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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Schornstein herabkommen, etwas angeschwärzt zwar, immerhin aber wohlbe¬
halten und unversehrt. Die erwürgte Presse aber, die Journale mit ihre"
umgedrehten Hälsen und die herumslattcrnde", zerrupften Federn geben einen
jammervolle", rührenden Anblick. Gestern noch so flügge und lustig, alle An,
gen nach ihrem Fluge gerichtet und heute die Beine von sich streckend und
verröchelnd. Sie sind todt, mausetodt, und Sie brauchen nur die letzte Kam-
mervcrhandlung in Bezug auf das Journal I.ol'eiiiiis zu lesen und die Sicherheit
zu beobachten, mit welcher hier Hebert die ganze Procedur auseinandersetzt, um
sich zu überzeugen, daß der Tag der Auferstehung nicht sobald sich nahen dürfte.
Die Maßregel, daß die Regierung alle ihre Annoncen jenen Journalen zuwen¬
dete, welche ihr geneigt sind, und den Oppositionsjournalen dieselben entzieht,
ist wohl einer der entscheidendsten Schläge, mit welchem man die Tagespreise
in Frankreich bisher bekriegte. Nicht nur, daß man die Hälfte der Einkünfte
den Oppositionsjournalcn dadurch entzieht, so zwingt man auch denjenigen
Theil des Publikums, der namentlich in den Provinzen sich weniger um
die Politik der ersten drei Journalsciten, als um die geschäftlichen Ankündi¬
gungen auf der vierten Seite kümmert, von nun an den regierenden Jour¬
nalen sich zuzuwenden. Es ist kein leeres Gerücht mehr, daß die Regierung
sich mit der Etablirung dreier neuer Journale trägt, deren Preis ganzjährig
nur Is Franken betragen wird. Dieser Maßregel gegenüber muß alle Eon-
currenz der Opposition aufhören, und wir können leicht die Zeit erleben, daß
die ceiisirtc" deutschen Journale ein Muster von Liberalismus für die franzö¬
sische" werden.

Deutschland, das seit Jahrhunderten der Prügelknabe Frankreichs gewesen
ist, und für alle Dummheiten und Schlechtigkeiten, die dieses beging, büßen
mußte, Deutschland scheint nun die Rolle gewechselt zu haben. Sie können
es in allen Revuen und Journalxn, die von der hiesigen Regierung unterstützt
werden, lesen, daß Deutschland ein Musterland ist. Namentlich ist die Revue
des deux Mondes voll des Lobes über Oesterreich und Preußen. Bei ihr spielt
jetzt Frankreich den Prügelknaben und bei jedem Lobsprüche, den sie dem deut¬
schen BolkSgeiste ertheilt, kriegt Frankreich immer einen tüchtigen Puff auf
den Rücken. Daß dieses nicht dazu beiträgt, die Deutschen hier populär zu ma¬
chen, können Sie leicht denken. Sie müssen sich auch davon nicht irre machen
lassen, wen" die hiesige" Eorrcspondenten in den deutschen Journalen Lärm
schlagen über de" gewaltigen Eindruck, den der Brand von Hamburg hier
gemacht und ub^r die allgemeine Theilnahme, die Paris an diesem Er¬
eignisse genommen. Ich will die Gewissenhaftigkeit dieser Herren nicht i"


Schornstein herabkommen, etwas angeschwärzt zwar, immerhin aber wohlbe¬
halten und unversehrt. Die erwürgte Presse aber, die Journale mit ihre»
umgedrehten Hälsen und die herumslattcrnde», zerrupften Federn geben einen
jammervolle», rührenden Anblick. Gestern noch so flügge und lustig, alle An,
gen nach ihrem Fluge gerichtet und heute die Beine von sich streckend und
verröchelnd. Sie sind todt, mausetodt, und Sie brauchen nur die letzte Kam-
mervcrhandlung in Bezug auf das Journal I.ol'eiiiiis zu lesen und die Sicherheit
zu beobachten, mit welcher hier Hebert die ganze Procedur auseinandersetzt, um
sich zu überzeugen, daß der Tag der Auferstehung nicht sobald sich nahen dürfte.
Die Maßregel, daß die Regierung alle ihre Annoncen jenen Journalen zuwen¬
dete, welche ihr geneigt sind, und den Oppositionsjournalen dieselben entzieht,
ist wohl einer der entscheidendsten Schläge, mit welchem man die Tagespreise
in Frankreich bisher bekriegte. Nicht nur, daß man die Hälfte der Einkünfte
den Oppositionsjournalcn dadurch entzieht, so zwingt man auch denjenigen
Theil des Publikums, der namentlich in den Provinzen sich weniger um
die Politik der ersten drei Journalsciten, als um die geschäftlichen Ankündi¬
gungen auf der vierten Seite kümmert, von nun an den regierenden Jour¬
nalen sich zuzuwenden. Es ist kein leeres Gerücht mehr, daß die Regierung
sich mit der Etablirung dreier neuer Journale trägt, deren Preis ganzjährig
nur Is Franken betragen wird. Dieser Maßregel gegenüber muß alle Eon-
currenz der Opposition aufhören, und wir können leicht die Zeit erleben, daß
die ceiisirtc» deutschen Journale ein Muster von Liberalismus für die franzö¬
sische» werden.

