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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Verfasser des Buches "Selbstgespräche Friedrich Wilhelm's IV. nach einer Ab¬
schrift seines Erziehers Delbrück" vergessen hat. Was die äußere miss e"
"r,vnd? des Buches betrifft, so war sie ganz geschickt und fein ausgeführt: man
hat Delbrück selbst aus dem Spiel gelassen, wodurch die Schrift das Unschickliche,
welches sie durch einen so officiellen Verfasser erhalten hätte, verlor: man hat
den Vcrlagsort nicht nur außerhalb Preußens, sondern auch außerhalb Deutsch¬
lands gewählt, in Bern, in der republikanischen Schweiz, von woher man in
der Regel Schriften ganz andrer Art zu empfangen gewohnt ist und wo die
Erscheinung einer solchen Schrift doppeltes Aussehen und doppelten Eindruck
machen muß. Was aber den Inhalt betrifft, so hat man aus Furcht, der
königlichen Feder eine kindische Idee zu unterlegen, die Sache so philosophisch
redigirt, als hätte sie ein Berliner Professor als Dissertation brauchen wollen.
Der kindliche, knabenhafte Charakter, der dem Actenstücke Glaubwürdigkeit
hätte erwerben können, ging durch jene Rücksicht verloren. Sind Stellen, wie
die) folgende, die Ausdrucksweise eines vierzehnjährigen Knaben: "Wie viel
oder wie wenig ich wissen mag, so bin ich doch mir bewußt, auf welche Weise
das Einzelne zusammenhängt und wo das Mannigfaltige der Kenntnisse, so
wie die Uebungen des Verstandes und des Gedächtnisses und des Willens seinen
Einheitspunkt finden; und die Einheit, sagt man mir, ist die wahre Gründ¬
lichkeit. Soll ich daher mein Wissen in dieser Einheit kürzlich darstellen, so
würde ich es allenfalls so fassen können: aller Verkehr zwischen Lehrenden und
Lernenden ist nur möglich durch das Denken; der Kraft zu denken bin ich mir
auch bewußt u. s. w." Ich verkeime die Absicht jener Herren nicht, welche
sich damit beschäftigen, schlagende Witzworte und tiefe Gedanken dem Monar¬
chen in den Mund zu legen. Wenn aber dieß auf ungeschickte Weise geschieht,
wen" das Absichtliche dabei durchschaut wird, dann trifft den Verfasser der
doppelte Tadel, erstens als Schriftsteller, zweitens als Politiker, der seine eigene
Sache verdirbt.^ Daß man von hieraus Nichts unterläßt, was in Deutschland
die öffentliche Meinung zu Gunsten Preußens leiten kann, das werden Sie
aus der unzähligen Menge von Eorrcspondenzartikcln, die in diesem Sinne
geschrieben sind, leicht erkennen. Auf ein kleines Beispiel will ich Sie beson¬
ders aufmerksam machen. Die Allg. Augs. Zeit, brachte stets die preußischen
Artikel unter einer eigenen Rubrik: Preußen; wie ich aber aus einer ziem¬
lich gut unterrichteten Quelle mir sagen ließ, hat man bei der Redaction dieses
Blattes Schritte gethan um die Abschaffung der besonderen Ueberschrift: und
seit dem März dieses Jahres --fast gleichzeitig mit der Erscheinung des Buches
von Wülow-Eummcrow -- sind die preußischen Eorrespondenzcn der Augs-


Verfasser des Buches „Selbstgespräche Friedrich Wilhelm's IV. nach einer Ab¬
schrift seines Erziehers Delbrück" vergessen hat. Was die äußere miss e„
«r,vnd? des Buches betrifft, so war sie ganz geschickt und fein ausgeführt: man
hat Delbrück selbst aus dem Spiel gelassen, wodurch die Schrift das Unschickliche,
welches sie durch einen so officiellen Verfasser erhalten hätte, verlor: man hat
den Vcrlagsort nicht nur außerhalb Preußens, sondern auch außerhalb Deutsch¬
lands gewählt, in Bern, in der republikanischen Schweiz, von woher man in
der Regel Schriften ganz andrer Art zu empfangen gewohnt ist und wo die
Erscheinung einer solchen Schrift doppeltes Aussehen und doppelten Eindruck
machen muß. Was aber den Inhalt betrifft, so hat man aus Furcht, der
königlichen Feder eine kindische Idee zu unterlegen, die Sache so philosophisch
redigirt, als hätte sie ein Berliner Professor als Dissertation brauchen wollen.
Der kindliche, knabenhafte Charakter, der dem Actenstücke Glaubwürdigkeit
hätte erwerben können, ging durch jene Rücksicht verloren. Sind Stellen, wie
die) folgende, die Ausdrucksweise eines vierzehnjährigen Knaben: „Wie viel
oder wie wenig ich wissen mag, so bin ich doch mir bewußt, auf welche Weise
das Einzelne zusammenhängt und wo das Mannigfaltige der Kenntnisse, so
wie die Uebungen des Verstandes und des Gedächtnisses und des Willens seinen
Einheitspunkt finden; und die Einheit, sagt man mir, ist die wahre Gründ¬
lichkeit. Soll ich daher mein Wissen in dieser Einheit kürzlich darstellen, so
würde ich es allenfalls so fassen können: aller Verkehr zwischen Lehrenden und
Lernenden ist nur möglich durch das Denken; der Kraft zu denken bin ich mir
auch bewußt u. s. w." Ich verkeime die Absicht jener Herren nicht, welche
sich damit beschäftigen, schlagende Witzworte und tiefe Gedanken dem Monar¬
chen in den Mund zu legen. Wenn aber dieß auf ungeschickte Weise geschieht,
wen» das Absichtliche dabei durchschaut wird, dann trifft den Verfasser der
doppelte Tadel, erstens als Schriftsteller, zweitens als Politiker, der seine eigene
Sache verdirbt.^ Daß man von hieraus Nichts unterläßt, was in Deutschland
die öffentliche Meinung zu Gunsten Preußens leiten kann, das werden Sie
aus der unzähligen Menge von Eorrcspondenzartikcln, die in diesem Sinne
geschrieben sind, leicht erkennen. Auf ein kleines Beispiel will ich Sie beson¬
ders aufmerksam machen. Die Allg. Augs. Zeit, brachte stets die preußischen
Artikel unter einer eigenen Rubrik: Preußen; wie ich aber aus einer ziem¬
lich gut unterrichteten Quelle mir sagen ließ, hat man bei der Redaction dieses
Blattes Schritte gethan um die Abschaffung der besonderen Ueberschrift: und
seit dem März dieses Jahres —fast gleichzeitig mit der Erscheinung des Buches
von Wülow-Eummcrow — sind die preußischen Eorrespondenzcn der Augs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/301>, abgerufen am 21.06.2024.