Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

und Plattmühlen, von Zinkschmelzen und Kohlenbergwerken, von
Messersabriken und Waffenschmieden, von Tuch- und Papierfabriken,
von Gerbereien und Leimsiedereien, von Glashütten und Marmor-
schlcifercien, diese Menge von Distillerien, Brauereien und Steingut-
fabriken. Hier allein war es möglich ein Etablissement, wie das
eines Cockerill in Seraing zu gründen und nach dem Fallimente und
Tode des Stifters aufrecht zu erhalten und fortzuführen. Das
Bestehen vieler dieser Etablissements beruht allerdings auf dem
Reichthum des Maasthales an Marmorfelsen, Eisensteinen, Zink¬
minen und vorzüglich an den so nothwendigen Kohlen, aber ein
weniger industrieller Volksstamm hätte selbst diese Schätze unbenutzt
liegen lassen, oder wenigstens die Bearbeitung derselben nicht auf
den Punkt ausgedehnt. Der Reichthum an Steinkohlen und der
dadurch bedingte niedrige Preis derselben bewirkt, daß man hier
oft Dampfmaschinen angewendet sieht, wo man anderwärts wohl
kaum daran gedacht hätte; so sah man in diesem Sommer, bei der
Aufführung eines neuen Quais bei Lüttich, eine Dampfmaschine
aufgeführt, um zwei große Wasserschnecken und Pumpen in Bewe¬
gung zu setzen, wodurch denn die Arbeit im Großen gefordert wer¬
den konnte. Außerdem hat dieser Kohlenreichthum den häuslichen
Einrichtungen einen eigenthümlichen Charakter aufgedrückt, der sich
jetzt freilich fast nur auf dem Lande und in kleinern Städten erhal¬
ten hat. ES ist dies die freundliche Sitte, sich um den stets bren¬
nenden, immer reichlich versehenen Herd zu versammeln, und wäh¬
rend man in das trauliche Feuer blickt, eine um so gemüthlichere Con-
versation zu führen. Die Küche ist auf diese Weise hier kein enger
rauchiger Behälter, vollgestopft mit Geschirr aller Art, sondern ein
Heller, großer und freundlicher Raum, wo die ganze Familie, wenn
nicht auswärtige Geschäfte sie in Anspruch nehmen, sich versammelt
und wo ebenfalls die wenigen vertrauteren Freunde ohne Ceremonie!
empfangen werden. Ich sage mit Absicht, die wenigen vertrauteren
Freunde, denn gerade dieses engere Familienleben um den Herd
bringt es mit sich, daß man die Unterhaltung weniger auswärts
sucht und von formellen StaatSvisiten keine Rede sein kann. Wie
hier so haben die Wallonen auch in mancher andern Beziehung ei¬
nen eigenthümlichen Charakter, ihre eigenthümlichen Volkshelden bei¬
behalten, was jedoch nur von der mittlern und niedern Klasse ge-


und Plattmühlen, von Zinkschmelzen und Kohlenbergwerken, von
Messersabriken und Waffenschmieden, von Tuch- und Papierfabriken,
von Gerbereien und Leimsiedereien, von Glashütten und Marmor-
schlcifercien, diese Menge von Distillerien, Brauereien und Steingut-
fabriken. Hier allein war es möglich ein Etablissement, wie das
eines Cockerill in Seraing zu gründen und nach dem Fallimente und
Tode des Stifters aufrecht zu erhalten und fortzuführen. Das
Bestehen vieler dieser Etablissements beruht allerdings auf dem
Reichthum des Maasthales an Marmorfelsen, Eisensteinen, Zink¬
minen und vorzüglich an den so nothwendigen Kohlen, aber ein
weniger industrieller Volksstamm hätte selbst diese Schätze unbenutzt
liegen lassen, oder wenigstens die Bearbeitung derselben nicht auf
den Punkt ausgedehnt. Der Reichthum an Steinkohlen und der
dadurch bedingte niedrige Preis derselben bewirkt, daß man hier