Deutschland, das seit Jahrhunderten der Prügelknabe Frankreichs gewesen
ist, und für alle Dummheiten und Schlechtigkeiten, die dieses beging, büßen
mußte, Deutschland scheint nun die Rolle gewechselt zu haben. Sie können
es in allen Revuen und Journalxn, die von der hiesigen Regierung unterstützt
werden, lesen, daß Deutschland ein Musterland ist. Namentlich ist die Revue
des deux Mondes voll des Lobes über Oesterreich und Preußen. Bei ihr spielt
jetzt Frankreich den Prügelknaben und bei jedem Lobsprüche, den sie dem deut¬
schen BolkSgeiste ertheilt, kriegt Frankreich immer einen tüchtigen Puff auf
den Rücken. Daß dieses nicht dazu beiträgt, die Deutschen hier populär zu ma¬
chen, können Sie leicht denken. Sie müssen sich auch davon nicht irre machen
lassen, wen» die hiesige» Eorrcspondenten in den deutschen Journalen Lärm
schlagen über de» gewaltigen Eindruck, den der Brand von Hamburg hier
gemacht und ub^r die allgemeine Theilnahme, die Paris an diesem Er¬
eignisse genommen. Ich will die Gewissenhaftigkeit dieser Herren nicht i»


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[0048] Schornstein herabkommen, etwas angeschwärzt zwar, immerhin aber wohlbe¬ halten und unversehrt. Die erwürgte Presse aber, die Journale mit ihre» umgedrehten Hälsen und die herumslattcrnde», zerrupften Federn geben einen jammervolle», rührenden Anblick. Gestern noch so flügge und lustig, alle An, gen nach ihrem Fluge gerichtet und heute die Beine von sich streckend und verröchelnd. Sie sind todt, mausetodt, und Sie brauchen nur die letzte Kam- mervcrhandlung in Bezug auf das Journal I.ol'eiiiiis zu lesen und die Sicherheit zu beobachten, mit welcher hier Hebert die ganze Procedur auseinandersetzt, um sich zu überzeugen, daß der Tag der Auferstehung nicht sobald sich nahen dürfte. Die Maßregel, daß die Regierung alle ihre Annoncen jenen Journalen zuwen¬ dete, welche ihr geneigt sind, und den Oppositionsjournalen dieselben entzieht, ist wohl einer der entscheidendsten Schläge, mit welchem man die Tagespreise in Frankreich bisher bekriegte. Nicht nur, daß man die Hälfte der Einkünfte den Oppositionsjournalcn dadurch entzieht, so zwingt man auch denjenigen Theil des Publikums, der namentlich in den Provinzen sich weniger um die Politik der ersten drei Journalsciten, als um die geschäftlichen Ankündi¬ gungen auf der vierten Seite kümmert, von nun an den regierenden Jour¬ nalen sich zuzuwenden. Es ist kein leeres Gerücht mehr, daß die Regierung sich mit der Etablirung dreier neuer Journale trägt, deren Preis ganzjährig nur Is Franken betragen wird. Dieser Maßregel gegenüber muß alle Eon- currenz der Opposition aufhören, und wir können leicht die Zeit erleben, daß die ceiisirtc» deutschen Journale ein Muster von Liberalismus für die franzö¬ sische» werden. Deutschland, das seit Jahrhunderten der Prügelknabe Frankreichs gewesen ist, und für alle Dummheiten und Schlechtigkeiten, die dieses beging, büßen mußte, Deutschland scheint nun die Rolle gewechselt zu haben. Sie können es in allen Revuen und Journalxn, die von der hiesigen Regierung unterstützt werden, lesen, daß Deutschland ein Musterland ist. Namentlich ist die Revue des deux Mondes voll des Lobes über Oesterreich und Preußen. Bei ihr spielt jetzt Frankreich den Prügelknaben und bei jedem Lobsprüche, den sie dem deut¬ schen BolkSgeiste ertheilt, kriegt Frankreich immer einen tüchtigen Puff auf den Rücken. Daß dieses nicht dazu beiträgt, die Deutschen hier populär zu ma¬ chen, können Sie leicht denken. Sie müssen sich auch davon nicht irre machen lassen, wen» die hiesige» Eorrcspondenten in den deutschen Journalen Lärm schlagen über de» gewaltigen Eindruck, den der Brand von Hamburg hier gemacht und ub^r die allgemeine Theilnahme, die Paris an diesem Er¬ eignisse genommen. Ich will die Gewissenhaftigkeit dieser Herren nicht i»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/48>, abgerufen am 23.07.2024.