Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Maske des Scherzes und Bildes den Ernst der Wahrheit verbirgt.
Ein wesentliches Attribut des Gedankens, der sich so ausdrückt, ist aber
der Humor, der jedoch hier keine andere Bedeutung hat, als die.
daß er der Privatdocent der Philosophie ist."

Hat der Humor für Feuerbach die Bedeutung eines Privatdo¬
centen der Philosophie, so ist dies der Humor davon, daß er es
auch selber nicht über den Privatdocenten hinaufgebracht hat. Man
sonnte eben hier eS bedauern, daß Feuerbach nicht durch eine be¬
stimmte Lehrstelle an einer Universität genöthigt worden ist, sich zu
zügeln und seinen unruhige" Privatdocenten förmlich zu Hause
zu lassen. Allein es war eine nothwendige Fügung: Feuerbach
angle nicht für das Katheder; Witz, der Zwerg unter dem würdig-
sten Professorentalar -- "wo sich nur ein Fältchen ruckte. Witz hei -
vor mit Lachen guckte."

Ist Methode in dieser scheinbaren "Tollheit" seiner Feder, und
seine Methode die: Empirie und Spekulation, aber nicht den Stoff,
sondern das Element, d. i. die empirische Thätigkeit mit der
speculativen Thätigkeit zu verbinden, so ist das Verbindungsglied
dieser beiden Gegensätze, die Skepsis oder Kritik, ebensowohl gegen das
nur speculative, als das nur Empirische, so ist es nicht die Me¬
thode, welche Resultate schafft. Bei diesem ruhelosen Hin- und Wie¬
derstreben, diesem unaufhörlichen Frontemachen gegen das Verschie¬
denste, in dem stetigen Abwehren des irgendwie Ausschließlichen und
Einseitigen wird die Munition verschossen, ehe es zur eigentlichen
Hauptschlacht kommt. DaS Kleingewehrfeuer des Witzes schadet
viel, und der hat immer etwas gewonnen, der die Lacher auf seiner
Seite hat, aber für den Punkt und Augenblick, da es Ernst wird, muß
schweres Geschütz und schwere Reiterei in gemessenem Schritte einher¬
donnern. Feuerbach'ö Methode ist also nicht die gute, nicht die rechte,
um zu einem positiven Ziel zu kommen. Verbindung blos der em-
pirischen und speculativen Thätigkeit durch die Kritik oder
Skepsis ist schließlich nichts als blos negatives, kritisches Verhal¬
ten gegen Empirie und Speculation; in diesem blos negativen, blos
abwehrenden, verzehrenden Thun geht Feuerbach's Wirken vollständig
auf und eS kommt nichts dabei heraus.

Nur wo Positives zu Tage kommt, ist ein Anschluß von An¬
hängern oder Schülern möglich. Die bloße Negation macht keine


Maske des Scherzes und Bildes den Ernst der Wahrheit verbirgt.
Ein wesentliches Attribut des Gedankens, der sich so ausdrückt, ist aber
der Humor, der jedoch hier keine andere Bedeutung hat, als die.
daß er der Privatdocent der Philosophie ist."

Hat der Humor für Feuerbach die Bedeutung eines Privatdo¬
centen der Philosophie, so ist dies der Humor davon, daß er es
auch selber nicht über den Privatdocenten hinaufgebracht hat. Man
sonnte eben hier eS bedauern, daß Feuerbach nicht durch eine be¬
stimmte Lehrstelle an einer Universität genöthigt worden ist, sich zu
zügeln und seinen unruhige» Privatdocenten förmlich zu Hause
zu lassen. Allein es war eine nothwendige Fügung: Feuerbach
angle nicht für das Katheder; Witz, der Zwerg unter dem würdig-
sten Professorentalar — „wo sich nur ein Fältchen ruckte. Witz hei -
vor mit Lachen guckte."

