, sie ist aus dem Bade Doberan zurückgekommen, wohin sie der Hof mitgenommen hatte, und da ist sie denn bei guter Gelegenheit dort in Wismar stecken geblieben. — Da ich also nicht in's Theater gehen konnte, ging ich wo anders hin. Aber, die Leute hier denken, einem Fremden müsse man die Ohren recht voll von ihrem Lande blasen! Diese Musik hat denn zum Hauptthema den mecklenburger Zollverein, eigentlich sollte ich sagen den deutschen, an dem dies Land Theil nehmen soll. Der merkantilische Theil des Letzteren sträubt sich nun mit Hand und Fuß dagegen, auch die Gutsbesitzer, die meistentheils ihren Waarenbedarf von Hamburg her unter sehr vortheilhaften Einfuhrsbedtngungen beziehen, was ihnen durch den Zollverein be¬ nommen werden muß. Zu ihrem Aerger aber hat ein junger Pu- blictst in Hamburg, W. Lüders, sich der Mühe unterzogen, ihnen plausibel zu machen, wie vortheilhaft der Zollverein sei, und da schimpft 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/513>, abgerufen am 26.08.2024.