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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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gehört ihm, wenn auch schon blos nach dein natürlichen Rechts-
grundsatz des nrinms oceujums. Er ist Meister und Herr derselben,
von ihm hängt es ab, ob er sie veröffentlichen oder geheim halten
und die Gesellschaft ihrer berauben will. Sie gehört ihm und das
mit mehr Recht, als Feld oder Wald demjenigen, der es geerbt hat.
Denn hätte der Erbe das Feld oder den Wald nicht, so würde ein
Anderer sie genießen, der Besitzer hat sich sein Besitzthum nicht ge¬
schaffen: der Erfinder aber hat seine Idee selbst gezeugt.

Eine jede Erfindung ist eine Vermehrung des Reichthums der
Gesellschaft; sie ist eben so viel als die Urbarmachung einer Haide,
als die Austrocknung eines Morastes, alö die Entdeckung einer
Mine; sie ist eben so viel als die Dichtung eines Buches, als die
Composition einer Oper, als die Zeichnung eines großen Gemäldes.
Allen diesen Werken ausdauernder Arbeit oder des Genies verleiht
die Gesellschaft das Recht eines ewigen oder lebenslänglichen Be¬
sitzes, -- daß auch dies noch leider! nicht überall geschieht, kann
kein Argument gegen uns sein -- der Dampfmaschine, dem Filztuche
und anderen gemeinnützigen Erfindungen aber macht man dies Recht
streitig. Wie falsch, wie einseitig! Oder höchstens bewilligt man
ihnen, und das auf eine kostspielige Weise, auf wenige Jahre ein
unsicheres, mißliches, trügerisches Scheinrecht von Eigenthum.
Wahrlich, das ist allzu offenbares Unrecht.

Es giebt Leute, die so leicht und obenhin urtheilen, daß sie ein
Patent wie ein Monopol ansehen und ihm gleichstellen, weil man
beide mit demselben Namen deö Privilegiums bezeichnet; aber ein
Patent ist weder ein Monopol, noch eine Gunst, noch eine Beloh¬
nung, sondern es ist ein Recht, heiliger als das Erbrecht.

Der constituirenden Nationalversammlung von Frankreich wird
gewiß Niemand den Vorwurf machen, sie sei eine Freundin der
Privilegien gewesen: denn sie hat bekanntlich alle abgeschafft; und
doch besagt sie ausdrücklich: "Alle Privilegien sind abgeschafft, mit
Ausnahme derjenigen, welche den Erfindern und Einbringern u. f. w.
bewilligt werden sollen." Denn jede Erfindung oder Einbringung
einer solchen bildet einen Zusatz zu dem gesellschaftlichen Grundver¬
mögen, da durch sie Arbeiter Beschäftigung finden, rohe Stoffe
nutzbar gemacht werden, Handel und Industrie eine neue Lebensader
erhalten, fremde Capitalien in'ö Land gezogen oder wenigstens die


gehört ihm, wenn auch schon blos nach dein natürlichen Rechts-
grundsatz des nrinms oceujums. Er ist Meister und Herr derselben,
von ihm hängt es ab, ob er sie veröffentlichen oder geheim halten
und die Gesellschaft ihrer berauben will. Sie gehört ihm und das
mit mehr Recht, als Feld oder Wald demjenigen, der es geerbt hat.
Denn hätte der Erbe das Feld oder den Wald nicht, so würde ein
Anderer sie genießen, der Besitzer hat sich sein Besitzthum nicht ge¬
schaffen: der Erfinder aber hat seine Idee selbst gezeugt.

Eine jede Erfindung ist eine Vermehrung des Reichthums der
Gesellschaft; sie ist eben so viel als die Urbarmachung einer Haide,
als die Austrocknung eines Morastes, alö die Entdeckung einer
Mine; sie ist eben so viel als die Dichtung eines Buches, als die
Composition einer Oper, als die Zeichnung eines großen Gemäldes.
Allen diesen Werken ausdauernder Arbeit oder des Genies verleiht
die Gesellschaft das Recht eines ewigen oder lebenslänglichen Be¬
sitzes, — daß auch dies noch leider! nicht überall geschieht, kann
kein Argument gegen uns sein — der Dampfmaschine, dem Filztuche
und anderen gemeinnützigen Erfindungen aber macht man dies Recht
streitig. Wie falsch, wie einseitig! Oder höchstens bewilligt man
ihnen, und das auf eine kostspielige Weise, auf wenige Jahre ein
unsicheres, mißliches, trügerisches Scheinrecht von Eigenthum.
Wahrlich, das ist allzu offenbares Unrecht.

