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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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dabei weiß er eine kleine Teufelei von solcher Feinheit anzubringen, daß ein
geübter Sinn dazu gehört, um sie recht zu genießen. Wie naiv kleidet Herrn
Heine die Harmlosigkeit, mit der er beiläufig erwähnt, daß er Mendelssohn
nicht etwa darum für unchristlich halte, "weil er erst im dreizehnten Jahre sein
Christenthum anfing." Eine wahrhaft weibliche oder vielmehr weibische
Medisance. Heine selbst bekommt beinahe Krämpfe, wenn man sich die lei¬
seste Anspielung auf seine jüdische Abstammung erlaubt. In Deutschland, so
viel ich weiß, war es noch Niemand eingefallen, gerade Mendelssohn gegen¬
über dergleichen zu berühren. Dies mußte Heine, der hier in Paris den Kos-
mopolitiomus studirt, vorbehalten bleiben.


Philipp P**".


Plaudereien.
Radirungen von Wltthöft nach Originalgemälden deutscher Künstler.

Ein Prachtwerk, wovon das erste Heft so eben bei Wigand und Mayer
erschienen ist. Es enthält: Schloß am Rhein von Lessing, Abendandacht von
S. Richter, der umgeworfene Heuwagen von Bürkel. -- Drei Radirungen in
groß Folio, von welchen namentlich das mittlere von einem wunderbaren Reiz
durchweht ist. Unternehmungen dieser Art sind namentlich in Deutschland
wichtig und von guten Folgen. In Deutschland, wo keine große Stadt wie
Paris der Mittelpunkt aller Kunstschätze der Nation ist, wo die Schöpfungen
unserer besten Meister größtenteils Privateigenthum, wenn es hoch kommt,
Provinzialeigenthum, und nur in den seltensten Fällen Eigenthum der Nation
werden. Kann man unsere Kunstausstellungen mit dem Pariser Salon ver¬
gleichen? Die Berliner Künstler schicken eben so wenig Bilder auf die Wiener
Ausstellung, als die Wiener auf die Berliner. Und doch sind es die beiden
Ccntralstädte der zwei größten Staaten Deutschlands. Die Vervielfältigung
des einzelnen Bildes durch Aetzung und Stich ist daher nirgends so wünschens-
werth und willkommen als bei uns, namentlich wenn sie, wie hier, durch eine
geschmackvolle Wahl geleitet wird.




dabei weiß er eine kleine Teufelei von solcher Feinheit anzubringen, daß ein
geübter Sinn dazu gehört, um sie recht zu genießen. Wie naiv kleidet Herrn
Heine die Harmlosigkeit, mit der er beiläufig erwähnt, daß er Mendelssohn
nicht etwa darum für unchristlich halte, „weil er erst im dreizehnten Jahre sein
Christenthum anfing." Eine wahrhaft weibliche oder vielmehr weibische
Medisance. Heine selbst bekommt beinahe Krämpfe, wenn man sich die lei¬
seste Anspielung auf seine jüdische Abstammung erlaubt. In Deutschland, so
viel ich weiß, war es noch Niemand eingefallen, gerade Mendelssohn gegen¬
über dergleichen zu berühren. Dies mußte Heine, der hier in Paris den Kos-
mopolitiomus studirt, vorbehalten bleiben.


Philipp P**".


Plaudereien.
Radirungen von Wltthöft nach Originalgemälden deutscher Künstler.

Ein Prachtwerk, wovon das erste Heft so eben bei Wigand und Mayer
erschienen ist. Es enthält: Schloß am Rhein von Lessing, Abendandacht von
S. Richter, der umgeworfene Heuwagen von Bürkel. — Drei Radirungen in
groß Folio, von welchen namentlich das mittlere von einem wunderbaren Reiz
durchweht ist. Unternehmungen dieser Art sind namentlich in Deutschland
wichtig und von guten Folgen. In Deutschland, wo keine große Stadt wie
Paris der Mittelpunkt aller Kunstschätze der Nation ist, wo die Schöpfungen
unserer besten Meister größtenteils Privateigenthum, wenn es hoch kommt,
Provinzialeigenthum, und nur in den seltensten Fällen Eigenthum der Nation
werden. Kann man unsere Kunstausstellungen mit dem Pariser Salon ver¬
gleichen? Die Berliner Künstler schicken eben so wenig Bilder auf die Wiener
Ausstellung, als die Wiener auf die Berliner. Und doch sind es die beiden
Ccntralstädte der zwei größten Staaten Deutschlands. Die Vervielfältigung
des einzelnen Bildes durch Aetzung und Stich ist daher nirgends so wünschens-
werth und willkommen als bei uns, namentlich wenn sie, wie hier, durch eine
geschmackvolle Wahl geleitet wird.




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[0051] dabei weiß er eine kleine Teufelei von solcher Feinheit anzubringen, daß ein geübter Sinn dazu gehört, um sie recht zu genießen. Wie naiv kleidet Herrn Heine die Harmlosigkeit, mit der er beiläufig erwähnt, daß er Mendelssohn nicht etwa darum für unchristlich halte, „weil er erst im dreizehnten Jahre sein Christenthum anfing." Eine wahrhaft weibliche oder vielmehr weibische Medisance. Heine selbst bekommt beinahe Krämpfe, wenn man sich die lei¬ seste Anspielung auf seine jüdische Abstammung erlaubt. In Deutschland, so viel ich weiß, war es noch Niemand eingefallen, gerade Mendelssohn gegen¬ über dergleichen zu berühren. Dies mußte Heine, der hier in Paris den Kos- mopolitiomus studirt, vorbehalten bleiben. Philipp P**". Plaudereien. Radirungen von Wltthöft nach Originalgemälden deutscher Künstler. Ein Prachtwerk, wovon das erste Heft so eben bei Wigand und Mayer erschienen ist. Es enthält: Schloß am Rhein von Lessing, Abendandacht von S. Richter, der umgeworfene Heuwagen von Bürkel. — Drei Radirungen in groß Folio, von welchen namentlich das mittlere von einem wunderbaren Reiz durchweht ist. Unternehmungen dieser Art sind namentlich in Deutschland wichtig und von guten Folgen. In Deutschland, wo keine große Stadt wie Paris der Mittelpunkt aller Kunstschätze der Nation ist, wo die Schöpfungen unserer besten Meister größtenteils Privateigenthum, wenn es hoch kommt, Provinzialeigenthum, und nur in den seltensten Fällen Eigenthum der Nation werden. Kann man unsere Kunstausstellungen mit dem Pariser Salon ver¬ gleichen? Die Berliner Künstler schicken eben so wenig Bilder auf die Wiener Ausstellung, als die Wiener auf die Berliner. Und doch sind es die beiden Ccntralstädte der zwei größten Staaten Deutschlands. Die Vervielfältigung des einzelnen Bildes durch Aetzung und Stich ist daher nirgends so wünschens- werth und willkommen als bei uns, namentlich wenn sie, wie hier, durch eine geschmackvolle Wahl geleitet wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/51>, abgerufen am 23.07.2024.