oft Dampfmaschinen angewendet sieht, wo man anderwärts wohl
kaum daran gedacht hätte; so sah man in diesem Sommer, bei der
Aufführung eines neuen Quais bei Lüttich, eine Dampfmaschine
aufgeführt, um zwei große Wasserschnecken und Pumpen in Bewe¬
gung zu setzen, wodurch denn die Arbeit im Großen gefordert wer¬
den konnte. Außerdem hat dieser Kohlenreichthum den häuslichen
Einrichtungen einen eigenthümlichen Charakter aufgedrückt, der sich
jetzt freilich fast nur auf dem Lande und in kleinern Städten erhal¬
ten hat. ES ist dies die freundliche Sitte, sich um den stets bren¬
nenden, immer reichlich versehenen Herd zu versammeln, und wäh¬
rend man in das trauliche Feuer blickt, eine um so gemüthlichere Con-
versation zu führen. Die Küche ist auf diese Weise hier kein enger
rauchiger Behälter, vollgestopft mit Geschirr aller Art, sondern ein
Heller, großer und freundlicher Raum, wo die ganze Familie, wenn
nicht auswärtige Geschäfte sie in Anspruch nehmen, sich versammelt
und wo ebenfalls die wenigen vertrauteren Freunde ohne Ceremonie!
empfangen werden. Ich sage mit Absicht, die wenigen vertrauteren
Freunde, denn gerade dieses engere Familienleben um den Herd
bringt es mit sich, daß man die Unterhaltung weniger auswärts
sucht und von formellen StaatSvisiten keine Rede sein kann. Wie
hier so haben die Wallonen auch in mancher andern Beziehung ei¬
nen eigenthümlichen Charakter, ihre eigenthümlichen Volkshelden bei¬
behalten, was jedoch nur von der mittlern und niedern Klasse ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267089"/>
          <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295" next="#ID_1297"> und Plattmühlen, von Zinkschmelzen und Kohlenbergwerken, von<lb/>
Messersabriken und Waffenschmieden, von Tuch- und Papierfabriken,<lb/>
von Gerbereien und Leimsiedereien, von Glashütten und Marmor-<lb/>
schlcifercien, diese Menge von Distillerien, Brauereien und Steingut-<lb/>
fabriken. Hier allein war es möglich ein Etablissement, wie das<lb/>
eines Cockerill in Seraing zu gründen und nach dem Fallimente und<lb/>
Tode des Stifters aufrecht zu erhalten und fortzuführen. Das<lb/>
Bestehen vieler dieser Etablissements beruht allerdings auf dem<lb/>
Reichthum des Maasthales an Marmorfelsen, Eisensteinen, Zink¬<lb/>
minen und vorzüglich an den so nothwendigen Kohlen, aber ein<lb/>
weniger industrieller Volksstamm hätte selbst diese Schätze unbenutzt<lb/>
liegen lassen, oder wenigstens die Bearbeitung derselben nicht auf<lb/>
den Punkt ausgedehnt. Der Reichthum an Steinkohlen und der<lb/>
dadurch bedingte niedrige Preis derselben bewirkt, daß man hier<lb/>
oft Dampfmaschinen angewendet sieht, wo man anderwärts wohl<lb/>
kaum daran gedacht hätte; so sah man in diesem Sommer, bei der<lb/>
Aufführung eines neuen Quais bei Lüttich, eine Dampfmaschine<lb/>
aufgeführt, um zwei große Wasserschnecken und Pumpen in Bewe¬<lb/>
gung zu setzen, wodurch denn die Arbeit im Großen gefordert wer¬<lb/>
den konnte. Außerdem hat dieser Kohlenreichthum den häuslichen<lb/>
Einrichtungen einen eigenthümlichen Charakter aufgedrückt, der sich<lb/>
jetzt freilich fast nur auf dem Lande und in kleinern Städten erhal¬<lb/>
ten hat. ES ist dies die freundliche Sitte, sich um den stets bren¬<lb/>
nenden, immer reichlich versehenen Herd zu versammeln, und wäh¬<lb/>
rend man in das trauliche Feuer blickt, eine um so gemüthlichere Con-<lb/>