Es giebt Leute, die so leicht und obenhin urtheilen, daß sie ein
Patent wie ein Monopol ansehen und ihm gleichstellen, weil man
beide mit demselben Namen deö Privilegiums bezeichnet; aber ein
Patent ist weder ein Monopol, noch eine Gunst, noch eine Beloh¬
nung, sondern es ist ein Recht, heiliger als das Erbrecht.

Der constituirenden Nationalversammlung von Frankreich wird
gewiß Niemand den Vorwurf machen, sie sei eine Freundin der
Privilegien gewesen: denn sie hat bekanntlich alle abgeschafft; und
doch besagt sie ausdrücklich: „Alle Privilegien sind abgeschafft, mit
Ausnahme derjenigen, welche den Erfindern und Einbringern u. f. w.
bewilligt werden sollen." Denn jede Erfindung oder Einbringung
einer solchen bildet einen Zusatz zu dem gesellschaftlichen Grundver¬
mögen, da durch sie Arbeiter Beschäftigung finden, rohe Stoffe
nutzbar gemacht werden, Handel und Industrie eine neue Lebensader
erhalten, fremde Capitalien in'ö Land gezogen oder wenigstens die


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[0326] gehört ihm, wenn auch schon blos nach dein natürlichen Rechts- grundsatz des nrinms oceujums. Er ist Meister und Herr derselben, von ihm hängt es ab, ob er sie veröffentlichen oder geheim halten und die Gesellschaft ihrer berauben will. Sie gehört ihm und das mit mehr Recht, als Feld oder Wald demjenigen, der es geerbt hat. Denn hätte der Erbe das Feld oder den Wald nicht, so würde ein Anderer sie genießen, der Besitzer hat sich sein Besitzthum nicht ge¬ schaffen: der Erfinder aber hat seine Idee selbst gezeugt. Eine jede Erfindung ist eine Vermehrung des Reichthums der Gesellschaft; sie ist eben so viel als die Urbarmachung einer Haide, als die Austrocknung eines Morastes, alö die Entdeckung einer Mine; sie ist eben so viel als die Dichtung eines Buches, als die Composition einer Oper, als die Zeichnung eines großen Gemäldes. Allen diesen Werken ausdauernder Arbeit oder des Genies verleiht die Gesellschaft das Recht eines ewigen oder lebenslänglichen Be¬ sitzes, — daß auch dies noch leider! nicht überall geschieht, kann kein Argument gegen uns sein — der Dampfmaschine, dem Filztuche und anderen gemeinnützigen Erfindungen aber macht man dies Recht streitig. Wie falsch, wie einseitig! Oder höchstens bewilligt man ihnen, und das auf eine kostspielige Weise, auf wenige Jahre ein unsicheres, mißliches, trügerisches Scheinrecht von Eigenthum. Wahrlich, das ist allzu offenbares Unrecht. Es giebt Leute, die so leicht und obenhin urtheilen, daß sie ein Patent wie ein Monopol ansehen und ihm gleichstellen, weil man beide mit demselben Namen deö Privilegiums bezeichnet; aber ein Patent ist weder ein Monopol, noch eine Gunst, noch eine Beloh¬ nung, sondern es ist ein Recht, heiliger als das Erbrecht. Der constituirenden Nationalversammlung von Frankreich wird gewiß Niemand den Vorwurf machen, sie sei eine Freundin der Privilegien gewesen: denn sie hat bekanntlich alle abgeschafft; und doch besagt sie ausdrücklich: „Alle Privilegien sind abgeschafft, mit Ausnahme derjenigen, welche den Erfindern und Einbringern u. f. w. bewilligt werden sollen." Denn jede Erfindung oder Einbringung einer solchen bildet einen Zusatz zu dem gesellschaftlichen Grundver¬ mögen, da durch sie Arbeiter Beschäftigung finden, rohe Stoffe nutzbar gemacht werden, Handel und Industrie eine neue Lebensader erhalten, fremde Capitalien in'ö Land gezogen oder wenigstens die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/326>, abgerufen am 26.08.2024.