Ist Methode in dieser scheinbaren „Tollheit" seiner Feder, und
seine Methode die: Empirie und Spekulation, aber nicht den Stoff,
sondern das Element, d. i. die empirische Thätigkeit mit der
speculativen Thätigkeit zu verbinden, so ist das Verbindungsglied
dieser beiden Gegensätze, die Skepsis oder Kritik, ebensowohl gegen das
nur speculative, als das nur Empirische, so ist es nicht die Me¬
thode, welche Resultate schafft. Bei diesem ruhelosen Hin- und Wie¬
derstreben, diesem unaufhörlichen Frontemachen gegen das Verschie¬
denste, in dem stetigen Abwehren des irgendwie Ausschließlichen und
Einseitigen wird die Munition verschossen, ehe es zur eigentlichen
Hauptschlacht kommt. DaS Kleingewehrfeuer des Witzes schadet
viel, und der hat immer etwas gewonnen, der die Lacher auf seiner
Seite hat, aber für den Punkt und Augenblick, da es Ernst wird, muß
schweres Geschütz und schwere Reiterei in gemessenem Schritte einher¬
donnern. Feuerbach'ö Methode ist also nicht die gute, nicht die rechte,
um zu einem positiven Ziel zu kommen. Verbindung blos der em-
pirischen und speculativen Thätigkeit durch die Kritik oder
Skepsis ist schließlich nichts als blos negatives, kritisches Verhal¬
ten gegen Empirie und Speculation; in diesem blos negativen, blos
abwehrenden, verzehrenden Thun geht Feuerbach's Wirken vollständig
auf und eS kommt nichts dabei heraus.