versation zu führen. Die Küche ist auf diese Weise hier kein enger<lb/>
rauchiger Behälter, vollgestopft mit Geschirr aller Art, sondern ein<lb/>
Heller, großer und freundlicher Raum, wo die ganze Familie, wenn<lb/>
nicht auswärtige Geschäfte sie in Anspruch nehmen, sich versammelt<lb/>
und wo ebenfalls die wenigen vertrauteren Freunde ohne Ceremonie!<lb/>
empfangen werden. Ich sage mit Absicht, die wenigen vertrauteren<lb/>
Freunde, denn gerade dieses engere Familienleben um den Herd<lb/>
bringt es mit sich, daß man die Unterhaltung weniger auswärts<lb/>
sucht und von formellen StaatSvisiten keine Rede sein kann. Wie<lb/>
hier so haben die Wallonen auch in mancher andern Beziehung ei¬<lb/>
nen eigenthümlichen Charakter, ihre eigenthümlichen Volkshelden bei¬<lb/>
behalten, was jedoch nur von der mittlern und niedern Klasse ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] und Plattmühlen, von Zinkschmelzen und Kohlenbergwerken, von Messersabriken und Waffenschmieden, von Tuch- und Papierfabriken, von Gerbereien und Leimsiedereien, von Glashütten und Marmor- schlcifercien, diese Menge von Distillerien, Brauereien und Steingut- fabriken. Hier allein war es möglich ein Etablissement, wie das eines Cockerill in Seraing zu gründen und nach dem Fallimente und Tode des Stifters aufrecht zu erhalten und fortzuführen. Das Bestehen vieler dieser Etablissements beruht allerdings auf dem Reichthum des Maasthales an Marmorfelsen, Eisensteinen, Zink¬ minen und vorzüglich an den so nothwendigen Kohlen, aber ein weniger industrieller Volksstamm hätte selbst diese Schätze unbenutzt liegen lassen, oder wenigstens die Bearbeitung derselben nicht auf den Punkt ausgedehnt. Der Reichthum an Steinkohlen und der dadurch bedingte niedrige Preis derselben bewirkt, daß man hier oft Dampfmaschinen angewendet sieht, wo man anderwärts wohl kaum daran gedacht hätte; so sah man in diesem Sommer, bei der Aufführung eines neuen Quais bei Lüttich, eine Dampfmaschine aufgeführt, um zwei große Wasserschnecken und Pumpen in Bewe¬ gung zu setzen, wodurch denn die Arbeit im Großen gefordert wer¬ den konnte. Außerdem hat dieser Kohlenreichthum den häuslichen Einrichtungen einen eigenthümlichen Charakter aufgedrückt, der sich jetzt freilich fast nur auf dem Lande und in kleinern Städten erhal¬ ten hat. ES ist dies die freundliche Sitte, sich um den stets bren¬ nenden, immer reichlich versehenen Herd zu versammeln, und wäh¬ rend man in das trauliche Feuer blickt, eine um so gemüthlichere Con- versation zu führen. Die Küche ist auf diese Weise hier kein enger rauchiger Behälter, vollgestopft mit Geschirr aller Art, sondern ein Heller, großer und freundlicher Raum, wo die ganze Familie, wenn nicht auswärtige Geschäfte sie in Anspruch nehmen, sich versammelt und wo ebenfalls die wenigen vertrauteren Freunde ohne Ceremonie! empfangen werden. Ich sage mit Absicht, die wenigen vertrauteren Freunde, denn gerade dieses engere Familienleben um den Herd bringt es mit sich, daß man die Unterhaltung weniger auswärts sucht und von formellen StaatSvisiten keine Rede sein kann. Wie hier so haben die Wallonen auch in mancher andern Beziehung ei¬ nen eigenthümlichen Charakter, ihre eigenthümlichen Volkshelden bei¬ behalten, was jedoch nur von der mittlern und niedern Klasse ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/472>, abgerufen am 26.08.2024.