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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Studirt daher unaufhörlich die nimmer endende Mannigfaltig¬
keit der Natur; dadurch werdet Ihr Euren Geist mit einer Menge
Schönheiten bereichern und werdet lernen, aus Euch selbst heraus zu
schaffen, Ihr werdet durch und durch originell werden und alsdann
werden Eure Gemälde gesucht sein. Ja, ich will Euch noch mehr
sagen: selbst wenn Ihr in der Kunst auf einer minder hohen Stufe
steht, werdet Ihr um Eurer Originalität halber höher geschähe
werden, als die sklavischen Nachahmer irgend eines mehr oder min¬
der vollkommenen Meisters. Mögen die Unwissenden auf ihre von
Fremden entlehnten Ideen noch so hohen Werth legen, sie, die kaum
einen Blick auf die Natur werfen und aus Trägheit sich an die
Werke Anderer halten, wobei sie sich in die darin befindlichen Schön¬
heiten dermaßen vergaffen, daß sie für ihre eigenen Werke sich dar¬
auf beschränken, diese zu Rathe zu ziehen: -- nie können dergleichen
Leute hoffen, Anspruch aus Originalität machen zu dürfen.

Man verdient den Namen eines originellen Künstlers nur,
wenn man selbst denkt und schafft. Weder das größte Meisterwerk,
noch der geistreichste oder unternchtetste Mensch ist im Stande, eine
befriedigende Idee von der Natur zu geben. Nur eigene, unablässige,
aufmerksame Betrachtung derselben vermag ihre Große und Maje^
stät zu offenbaren.

Man gehe in's Freie an einem schönen Morgen, wenn die
Felder erglänzen von silberhellen Tinten, oder an einem goldigfär¬
benden Abend, an einem schönen Frühlings- oder Herbsttage. Man
suche das große Schauspiel eines Sturmes, eines Gewitters auf,
das im Entstehen oder im Aufhören begriffen ist. Oder auch man
erforsche die zahlreichen Schönheiten eines Winters, indem man die
Wirkungen des Lichtes, dieser Seele aller Dinge, dieses Quells aller
Schönheit, studirt, und so wird man in seinem Geist einen Schatz
schöner Gedanken anhäufen, denen man später auf der Leinwand
Leben verleihen kann.




Wir haben die Hinzufügung jeder Erläuterung zu den Stel¬
len, die wir hier übersetzt mittheilen, für unnütz gehalten. Wir
waren der Meinung, Jedermann vermöge es zu würdigen, wie viel


Studirt daher unaufhörlich die nimmer endende Mannigfaltig¬
keit der Natur; dadurch werdet Ihr Euren Geist mit einer Menge
Schönheiten bereichern und werdet lernen, aus Euch selbst heraus zu
schaffen, Ihr werdet durch und durch originell werden und alsdann
werden Eure Gemälde gesucht sein. Ja, ich will Euch noch mehr
sagen: selbst wenn Ihr in der Kunst auf einer minder hohen Stufe
steht, werdet Ihr um Eurer Originalität halber höher geschähe
werden, als die sklavischen Nachahmer irgend eines mehr oder min¬
der vollkommenen Meisters. Mögen die Unwissenden auf ihre von
Fremden entlehnten Ideen noch so hohen Werth legen, sie, die kaum
einen Blick auf die Natur werfen und aus Trägheit sich an die
Werke Anderer halten, wobei sie sich in die darin befindlichen Schön¬
heiten dermaßen vergaffen, daß sie für ihre eigenen Werke sich dar¬
auf beschränken, diese zu Rathe zu ziehen: — nie können dergleichen
Leute hoffen, Anspruch aus Originalität machen zu dürfen.

Man verdient den Namen eines originellen Künstlers nur,
wenn man selbst denkt und schafft. Weder das größte Meisterwerk,
noch der geistreichste oder unternchtetste Mensch ist im Stande, eine
befriedigende Idee von der Natur zu geben. Nur eigene, unablässige,
aufmerksame Betrachtung derselben vermag ihre Große und Maje^
stät zu offenbaren.

Man gehe in's Freie an einem schönen Morgen, wenn die
Felder erglänzen von silberhellen Tinten, oder an einem goldigfär¬
benden Abend, an einem schönen Frühlings- oder Herbsttage. Man
suche das große Schauspiel eines Sturmes, eines Gewitters auf,
das im Entstehen oder im Aufhören begriffen ist. Oder auch man
erforsche die zahlreichen Schönheiten eines Winters, indem man die
Wirkungen des Lichtes, dieser Seele aller Dinge, dieses Quells aller
Schönheit, studirt, und so wird man in seinem Geist einen Schatz
schöner Gedanken anhäufen, denen man später auf der Leinwand
Leben verleihen kann.




Wir haben die Hinzufügung jeder Erläuterung zu den Stel¬
len, die wir hier übersetzt mittheilen, für unnütz gehalten. Wir
waren der Meinung, Jedermann vermöge es zu würdigen, wie viel


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[0378] Studirt daher unaufhörlich die nimmer endende Mannigfaltig¬ keit der Natur; dadurch werdet Ihr Euren Geist mit einer Menge Schönheiten bereichern und werdet lernen, aus Euch selbst heraus zu schaffen, Ihr werdet durch und durch originell werden und alsdann werden Eure Gemälde gesucht sein. Ja, ich will Euch noch mehr sagen: selbst wenn Ihr in der Kunst auf einer minder hohen Stufe steht, werdet Ihr um Eurer Originalität halber höher geschähe werden, als die sklavischen Nachahmer irgend eines mehr oder min¬ der vollkommenen Meisters. Mögen die Unwissenden auf ihre von Fremden entlehnten Ideen noch so hohen Werth legen, sie, die kaum einen Blick auf die Natur werfen und aus Trägheit sich an die Werke Anderer halten, wobei sie sich in die darin befindlichen Schön¬ heiten dermaßen vergaffen, daß sie für ihre eigenen Werke sich dar¬ auf beschränken, diese zu Rathe zu ziehen: — nie können dergleichen Leute hoffen, Anspruch aus Originalität machen zu dürfen. Man verdient den Namen eines originellen Künstlers nur, wenn man selbst denkt und schafft. Weder das größte Meisterwerk, noch der geistreichste oder unternchtetste Mensch ist im Stande, eine befriedigende Idee von der Natur zu geben. Nur eigene, unablässige, aufmerksame Betrachtung derselben vermag ihre Große und Maje^ stät zu offenbaren. Man gehe in's Freie an einem schönen Morgen, wenn die Felder erglänzen von silberhellen Tinten, oder an einem goldigfär¬ benden Abend, an einem schönen Frühlings- oder Herbsttage. Man suche das große Schauspiel eines Sturmes, eines Gewitters auf, das im Entstehen oder im Aufhören begriffen ist. Oder auch man erforsche die zahlreichen Schönheiten eines Winters, indem man die Wirkungen des Lichtes, dieser Seele aller Dinge, dieses Quells aller Schönheit, studirt, und so wird man in seinem Geist einen Schatz schöner Gedanken anhäufen, denen man später auf der Leinwand Leben verleihen kann. Wir haben die Hinzufügung jeder Erläuterung zu den Stel¬ len, die wir hier übersetzt mittheilen, für unnütz gehalten. Wir waren der Meinung, Jedermann vermöge es zu würdigen, wie viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/378>, abgerufen am 23.07.2024.