Nur wo Positives zu Tage kommt, ist ein Anschluß von An¬
hängern oder Schülern möglich. Die bloße Negation macht keine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266643"/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> Maske des Scherzes und Bildes den Ernst der Wahrheit verbirgt.<lb/>
Ein wesentliches Attribut des Gedankens, der sich so ausdrückt, ist aber<lb/>
der Humor, der jedoch hier keine andere Bedeutung hat, als die.<lb/>
daß er der Privatdocent der Philosophie ist."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42"> Hat der Humor für Feuerbach die Bedeutung eines Privatdo¬<lb/>
centen der Philosophie, so ist dies der Humor davon, daß er es<lb/>
auch selber nicht über den Privatdocenten hinaufgebracht hat. Man<lb/>
sonnte eben hier eS bedauern, daß Feuerbach nicht durch eine be¬<lb/>
stimmte Lehrstelle an einer Universität genöthigt worden ist, sich zu<lb/>
zügeln und seinen unruhige» Privatdocenten förmlich zu Hause<lb/>
zu lassen. Allein es war eine nothwendige Fügung: Feuerbach<lb/>
angle nicht für das Katheder; Witz, der Zwerg unter dem würdig-<lb/>
sten Professorentalar &#x2014; &#x201E;wo sich nur ein Fältchen ruckte. Witz hei -<lb/>
vor mit Lachen guckte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43"> Ist Methode in dieser scheinbaren &#x201E;Tollheit" seiner Feder, und<lb/>
seine Methode die: Empirie und Spekulation, aber nicht den Stoff,<lb/>
sondern das Element, d. i. die empirische Thätigkeit mit der<lb/>
speculativen Thätigkeit zu verbinden, so ist das Verbindungsglied<lb/>
dieser beiden Gegensätze, die Skepsis oder Kritik, ebensowohl gegen das<lb/>
nur speculative, als das nur Empirische, so ist es nicht die Me¬<lb/>
thode, welche Resultate schafft. Bei diesem ruhelosen Hin- und Wie¬<lb/>
derstreben, diesem unaufhörlichen Frontemachen gegen das Verschie¬<lb/>
denste, in dem stetigen Abwehren des irgendwie Ausschließlichen und<lb/>
Einseitigen wird die Munition verschossen, ehe es zur eigentlichen<lb/>
Hauptschlacht kommt. DaS Kleingewehrfeuer des Witzes schadet<lb/>
viel, und der hat immer etwas gewonnen, der die Lacher auf seiner<lb/>
Seite hat, aber für den Punkt und Augenblick, da es Ernst wird, muß<lb/>
schweres Geschütz und schwere Reiterei in gemessenem Schritte einher¬<lb/>
donnern. Feuerbach'ö Methode ist also nicht die gute, nicht die rechte,<lb/>
um zu einem positiven Ziel zu kommen. Verbindung blos der em-<lb/>
pirischen und speculativen Thätigkeit durch die Kritik oder<lb/>
Skepsis ist schließlich nichts als blos negatives, kritisches Verhal¬<lb/>
ten gegen Empirie und Speculation; in diesem blos negativen, blos<lb/>
abwehrenden, verzehrenden Thun geht Feuerbach's Wirken vollständig<lb/>
auf und eS kommt nichts dabei heraus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44" next="#ID_45"> Nur wo Positives zu Tage kommt, ist ein Anschluß von An¬<lb/>
hängern oder Schülern möglich.  Die bloße Negation macht keine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Maske des Scherzes und Bildes den Ernst der Wahrheit verbirgt. Ein wesentliches Attribut des Gedankens, der sich so ausdrückt, ist aber der Humor, der jedoch hier keine andere Bedeutung hat, als die. daß er der Privatdocent der Philosophie ist." Hat der Humor für Feuerbach die Bedeutung eines Privatdo¬ centen der Philosophie, so ist dies der Humor davon, daß er es auch selber nicht über den Privatdocenten hinaufgebracht hat. Man sonnte eben hier eS bedauern, daß Feuerbach nicht durch eine be¬ stimmte Lehrstelle an einer Universität genöthigt worden ist, sich zu zügeln und seinen unruhige» Privatdocenten förmlich zu Hause zu lassen. Allein es war eine nothwendige Fügung: Feuerbach angle nicht für das Katheder; Witz, der Zwerg unter dem würdig- sten Professorentalar — „wo sich nur ein Fältchen ruckte. Witz hei - vor mit Lachen guckte." Ist Methode in dieser scheinbaren „Tollheit" seiner Feder, und seine Methode die: Empirie und Spekulation, aber nicht den Stoff, sondern das Element, d. i. die empirische Thätigkeit mit der speculativen Thätigkeit zu verbinden, so ist das Verbindungsglied dieser beiden Gegensätze, die Skepsis oder Kritik, ebensowohl gegen das nur speculative, als das nur Empirische, so ist es nicht die Me¬ thode, welche Resultate schafft. Bei diesem ruhelosen Hin- und Wie¬ derstreben, diesem unaufhörlichen Frontemachen gegen das Verschie¬ denste, in dem stetigen Abwehren des irgendwie Ausschließlichen und Einseitigen wird die Munition verschossen, ehe es zur eigentlichen Hauptschlacht kommt. DaS Kleingewehrfeuer des Witzes schadet viel, und der hat immer etwas gewonnen, der die Lacher auf seiner Seite hat, aber für den Punkt und Augenblick, da es Ernst wird, muß schweres Geschütz und schwere Reiterei in gemessenem Schritte einher¬ donnern. Feuerbach'ö Methode ist also nicht die gute, nicht die rechte, um zu einem positiven Ziel zu kommen. Verbindung blos der em- pirischen und speculativen Thätigkeit durch die Kritik oder Skepsis ist schließlich nichts als blos negatives, kritisches Verhal¬ ten gegen Empirie und Speculation; in diesem blos negativen, blos abwehrenden, verzehrenden Thun geht Feuerbach's Wirken vollständig auf und eS kommt nichts dabei heraus. Nur wo Positives zu Tage kommt, ist ein Anschluß von An¬ hängern oder Schülern möglich. Die bloße Negation macht keine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/26>, abgerufen am 23.07.2024.